Cockpits werden noch länger von Piloten besetzt sein, weil Flugzeuge zunehmend automatisiert werden, aber noch lange nicht völlig autonom fliegen

Cockpits werden noch länger von Piloten besetzt sein, weil Flugzeuge zunehmend automatisiert werden, aber noch lange nicht völlig autonom fliegen

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Digital Life

Kann autonomes Fliegen Flugzeugabstürze verhindern?

Flugzeugabstürze sind selten, aber wenn sie passieren - so wie am Sonntag in Nepal -, kommen dabei oft viele Menschen ums Leben. Bei der Suche nach Ursachen heißt das Ergebnis oft "menschliches Versagen". Laut Statistik gehen rund 50 Prozent aller Abstürze auf Pilot*innenfehler zurück.

Andererseits schreitet auch in der Luftfahrt die Automatisierung zügig voran. Wird das Fliegen ungefährlicher, wenn Maschinen die Fehler von Menschen immer besser korrigieren oder künstliche Intelligenz Flugzeuge gar völlig autonom steuert?

Im Notfall eine wunderbare Sache

Erst vor wenigen Tagen hat Airbus sein System DragonFly vorgestellt. Sind Pilot*in und Co-Pilot*in eines Flugzeuges aus irgendeinem Grund nicht dazu in der Lage, ein Flugzeug weiter zu steuern, kann das System die Kontrolle übernehmen. Es setzt selbstständig Notrufe ab, sucht nach Notlandeplätzen, beachtet dabei sämtliche wichtigen Faktoren wie Wetter oder Länge der Landebahn, kommuniziert mit der Luftfahrtkontrolle, landet das Flugzeug und folgt den Anweisungen des Towers bis zu einem Parkplatz.

Hochgradig automatisierte Systeme wie dieses seien eine wunderbare Sache, meint Holger Friehmelt, Leiter des Instituts für Luftfahrt/Aviation an der FH Joanneum Graz. "Wenn die Cockpit-Besatzung bewusstlos ist, kann das für alle Menschen an Bord fatal sein. Übernimmt dann ein automatisches System und bekommt zu 99 Prozent eine sichere Landung ist, ist das eine deutliche Verbesserung der Ausgangslage."

Menschliche Fähigkeiten noch unersetzbar

Im Normalfall können Menschen jedoch darauf vertrauen, mit menschlichen Pilot*innen am besten bedient zu sein. "Ein Mensch kann auf komplett neue Situationen reagieren. Einen Computer kann man zwar programmieren und trainieren, aber Intuition fehlt ihm." Durch die Weiterentwicklung der Technik könne man sich mit Automatisierung aber an immer schwierigere Aufgaben herantasten.

Die Statistik, wonach 50 Prozent aller Abstürze auf Pilot*innenfehler zurückzuführen sind, relativiert der Experte: "In der Kette der Dinge, die bei solchen Vorfällen passiert sind, hat es der Mensch am Ende nicht geschafft, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Man kann aber nicht sagen, dass Pilot*innen an all diesen Abstürzen schuld waren. Oft seien es die Schnittstellen zwischen Maschine und Mensch, die nicht optimal funktionieren.

Autopilot entlastet Pilot*innen

Bei einem normalen Flug sind bereits viele Aufgaben automatisiert. Einen Transatlantikflug etwa wickelt der Autopilot zu 95 Prozent ab. Einer der Hauptvorteile, die Autopiloten gebracht haben, sei es, die Anzahl der Ablenkungen im Cockpit reduziert zu haben, sagt Nair Anand Radhakrishnan vom Aerospace Engineering Department der FH Wiener Neustadt.

Pilot*innen übernehmen für lange Phasen des Fluges die Aufgabe der Überwachung. Kommt es allerdings zu einem Notfall, müssen sie blitzschnell in der Lage sein, die Kontrolle zu übernehmen. "Aus statistischen Daten weiß man, wann Probleme meistens auftreten und in welchen Flugphasen nie etwas passiert. Diese Erfahrung kann man dazu nutzen, um in unkritischen Phasen teilautonom zu fliegen und dadurch zu bewirken, dass Piloten nicht gelangweilt und ermüdet werden."

Blitztreffer wahrscheinlicher

Über die Jahre sei die Zuversicht in automatische Systeme allerdings sehr groß geworden, sagt Radhakrishnan. Dabei sei es notwendig, sich im Ernstfall auf gut trainierte menschliche Pilot*innen zu verlassen: "Egal, wieviel besser die Automatisierung funktioniert, Computer können versagen oder im Flug beschädigt werden."

Kritisch ist vor allem das Fliegen in Bodennähe. Hier kommt es auf Sekundenbruchteile an. Menschliche Pilot*innen sind gefragt. Auch wenn sie es mit aller Kraft zu verhindern versuchen, kommt es manchmal zu einem Absturz. Wie die Allianz-Versicherung in einem Bericht festhält, ist es zwar weltweit gesehen wahrscheinlicher, bei einem Hundeangriff oder einem Blitztreffer ums Leben zu kommen, aber jeder Verlust ist tragisch.

Weniger Personal und grünere Routen

Abgesehen von einer besseren Unterstützung von Piloten hat die zunehmende Automatisierung von Flugzeugen weitere Gründe. Einerseits gibt es in der Luftfahrt, genau wie in vielen anderen Bereichen, einen zunehmenden Fachkräftemangel. Kann ein Flugzeug mit nur einer Pilotin oder einem Piloten statt 2 fliegen, brächte dies eine enorme Entlastung. Einige Branchenkenner gehen davon aus, dass es beim Frachttransport zuerst soweit kommen sollte, dass sich weniger Personal an Bord befindet.

Eine andere Dimension sei der Klimaschutz, sagt Friehmelt: "Ein Computer kann sehr gut berechnen, wie schnell man mit wieviel Schub in welcher Höhe fliegen muss, um optimale Routen zu finden und Wind besser auszunutzen. Wenn ich diese Faktoren in eine Automatisierung einbaue, kann ich dem Planeten viel Gutes tun."

So oder so wird es besser

Irgendwann werde es laut den Experten soweit kommen, dass Flüge komplett autonom durchgeführt werden. Wann es soweit sein wird, dazu wagt Radhakrishnan keine Prognose. Friehmelt verrät nur soviel: "Das ist keine Frage von Monaten oder Jahren, eher von Jahrzehnten."

Autonome Flugzeuge können dann hoffentlich Flugzeugabstürze verhindern, bis dahin erzielen aber auch zunehmend automatisierte Flugzeuge immer bessere Resultate. Obwohl es in einzelnen Jahren Ausreißer gibt, geht die Anzahl der Flugzeugunglücke mit vielen Todesopfern seit den 1950er-Jahren beständig zurück.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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