Blockchain-Kühlschrank kurbelt privaten Stromhandel an
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Am Strommarkt der Zukunft wird es nicht mehr wenige große Anbieter auf einer Seite und viele Abnehmer auf der anderen Seite geben. Stattdessen wird es neben größeren Anbietern viele kleinere Stromproduzenten geben, die etwa Strom mit eigenen Photovoltaikanlagen produzieren und verkaufen wollen. Bereits jetzt schließen sich etwa Bewohner von Mehrparteienhäusern zusammen, um kleine Solarkraftwerke auf ihrem Dach zu errichten. Die EU fördert solche "Energiegemeinschaften" ("Citizen Energy Communities"). Auch in Österreich wurden 2017 mit der kleinen Ökostromnovelle die rechtlichen Voraussetzungen für solche Szenarien geschaffen.
Dezentralisierung
Der Stromhandel auf kleiner Ebene erfordert jedoch völlig neuartige, dezentrale Steuerungs- und Abrechnungsysteme. Der Energieversorger Wien Energie sieht in der Blockchain-Technologie großes Potenzial, um die Bedürfnisse aller Teilnehmer am Strommarkt der Zukunft zu erfüllen. "Wir sehen die Technologie als Chance und testen schon heute die Möglichkeiten. Ziel ist es, Energie künftig angreifbarer und transparenter zu machen. Bisher kommt der Strom einfach aus der Steckdose, die Blockchain hingegen kann dem Strom ein Mascherl geben", meint Wien-Energie-Geschäftsführer Peter Gönitzer.
Wer wann geliefert hat
Gemeinsam mit Bosch hat Wien Energie den Blockchain-Kühlschrank entwickelt. Er wird seit heute am ANON Blockchain Summit in Wien präsentiert. Der Kühlschrank soll zeigen, wie Privatpersonen ihren Stromverbrauch künftig auf sichere und transparente Weise kontrollieren und beeinflussen können. Wie Projektleiter Robert Lauter demonstriert, wird der Blockchain-Kühlschrank mit einer App gesteuert. Mit der App kann man nicht nur die Temperatur von Kühl- und Gefrierfach einstellen, oder genaue Stromverbrauchsstatistiken ansehen, man sieht auch zu welcher Zeit der Kühlschrank aus welcher Quelle Strom bezogen hat. In der Nacht wurde er etwa von einem Windkraftwerk in der Nähe versorgt, in der Früh von einem Wasserkraftwerk, zu Mittag von einer Solaranlage am eigenen Hausdach.
Kontrolle über Daten
Zu jeder Bezugsquelle kann man eine Transaktionsbestätigung aufrufen. Hier sieht man, wie jede Stromlieferung per Blockchain verifiziert wurde. Stromanbieter und Stromabnehmer werden auf diese Art eindeutig identifiziert. Die Transaktion ist öffentlich einsehbar und macht die Stromlieferung transparent. Gleichzeitig werden persönliche Angaben anonymisiert. Der Nutzer behält die volle Kontrolle darüber, welche Daten an wen übertragen werden. Wien Energie als Betreiber der App erhält etwa eine Freigabe, um den Stromverbrauch des Kühlschranks zu lesen, Temperatureinstellungen oder die Anzahl der Türöffnungen in der App anzuzeigen. Diese Einstellungen werden mittels "smartem Vertrag" ("Smart Contract") in der Blockchain gespeichert. Sie können nicht einseitig geändert werden.
Automatisierung
Was als komplexe Aufgabe erscheint, soll für Kunden am Ende möglichst einfach sein. Der Kühlschrank (bzw. die Software dahinter) schätzt vollautomatisch seinen künftigen Stromverbrauch ein, reserviert Kapazitäten bei Kraftwerken und übernimmt die Abrechnung. Der Kunde gibt lediglich persönliche Präferenzen an, etwa ob Ökostrom verwendet werden soll oder aus welchem Umkreis um den eigenen Wohnort die Energielieferanten gewählt werden sollen. Der Blockchain-Kühlschrank soll private Nutzer zu aktiven Teilnehmern am Strommarkt machen und ihr Interesse für Stromherkunft und -Verbrauch wecken. Ob das funktioniert, will Wien Energie anhand einiger Testnutzer erfahren.
Neue Rollenverteilung
"Ziel ist es jedenfalls, den Stromverbrauch möglichst nachhaltig zu gestalten", meint Kai Siefert, Strategieexperte von Wien Energie. Es gehe dabei sowohl um ökologische Faktoren als auch die Förderung lokaler Wertschöpfung. Wien Energie seinerseits will durch das Kühlschrank-Projekt seine Fähigkeiten im Umgang mit der Blockchain ausbauen und mögliche Rollen am Energiemarkt der Zukunft ausloten. "Wir wollen uns ja nicht selbst abschaffen", meint Siefert. Wien Energie könne etwa künftig als Plattformanbieter in einer Dienstleisterrolle auftreten. Strom liefern wird Wien Energie aber weiterhin. Siefert: "Es wird immer Momente geben, wo sich eine Energiegemeinschaft nicht selbst versorgen kann."
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation von Wien Energie und der futurezone.
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