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Wie Wissenschaftler die Blackout-Gefahr einschätzen

Österreich ist verwöhnt, was die Versorgungssicherheit bei Strom betrifft. Nur selten gibt es Ausfälle und wenn, dann ist nach wenigen Stunden meistens wieder alles beim Alten. Doch kann man davon ausgehen, dass das so bleibt? „Das System der Stromversorgung wird deutlich komplexer in Zukunft und diese gestiegene Komplexität bedeutet, dass das System anfälliger für Störungen wird“, erklärt Jaro Krieger-Jamina der futurezone. 

Er ist Forscher an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und hat im Auftrag des Parlaments eine Studie über die Sicherheit der Stromversorgung durchgeführt, die am Abend in der Hofburg präsentiert wurde. „Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Blackout automatisch wahrscheinlicher wird“, so der Forscher. „Diesen Schluss gibt die wissenschaftliche Untersuchung der Sachlage nicht her.“ Laut Bundesheer wird es in den nächsten 5 Jahrenfast hundertprozentig“ zu einem größeren, überregionalen Stromausfall kommen. Der Forscher sagt dazu: "Das dürfte eher auf einem Bauchgefühl beruhen. Das Risiko lässt sich nicht quantifizieren."

Ein Blackout ist ein großflächiger Stromausfall, der von Stunden bis zu Tagen andauern kann. „Es ist ein Ereignis mit großem Schadenspotenzial, aber wir brauchen keine Angst davor haben“, so der ÖAW-Forscher.  

"Der Umbau des Stromsystems ist wie eine Operation am offenen Herzen, die gerade stattfindet. Das ist natürlich eine heikle Situation"

Barbara Schmidt, Österreich Energie
futurE Stromcamp: Wie kann man mehr Akzeptanz für Erneuerbare erreichen?

Österreich Energie Generalsekretärin Barbara Schmidt

Energiewende und Ausbau der Netze

Österreich steht dennoch vor großen Herausforderungen: Die Energiewende mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien wie Photovoltaik und Wind steht an. Diese darf nicht unterschätzt werden. Windparks werden nicht dort stehen, wo die alten Gaskraftwerke zu finden waren, und die Sonne scheint nicht genau dann, wenn wir den Strom tatsächlich benötigen. Wir benötigen viel mehr Stromspeicher, als bisher vorhanden ist. Außerdem müssen gleichzeitig die Netze aus- und umgebaut werden. „Das Netz muss deutlich flexibler werden, als es heute ist“, sagt Krieger-Lamina. 

Derzeit gerät das Netz immer häufiger an seine Leistungsgrenzen und es sind viel mehr Eingriffe  seitens der Betreiber ins Lastenmanagement notwendig als bisher. Das bestätigt auch Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Österreich Energie: „Die E-Wirtschaft hat viel mehr zu tun als früher, damit der Strom sicher zu den Kunden kommt. Der Umbau des Stromsystems ist wie eine Operation am offenen Herzen, die gerade stattfindet. Das ist natürlich eine heikle Situation.“ Die Energiewende ist in vollem Gange und es müsse darauf geachtet werden, dass sich alles im Gleichklang mit dem Netzausbau befindet. „Die Netze können nur so viel transportieren, wie auch gebraucht wird“, erklärt Schmidt. 

Investitionskosten

Für den Ausbau des Stromnetzes wird bis 2030 mit rund 18 Milliarden Euro an Kosten gerechnet, für den Umbau des Erzeugungssystems mit 25 Milliarden Euro. „Die Inflation ist hier allerdings noch nicht einberechnet“, so Schmidt. Doch laut der ÖAW-Studie ist der Umbau des Energiesystems nicht der einzige Risikofaktor für die steigende Gefahr von großflächigen Stromausfällen. 

Auch der Klimawandel und damit einhergehende Extremwetterereignisse machen die Situation teilweise unberechenbar. „Der Klimawandel beeinflusst die Versorgungssicherheit ganz massiv und das muss man in Zukunft berücksichtigen“, so Krieger-Lamina. Es wird daher seitens der Forscher*innen empfohlen, den Austausch zwischen Netzbetreiber*innen und Klimaexpert*innen zu intensivieren, um die Betriebsbedingungen „noch vorausschauender“ zu analysieren.

Laut Schmidt sei es wichtig, die Bevölkerung „ohne Panikmache“ aufzuklären, was auf das Stromsystem durch die Energiewende und Umwelteinflüsse zukommt, was die Stabilität des Systems betrifft. Doch sie beruhigt auch gleich: „Aus der Studie geht hervor, dass die Stromversorgung im Krisenfall nach spätestens 48 Stunden wieder hergestellt ist“, so Schmidt.  „Es ist möglich, das zu bewältigen“, sagt Krieger-Lamina. Kritische Infrastrukturbetreiber*innen seien gut auf eine solche Situation vorbereitet, so der Forscher. 

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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