Design Thinking Workshop Erste Bank im Museumsquartier
Design Thinking Workshop Erste Bank im Museumsquartier
© Martin Stepanek

Design Thinking

„Die Bank soll mir meine Wohnung putzen“

Was passiert, wenn man 20 Mitarbeiter einer Bank plus zehn geladene Gäste, darunter Designer, Grafiker und s-Lab-User im Museumsquartier mitten in Wien ausschwärmen lässt, um wildfremde Menschen zu ihren Wünschen an die Bankservices der Zukunft zu befragen? Was in der Theorie nach einem potenziell fragwürdigen Experiment klingt, brachte einige erstaunliche Antworten zutage und zeigte auch, dass spielerische Kreativität und betriebswirtschaftliches Denken kein Widerspruch sein müssen.

Hintergrund der Aktion war ein zweitägiger Design Thinking Workshop, den die Erste Bank mit der Agentur brainds und designaustria durchführte. Das Experiment, das unter dem Titel „Innovatives Business Development“ auch am diesjährigen Europäischen Forum Alpbach vorgestellt wird, stand unter dem Arbeitstitel „Mit welchen neuen Services kann man Bankkunden das finanzielle Leben leichter machen?“. In mehreren Arbeitsgruppen sollten Hypothesen aufgestellt, Ideen und Prototypen entwickelt und schließlich wieder vor der Gruppe, aber auch ausgewählten Bankkunden präsentiert werden. Die Befragung von Besuchern im Museumsquartier am ersten Workshop-Tag diente als Initialzündung.

"Wohnung putzen"

Dass ein Museumsquartier-Besucher mehr Verantwortungsbewusstsein der Branche einforderte, überraschte angesichts der globalen Finanzkrise und der Diskussion über die Hypo-Pleite kaum. Dass zwei junge Besucherinnen sich nicht vorstellen konnten, Banking über das eigene Smartphone abzuwickeln und das unter anderem so argumentierten, dass man dann noch mehr Zeit am Handy verbringen würde, verblüffte dann doch. Ein weiterer Befragter antwortete auf die Frage, welche Aufgaben eine Bank seiner Meinung nach in Zukunft übernehmen sollte mit: „Am liebsten meine Wohnung putzen.“

Design Thinking Workshop Erste Bank im Museumsquartier
Selbst diese vermeintliche Spaßantwort beinhaltet aber konkrete Anknüpfungspunkte, wie Cornelia Schöberl-Floimayr, Leiterin vom Customer Experience Management bei Erste Bank, im Gespräch mit der futurezone unterstreicht. „Wenn man mit Design-Thinking-Methoden und Kundenfeedback arbeitet, geht es auch darum, Bedürfnisse zu abstrahieren. Wenn sich der Kunde wünscht, dass seine Wohnung geputzt wird, sollen wir als Bank dann einen Putzservice anbieten? Vermutlich nicht. Aber die Bank kann dieses Bedürfnis nach Ordnung in anderen Bereichen bedienen – etwa, indem man Ordnung bei Rechnungen und Verträgen oder Bankzettel herstellt – sei es über ein Online-Service, eine App oder ein anderes Kundenservice“, so Schöberl-Floimayr.

Kollaborativ arbeiten

Bei Design Thinking handelt es sich um eine von US-Wissenschaftlern in den 90er-Jahren entwickelte Methode, die sich an traditionellen Designprozessen orientiert und versucht, kreatives Denken und Problemlösungskompetenz in klar geordnete Bahnen zu lenken. „Damit Design Thinking funktionieren kann, ist eine kollaborative Grundeinstellung Pflicht. Es zeigt zudem sehr schön, dass Kreativität kein Widerspruch, sondern Grundvoraussetzung ist, um für komplexe Problemstellungen eine – auch betriebswirtschaftlich sinnvolle – Lösung zu finden“, sagt Oliver Heiss von der Agentur brainds.

Für Klaus Weissmann, der den Workshop moderierte, kann Design Thinking einem Unternehmen nicht nur helfen, auf tatsächliche Kundenbedürfnisse zu fokussieren. Vielmehr helfe es auch, festgefahrene Strukturen aufzubrechen und abteilungsübergreifend zu arbeiten. „In Wahrheit beraten in großen Konzernen immer die gleichen Experten über die gleichen Fragen und kommen zu den gleichen Ergebnissen. Für Innovationsprozesse spannender ist es aber, wenn auch Leute in Problemstellungen involviert werden, zu denen sie oberflächlich betrachtet keinen Bezug haben. Die Arbeit in solchen Workshops zeigt, dass die besten Fragen meist von den Leuten gestellt werden, die am wenigsten Ahnung von der Materie haben“, sagt Weissmann im Gespräch mit der futurezone.

Google, Facebook als Konkurrenz

Für die Erste Bank war der Workshop eine Premiere, wenngleich im s Lab, wo mithilfe von Usern neue Online-Services und App-Ideen ausgetüftelt werden sollen, bereits Co-Creation-Workshops stattfanden, die mit ähnlichen Methoden arbeiten. „Kaum eine Branche ändert sicher derzeit so stark wie die Bankenbranche. Neben den veränderten Rahmenbedingungen gibt es einige neue Player – Start-ups mit innovativen Services sowie große Riesen wie Google, Facebook und Apple, die vieles am Markt verändert haben und selbst auch Interesse am Anbieten von Finanzdienstleistungen haben“, so Schöberl-Floimayr.

User des s Lab der Erste Bank und Sparkassen sind online und offline aktiv
Nicht zuletzt aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen wolle man neue Zugänge zum Thema Banking finden und über den Tellerrand hinausblicken: „Die Kundensicht bzw. das Bedürfnis des Kunden muss immer im Zentrum sein. In Wahrheit gibt es ja auch nichts einfacheres, als auf die Straße zu gehen und Menschen anzusprechen, so wie wir das im Rahmen des Experiments im Museumsquartier getan haben. Der Zeitdruck, der bei so einem Workshop herrscht, hat ebenfalls etwas Befreiendes. Man muss rasch Prototypen entwickeln, bekommt Feedback, adaptiert, verwirft und muss sich dann schnell für eine konkrete Idee entscheiden.“

Schnell entwickeln

Im Rahmen dieses „Rapid Prototypings“ entstanden innerhalb der zwei Workshop-Tagen unterschiedlichste Ideen, die in den kommenden Wochen und Monaten von den Verantwortlichen in der Bank weiterverfolgt werden. Unter den Ideen, die am zweiten Tag auch einigen Erste-Bank-Kunden präsentiert wurden, waren etwa eine App, mit der man sich unter bestimmten Voraussetzungen eine Sofortfinanzierung genehmigen kann sowie ein Kundenservice, mit dem anhand der eigenen Interessen und anderer Parameter den für sich perfekten Kundenberater finden kann.

Eine andere Workshop-Gruppe sah die Bank als Security-Anbieter für Privatkunden – etwa im Bereich Smartphones – ein weiterer Vorschlag schlug noch mehr Engagement im Crowdfunding-Bereich vor. Auch wenn es völlig in den Sternen steht, ob die eine oder andere beim Workshop entwickelte Idee in die Tat umgesetzt wird, hat sich das Experiment für die Bankverantwortlichen auf jeden Fall gelohnt. „Allein davon, dass viele Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Bereichen aufeinandertreffen und ihre Blickwinkel wechseln, kann in weiterer Folge innerhalb der Bank viel Neues und Innovatives entstehen“, ist Schöberl-Floimayr überzeugt.

Ein weiterer Design Thinking Workshop mit Fokus auf Businesskunden ist bereits geplant.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit Erste Bank und Sparkassen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

mehr lesen
Martin Jan Stepanek

Kommentare