KTM COO Harald Plöckinger und die Freeride E-XC
KTM COO Harald Plöckinger und die Freeride E-XC
© David Kotrba

Interview

"E-Motorrad entscheidet zwischen Fahren und Nichtfahren"

Im Herbst 2014 brachte das oberösterreichische Unternehmen KTM seine ersten Elektromotorräder auf den Markt. Der der Veranstaltung E-Mobility on Stage im September konnte die futurezone bereits einen Blick auf eine Freeride E-SX werfen. Mittlerweile werden drei Modelle angeboten, die - wie die meisten KTM-Maschinen - hauptsächlich auf den Geländeeinsatz ausgerichtet sind. Welche Strategie KTM mit seinen Elektromotorrädern verfolgt, darüber sprach die futurezone mit COO Harald Plöckinger. Der Besuch in der Unternehmenszentrale in Mattighofen wurde auch gleich für eine Werksführung genutzt.

futurezone: Seit wann arbeitet KTM an seinen Elektromotorrädern?
Harald Plöckinger: Wir haben Ende 2007 begonnen. Da hat es die ersten Konzeptüberlegungen gegeben. 2008 haben wir in Wien den ersten Prototypen hergezeigt. Das klingt jetzt, als ob das relativ lange her wäre, aber das hat gute Gründe. Denn wenn wir KTM draufschreiben, muss es auch eine KTM sein und allen unseren Anforderungen an ein Produkt entsprechen. Fahrbarkeit, Qualität, Zuverlässigkeit, Sicherheit, das alles muss passen. Speziell bei einem elektrischen Antrieb und einem Stromspeicher. Der Weg zu einem Prototypen war relativ kurz.

Was ist bis zur Markeinführung 2014 alles geschehen?
Wir sind eine Entwicklungskooperation mit dem AIT eingegangen. Leistungselektronik und Batteriemanagement haben wir gemeinsam entwickelt. Es war schnell klar, dass wir aus Effizienz- und Gewichtsgründen ein Hochvoltkonzept anstreben. Wir reden hier von 300 Volt. Da braucht es eine entsprechende Absicherung. Da darf nichts Unvorhergesehenes passieren. Den Prototypen in ein serientaugliches Modell überzuführen, das haben wir uns fest auf die Fahnen geschrieben. Deswegen haben wir uns Zeit gelassen, bis wir dann Ende letzten Jahres mit der Auslieferung begonnen haben. Auch der Handel musste auf unser Produkt vorbereitet werden. Es hat da spezielle Schulungen gegeben, Spezialwerkzeug wurde angefertigt.

Hat KTM mit so einer langen Entwicklungszeit gerechnet?
2008, nach der Finanzkrise, hat das Thema Elektromobilität einen großen Hype erlebt. Mittlerweile ist da ein gewisser Realismus eingezogen. Wir mussten feststellen, dass wir bestimmte Dinge, etwa die Leistungselektronik nicht zukaufen konnten. Was wir benötigten, war nicht vorhanden. Wir mussten unseren Prototypen also mit dem AIT von Grund entwickeln, die Software dazu schreiben. Das alles war viel aufwendiger, als wir geglaubt haben, weil die existierenden Anbieter unseren Anforderungen nicht entsprechen konnten.

Was waren die ursprünglichen Gründe für KTM, um in die Elektromobilität einzusteigen?
Wir haben deshalb mit einem Geländesportmotorrad begonnen, weil wir in diesem Segment Weltmarkführer sind. Es wird - speziell in Europa - immer schwieriger, diesen Sport auszuüben. Da geht es um Fahren oder Nichtfahren. Das war einer der Gründe für ein Elektromotorrad. Damit kann man den Sport bedenkenloser ausüben. Wir haben ein Paradebeispiel hier an unserem Standort. Seit über 20 Jahren bemühen wir uns, eine Teststrecke für Geländemotorräder zu bauen. Mit dem klassischen Verbrennungsmotor unmöglich.

Wegen der Lärmbelästigung?
Lärm ist das eigentliche Problem, Emissionen nicht einmal so sehr. Und wir haben jetzt in Munderfing einen Freeride-Park für Elektromotorräder, der anstandslos genehmigt wurde. Der hat Betriebszeiten, die uns freuen, von Vormittag bis Nachmittag, sechs Tage die Woche. Und es gibt keine Beschwerden. Die Lärmreduktion war der hauptsächliche Beweggrund.

Was waren die anderen Beweggründe?
Das Zweite war: Wir können damit den Geländemotorradsport näher an Ballungszentren bringen. Diese Parks brauchen nicht allzuviel Fläche. So etwas könnte auch durchaus nahe einer Großstadt entstehen. Wir haben nicht umsonst eines unserer ersten Produktvideos nahe Barcelona gedreht. Das soll einfach die Möglichkeit zeigen, urbaner zu werden. Man braucht dann nicht zwei Stunden lang das Motorrad auf einem Anhänger herumführen, um fahren zu können.

KTM hat die Leistungselektronik und das Batteriemanagement also ursprünglich gemeinsam mit dem AIT entwickelt. Wird das Thema nun innerhalb von KTM weiterverfolgt oder gibt es neue Partner bei der Batterieentwicklung?
Der Akku selbst wird von einem Partner aus Europa gefertigt. Das Know-How, das da drin steckt, ist allerdings unser Eigentum. Die Entwicklung geschieht teilweise mit einem Partner, aber auch oft bei uns und vor allem auf unsere Rechnung. Die Leistungselektronik kommt aus Österreich, genauer gesagt aus Salzburg. Auch hier ist es unser geistiges Eigentum, weil wir die Entwicklung mit diesem Partner gemeinsam gemacht haben. Die Elektronikkomponenten bauen wir aber selber nicht zusammen, das kaufen wir zu.

Konnte sich KTM an Elektromotorrädern anderer Hersteller orientieren?
Es gab einen Schweizer Hersteller, der als erster am Markt war. Auch mit einem Geländemotorrad. Das war auch der Erste, der versucht hat, diese Fahrzeuge in eigenen Parks anzubieten. Ich glaube, diesen Hersteller gibt es nicht mehr. Die haben ein zu kleines Händlernetzwerk gehabt. Das war ein kleines Unternehmen. Dessen Produkt hätte auch nicht unsere Anforderungen erfüllt.

... und sitzt direkt auf dem Motor auf.

Können die Vorteile, die ein Elektromotorrad hat, bisher den Preisaufschlag im Vergleich zu Verbrennungsmotoren wettmachen?
Wir produzieren jetzt das zweite Jahr. Wir haben eine funktionierende Händlerinfrastruktur. 160 Händler in Europa verkaufen unsere Elektromodelle. Das ist noch zu wenig. Wir sind an der Händlerentwicklung dran. Der Preisnachteil ist sicher virulent, keine Frage. Aber sie tanken dafür äußerst günstig an der eigenen Steckdose. Auch die Servicekosten sind wesentlich geringer. Über die Lebensdauer der Maschine werden sich die Kosten von Verbrenner und Elektromotorrad irgendwann treffen. Die große Investition hab ich beim Elektromotorrad bloß am Anfang. Das kann eine Hürde sein. Es gibt ja noch nicht viele ernstzunehmende Elektromotorräder am Markt. Auch wir müssen noch Erfahrungen sammeln.

Wodurch will sich KTM von anderen Herstellern unterscheiden?
Unser Ausgangspunkt war der Geländemotorradsport. Das ist sicher bei der Entwicklung die schwierigere Aufgabe. Da gibt es die Themen Schlamm, Feuchtigkeit, Vibrationen, Staub, Springen, mechanische Spitzenbelastungen. Das hilft uns bei der Entwicklung der weiteren Produktpalette. Wenn unser Produkt das Gelände aushält, dann schafft es das auf der Straße allemal. Dort geht es dann nur noch um das Thema Reichweite und das ist eine Frage der Akkugröße. Wobei es jetzt keiner Entwicklung mehr bei Batteriemanagement oder Leistungselektronik bedarf. Das ist vorhanden.

Die Akkus lassen sich bei den "Freeride E"-Modellen ausbauen. Die könnte man also auch gegen zukünftige Akkugenerationen austauschen?
Ja, wenn sich die Zellentechnologie weiterentwickelt, kann man unsere Produkte auch anders bestücken. Der Akku kann bei den "Freeride E"-Modellen vom Motor abgehoben werden. Der hat rund 24 Kilogramm und sitzt unter der Sitzbank. Man muss nur vier Schrauben lösen und kann das Teil herausnehmen. Man muss keine Kabel entfernen.

Gibt es Pläne, den Elektromotor auch auf andere Motorräder abseits des Geländesports zu bringen?
Wir haben die urbane Mobilität im Visier.

Ein Roller vielleicht?
Nein, den haben wir als Studie gezeigt, die Resonanz war auch durchwegs positiv. Ein Roller ist natürlich auch ein sehr preissensitives Segment. Wenn man entsprechende Reichweite braucht, dann muss man das Akkupack auch entsprechend bestücken. Dann wird die Preisdifferenz zu Verbrennern jedoch zu groß. Würden die Zellen günstiger werden, dann würden wir wahrscheinlich noch einmal über das Thema nachdenken, aber im Moment ist das Projekt Roller geparkt.

Womit will KTM dann den urbanen Raum erobern?
An was wir arbeiten ist jedoch so etwas wie eine Duke 125 als Elektroversion. Mit entsprechender Reichweite und einem Ladegerät an Bord, damit man die Maschine wirklich nur noch an der Stromtankstelle anstecken braucht. In diese Richtung überlegen wir.

KTM Duke

Wird der Sportwagen X-Bow elektrifiziert werden?
Nein.

Hybrid?
Nein. Das ist ganz einfach ein Kleinserienfahrzeug, und der Aufwand, hier nachzurüsten, würde sich wirtschaftlich nicht lohnen. Ein Sportwagen mit geringem Gewicht und kleinvolumigem Motor liegt durchaus im Trend der Zeit. Downsizing haben wir schon von Anfang an betrieben und Leichtbau ebenfalls. Aber der X-Bow wird sicher keine zweite Antriebskomponente erhalten.

Im vierrädrigen Rennsport gibt es die Formel E. Gibt es etwas Ähnliches für Elektromotorräder?
Ja, unsere Frankreich-Tochter macht mit den "Freeride E"-Supermoto-Modellen eine kleine Rennserie. Bei der Rennstrecke Zolder in Belgien ist ein Freeride-E-Park entstanden. Dort gibt es auch Offroad-Rennen. Es wird sich eine Szene entwickeln, da bin ich sicher. Mit einem etwas anderen Format, als wir sie von klassischen Motocross- oder Enduro-Rennen kennen.

Die Elektromotorräder von KTM werden momentan nur in Europa verkauft. Gibt es Verkaufspläne darüber hinaus?
Ja. Kalifornien ist DER Markt. Wir arbeiten daran, vor allem an den Themen Zulassung und Zertifizierung. Es gibt schon das eine oder andere Fahrzeug drüben. Das ist natürlich ein Markt, den wir nicht auslassen werden.

Setzt sich KTM auch in größerem Kontext für Elektromobilität ein?
Wir sind in der Austrian Mobile Power vertreten und versuchen auf diesem Wege Elektromobilität in Österreich publik zu machen. Wir bemühen uns, die österreichische Industrie zum Thema Elektromobilität zu bringen. Fahrzeughersteller, Zulieferunternehmen, Stromanbieter versuchen wir zu überzeugen. Bei Austrian Mobile Power waren wir von Beginn an dabei. Wir sind eines der sechs Gründungsunternehmen.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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