© Jakob Steinschaden

DLD 2012

Badoo: Mehr als nur eine App für Aufreißer

Wie man zu einem schnellen Flirt, einem Date oder gar einem One-Night-Stand kommt? Für immer mehr europäische Smartphone-Nutzer lautet die Antwort ganz klar: Badoo. Der Internet-Dienst hat bei vielen den Ruf als Aufreißer-App, lassen sich mit ihm doch einfach, schnell und kostenlos interessante Menschen in der näheren Umgebung finden und auch gleich ungezwungen kontaktieren.

Die Smartphone-App funktioniert denkbar einfach: Sie scannt die nähere Umgebung nach anderen Badoo-Nutzern und schlägt Mitglieder vor, die den eigenen Interessen entsprechen. Ein Chat lässt sich einfach starten, und meistens kommt auch eine Antwort zurück. Laut den Betreibern von Badoo würde jeder zweite virtuelle Flirt in einem Treffen in der echten Welt resultieren.

Mehr als nur ein schneller Flirt

Dabei will Badoo gar nicht als reiner Flirt-Dienst wahrgenommen werden. "Facebook dient dem Austausch mit Freunden, die man bereits kennt. Bei Badoo lernt man neue Leute kennen”, sagt Jessica Powell, Marketing-Chefin von Badoo, im Rahmen der DLD-Konferenz in München zur futurezone. Das Kennenlernen würde sich nicht auf schnelle Flirts beschränken, sondern den kompletten Freizeitbereich abdecken - vom spontanen Treffen mit Gleichgesinnten auf Reisen bis zu Verabredungen zu sportlichen Aktivitäten.

Und noch ein Vorurteil will Powell widerlegen: Badoo ist alles andere als ein Service für Teenager. Die größte Altersgruppe sei jene der 25- bis 34-Jährigen, gefolgt von den 18- bis 24-Jährigen. Zudem sei ein Drittel der Nutzer über 33 Jahre alt. Außerdem stehe gar nicht der Flirt, sondern das Kennenlernen im Vordergrund: 70 Prozent der Nutzer wollen neue Freunde finden und chatten, Aufreißen sei aber natürlich ein wichtiges Thema.

Insgesamt haben sich 135 Millionen Nutzer bei Badoo registiert, vor allem in Südamerika und Europa ist der Dienst Zahlen des Unternehmens zufolge sehr beliebt. Monatlich loggen sich davon etwa 35 Millionen Mitglieder ein. Laut Powell haben sich auch rund drei Millionen deutschsprachige Menschen bei Badoo angemeldet. "Österreich ist stark vertreten", so Powell.

Kein Facebook-Rivale

Badoo versteht sich zwar als Online-Netzwerk - es gibt auch eine entsprechende Webseite -, sieht sich aber nicht als Facebook-Konkurrent, sondern eher als Ergänzung. "Auf Facebook ist das, was unsere Nutzer machen, schwer, weil es viele als privaten Raum ansehen und neue Leute nur ungern in die Freundesliste lassen”, sagt Powell. Zwar betreibt Badoo eine sehr populäre Facebook-App und erlaubt den Nutzern, sich mit ihren Facebook-Daten anzumelden, besonders wichtig sei das aber nicht für den Dienst. "Facebook ist nicht der kritische Faktor für unser Geschäft und auch nicht die wichtigste Quelle für neue Nutzer”, so Powell. Die Facebook-App würden "nur” acht Millionen Nutzer pro Monat verwenden.

Vielmehr will sich die Firma mit Hauptsitz in London auf das konzentrieren, was Facebook nicht kann. "Wir versuchen, die Barrieren der echten Welt zu reduzieren”, so Powell. "Wenn ein junger Mann etwa weiß, dass das Mädchen da drüben die gleiche obskure Indie-Band mag, tut er sich beim Anreden viel leichter.” Badoo liefert deswegen "Eisbrecher” in Form von Interessen, die man mit anderen Nutzern teilt.

Pseudonyme sind erlaubt
Die Interessen geben die Nutzer nach dem ersten Login selbst an und entscheiden, welche Informationen für andere Nutzer sichtbar sein sollen und welche nicht. Anders als bei Facebook besteht Badoo aber nicht auf die Echtheit der Daten - erfundene Namen und Pseudonyme sind somit erlaubt. "Viele Nutzer geben authentische Informationen an, aber wir wollen ihnen auch die Flexibilität bieten, einen Spitznamen zu wählen oder den Nachnamen wegzulassen”, so Powell. Bei Fotos ist Badoo aber schon strenger: So gibt es eigene Mitarbeiter, die hochgeladene Fotos überwachen, tauchen verdächtige oder offensichtlich falsche Bilder auf, werden diese gelöscht. Laut Powell sei nur sinnvoll, echte Fotos zu verwenden, weil den anderen Nutzer nicht etwas vorgaukelt werden dürfte.

Gegen Gebühr ins Rampenlicht
Badoo unterschiedet sich aber in noch einem Punkt von Facebook: Statt personalisierter Werbung fährt die Firma das immer populärere Freemium-Modell. Die Basisnutzung ist gratis, wer spezielle Funktionen will, zahlt. Eine davon ist offensichtlich besonders beliebt: Gegen Gebühr können sich Nutzer ins Rampenlicht drängen. Wer rund einen Euro zahlt, wird bei einer Suchabfrage etwa in Wien an vorderster Stelle gereiht und ist so für andere leichter auffindbar. Mehr als 100 Millionen Dollar will Badoo mit den Zusatzfunktionen 2011 eingenommen haben und damit profitabel wirtschaften.

Dass Badoo bis dato unter dem Radar vieler Medien geblieben ist, hat wohl mit dem Standort zu tun: Während die Presse vor allem auf Start-ups aus dem Silicon Valley fokussieren würde, hätte man bis dato kaum Beachtung in Europa geschenkt bekommen, so Powell. Dabei ist Badoo ein durch und durch europäisches Unternehmen: Der russische Internet-Unternehmer Andrey Andreev gründete den Web-Dienst 2006 in Spanien und leitet die Firma mit rund 150 Mitarbeitern heute von London aus. Nach Skype und Spotify könnte Badoo somit der nächste größere Web-Hit "made in Europe” werden - und so für neue Impulse am "alten Kontinent” sorgen.

Österreichischer Konkurrent

Badoo ist aber nicht der einzige Web-Dienst, der Gleichgesinnte zueinander finden lassen will. Im Sommer 2011 startete der Wiener Alexander Lendl das Freizeit-Portal Friendseek (ehemals Friendsic, die futurezone

). Auch dort geht es darum, Unbekannte auf Basis gemeinsamer Interessen kennenzulernen. In den Kategorien "Hobby & Freizeit”, "Sport”, "Reise”, "Tanz” können sich Nutzer eintragen und damit für andere auffindbar machen. Friendseek will wie Badoo seinen Betrieb mit einem Freemium-Modell finanzieren - Basis-Accounts sind gratis, wer mehr Funktionen will, zahlt eine monatliche Gebühr.

Mehr zum Thema

  • Dropbox: "Steve Jobs hat keinen Preis genannt"
  • Groupon: Schnäppchen für 143 Millionen Nutzer
  • USA machen gegen EU-Datenschutzpläne mobil
  • Tumblr: 120 Millionen Nutzer pro Monat
  • Tumblr: 120 Millionen Nutzer pro Monat
  • Reding: "Keine Netzsperren in Europa"

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Jakob Steinschaden

mehr lesen
Jakob Steinschaden

Kommentare