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Internet Summit Austria

Werbung: Kritik an "skrupellosen Datenmärkten"

“Die Werbebranche wird so, wie sie derzeit agiert, nicht überleben.” Die Hauptrednerin des Internet Summit Austria, die Wissenschaftlerin Sarah Spiekermann von der Wirtschaftsuniversität Wien, hat scharfe Kritik an den “skrupellosen Datenmärkten” geübt. “Personendaten sind das Öl des digitalen Zeitalters”, so Spiekermann. “Die große Frage ist, wie wir diese Daten in Zukunft verwalten und schützen können.”

Spiekermann zufolge würden große Werbeagenturen mittlerweile per Tracking von Internet-Usern Personenprofile mit bis zu 500 Attributen erstellen. Viele Webseiten würden bereits mehr als 50 Mechanismen zur Erfassung von Nutzerströmen eingebaut haben, und US-Firmen wie RapLeaf würde diese Daten, die sie hinter dem Rücken der Nutzer erheben, eiskalt weiterverkaufen. Sie werden zur Erstellung personalisierten Werbeformen im Internet genutzt, die den Nutzer auf Basis seiner Interessen (Surf-Vergangenheit auf anderen Seiten) anzusprechen versuchen.

Personalisierung gar nicht so wirksam
“Firmen müssen sich fragen, ob sie ihre sowieso unethischen Praktiken einstellen sollen”, sagte Spiekermann. Denn wie die Forschung zeige, sei die personalisierte Anzeigenform gar nicht so erfolgreich, wie es die Werbebranche versprechen würde. Spricht man eine Person mit so genannten Rich-Media-Formaten (z.B. animierte Flash-Werbung) direkt an, würde die Bereitschaft sinken, Geld für das beworbene Produkt auszugeben. Internetnutzer würden sich generell zunehmends in einer Überwachungssituation wähnen und die Erfassung ihrer Daten immer stärker ablehnen.

Wie eine Studie der Telekom Austria kürzlich aufzeigte, sehen 59 Prozent der Österreicher die Personalisierung von Internet-Inhalten auf Basis ihrer Interessen als wenig bis nicht hilfreich an.

Zahlen für mehr Privatsphäre
Als Lösung für das Problem schlägt Spiekermann einen 7-Punkte-Plan vor, der etwa vorsieht, dass persönliche Daten als Eigentum einer Person gelten - was einfache rechtliche Schritte gegen verletzende Firmen ermöglichen würde. Zentral ist die Idee eines neuen Geschäftsmodells für Firmen: Diese sollten nach dem Freemium-Schema neben einem Gratis-Angebot auch die kostenpflichtige Nutzung anbieten.

Wer etwa Suchmaschinen oder Online-Netzwerke nutzen wolle, ohne dass diese Daten für Werbezwecke auswerten, solle dafür einen kleinen Betrag (z.B. 3 Euro pro Monat) zahlen müssen. Den Betreibern würde so eine neue Einnahmequelle eröffnet werden. Außerdem könnte auf EU-Ebene kontrolliert werden, wie Datenbestände an Drittfirmen weitergegeben werden - da müsse garantiert werden können, dass Personendaten tatsächlich anonymisiert wurden.

Branche skeptisch
Kari Attia von der Online-Werbefirma nugg.ad warnte vor einer zu starken Regulierung der Online-Werbung. Sollte die Legislative die Datenerhebung zu stark regeln, würde man in die "Marketing-Steinzeit" zurückbefördert werden, warnte Attia. Kostenlose Internet-Angebote wären eben kostenlos, weil sie durch Werbung finanziert werden würden - besser wäre, die Branche sich selbst regulieren zu lassen.

Probleme mit der Datensammlung sieht Andreas Ban von der Online-Werbefirma KB Connected Media: “Vor allem junge Nutzerinnen akzeptieren die Herausgabe persönlicher Daten als Gegengeschäft für die Nutzung immer ausgereifterer Services und die Konsumation von Content.” Facebook ginge bei seiner Werbung in Österreich zu weit: Targeting nach sexuellen Vorlieben und Religiösität sei eigentlich verboten.

Online-Werbung in Österreich
Einer IFES-Studie mit 300 befragten Unternehmen zufolge, die im Rahmen des Internet Summit Austria präsentiert wurde, werben heute 61 Prozent der österreichischen Firmen im Netz. Große Unternehmen (+50 Mitarbeiter) sind bereits zu mehr als 90 Prozent auf Online-Anzeigen aufgesprungen, bei EPUs gibt es laut Untersuchung noch Aufholbedarf.

Die häufigsten verwendeten Werbeformen sind die eigene Webseite, Einträge in Online-Branchenbücher wie Herold.at sowie Suchmaschinen- und E-Mail-Marketing. Web-2.0-Kampagnen betreiben 36 Prozent der Firmen. Große Unternehmen in Österreich geben fünfstellige Beträge und mehr pro Jahr für Online-Werbung aus.

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Jakob Steinschaden

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