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Automatische Notrufe im Auto: „Ein bis vier“ eCalls pro Monat

Seit 31. März gibt es EU-weit den gesetzlich eingeführten eCall. Das ist ein automatisches Notrufsystem, das in alle neuen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge verpflichtend eingebaut wird. In jedem Fahrzeug befindet sich ein entsprechendes GSM-Modul, mit dem die Absendung des Notrufs und die Übermittlung der Kommunikation mit der Einsatzzentrale abgewickelt werden. Ausgelöst wird der eCall entweder vom Fahrer selbst, oder durch vorhandene Sensoren im Fahrzeug (wie etwa den Airbag).

Die futurezone hat beim Innenministerium nachgefragt und um eine erste Bilanz gebeten: Derzeit treffen zwischen „ein bis vier eCalls pro Monat“ ein, heißt es in der Anfragebeantwortung. Zu Beginn habe es viele „Ghost Calls“ gegeben. Das sind Notrufe, die versehentlich das eCall-Flag mitgesendet haben. „Waren es beispielsweise im Oktober 2017 noch 755 derartige „Ghost Calls“, waren es im Februar 2018 nur mehr 20. Somit hat man dieses technische Problem bereits nach kurzer Zeit in den Griff bekommen“, heißt es aus dem Innenministerium.

Geringe Marktdurchdringung

Die niedrige Zahl lässt sich einerseits dadurch erklären, dass es noch nicht so viele Neuwagen gibt, die über ein eingebautes System verfügen, also die Marktdurchdringung noch eine sehr geringe ist. Auf der anderen Seite liegt die niedrige Zahl auch daran, dass viele Hersteller auf ihre eigenen Notrufsysteme setzen und diese schon seit längerer Zeit verbaut werden. In Österreich ist der intelligente Notruf bei BMW etwa bereits seit 2007 Teil der Standardausstattung eines jeden für den hiesigen Markt produzierten BMW oder MINI.

„Fahrzeughersteller betreiben ihre eigenen Callcenter, in denen auch die Notrufe angenommen werden und bei Bedarf an die Blaulichtorganisationen weitergeleitet werden. Das wird auch in Zukunft so sein“, erklärt Stefan Saumweber vom ÖAMTC. Laut Saumweber gibt es für Auto-Käufer zudem eine Wahlfreiheit beim Notrufsystem. „Der Fahrzeughersteller hat sich dazu verpflichtet, dass der europäische Notruf immer funktioniert“, so der ÖAMTC-Experte.

Gesetzlicher und privater eCall

Wenn der gesetzlich vorgeschriebene eCall ausgelöst wird nimmt das Fahrzeug in Österreich mit einem der neun „Public-Safety-Answering-Points“ Kontakt auf. Dahinter stecken die jeweiligen Landesleitzentralen der neun Landespolizeidirektionen. Bei den Notrufsystemen der Hersteller funktioniert die Rettungskette etwas anders, wie das Beispiel BMW zeigt.

Bei BMW gibt es den „Intelligenten Notruf“ (TPS-eCall) zusätzlich zum offiziellen eCall. Der wird ebenfalls automatisch beim Auslösen des Airbags oder Drücken eines Notrufknopfs aktiviert. Im Anschluss werden unfallrelevante Daten und Informationen zur Kollisionsart vom Fahrzeug an das BMW-eigene Call Center übermittelt.

„In diesem Moment werden zwei Mitarbeiter im BMW Call Center aktiv: Ein Mitarbeiter nimmt sofort über das Fahrzeug Kontakt mit den Insassen auf, erkundigt sich nach dem Befinden und bleibt mit den Insassen bis zum Eintreffen der Rettungskräfte in Kontakt. Ein zweiter Agent verarbeitet parallel alle vorhandenen Informationen und tritt umgehend in direkten Kontakt mit der Rettungsleitstelle. Die beiden Agenten stehen währenddessen in ständiger Verbindung untereinander via Chatfunktion und tauschen Informationen aus“, beschreibt ein BMW-Pressesprecher die Funktion im Detail.

Unterschiede im Ausland

Vorteile hat der „Intelligente Notruf“ im Fall eines Unglücks im EU-Ausland, etwa dann, wenn man als Österreicher mit dem BMW-Fahrzeug, das mit dem Intelligenten Notruf ausgestattet ist, nach Frankreich fährt und nicht französisch kann. „Bei dem gesetzlichen eCall werden Sie direkt mit der zuständigen französischen Rettungsleitstelle verbunden. Hier kann es zu einer Sprachbarriere kommen. Der Intelligente Notruf verbindet den Fahrer hingegen in seiner Landessprache mit einem Mitarbeiter des Call Centers“, heißt es seitens BMW. Laut dem ÖAMTC müssen europäische Notrufleitstellen aber zusätzlich zur Landessprache auch immer in Englisch antworten können.

Da der „Intelligente Notruf“ bei BMW kostenlos dabei und standardmäßig aktiviert ist, werden viele Fahrzeug-Besitzer gar nicht auf die Idee kommen, diesen gegen die gesetzliche Variante einzutauschen. Dazu müssten sie in eine Vertragswerkstätte fahren und ihn deaktivieren lassen. Das erklärt einerseits die niedrige Zahl der offiziell registrierten eCalls, andererseits geben Fahrzeug-Besitzer damit auch viel mehr Unfalldaten her als gesetzlich vorgeschrieben.

Datensammlung bei Privaten

Der größte Unterschied zwischen dem gesetzlichen eCall und den privaten Notrufsystemen besteht nämlich vor allem darin, was für Daten im Falle des Unfalls aufgezeichnet und gespeichert werden. „Das BMW eigene Notrufsystem erlaubt es, Daten wie zum Bremsverhalten oder Geschwindigkeit aufzuzeichnen und zu speichern“, erklärt der ÖAMTC-Sprecher. BMW betont, dass es sich dabei um „fahrzeugbezogene und nicht um personenbezogene Daten“ handle, die übermittelt werden.

Beim gesetzlichen eCall werden lediglich die Fahrzeugidentifikationsnummer, Kraftstoffart, Position, Fahrtrichtung und mögliche Anzahl der Insassen übermittelt. Die Daten müssen nach Beendigung des Einsatzes gelöscht werden und dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden. Die Frage, wie lange die Daten bei BMW gespeichert werden, blieb unbeantwortet. „Über die BMW/MINI Kundenhotline kann der Kunde seit 25.5.2018 ein Datenarchiv anfordern, welches ihm Einsicht über alle über ihn und sein Fahrzeug gespeicherten Daten gibt“, heißt es seitens BMW.

„Es bedarf auf europäischer Ebene einen Gesetzesvorschlag, damit geregelt wird, wem die Daten gehören und wer Daten besitzen darf. Es gibt keine gesetzliche Regelung zur Datensammlung und -übermittlung in Autos. Zugriff auf die Daten hat faktisch nur der Hersteller“, so der ÖAMTC.

BMW gibt an, dass Kunden mit dem eigens entwickelten Dienst „BMW CarData“ die wichtigsten Telematikdaten, die das Fahrzeug im Rahmen der BMW ConnectedDrive Dienste an BMW sendet und die gespeichert werden, immer im Blick behalten können. Um den jeweils aktuellsten Datenstand einzusehen, könnten Kunden ihr persönliches BMW CarData Archiv jederzeit anfordern.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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