Facebook weiß, wo du einkaufst - User meist ahnungslos
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Die Grenzen zwischen der digitalen und physischen Welt verlaufen längst fließend. Populäre Plattformen wie Facebook oder WhatsApp sind Teil unseres Alltags geworden. Man tauscht sich dort über Befindlichkeiten aus, holt sich Einkaufs- und Fortgeh-Tipps oder lässt einfach Menschen am eigenen Leben teilhaben.
Facebook ist das aber offenbar noch nicht genug. Um das Offline- und Online-Leben stärker zu verzahnen, werden Einkäufe von Usern in Geschäften künftig nicht nur aufgezeichnet, sondern für Werbekunden gezielt ausgewertet. Dies geschieht über die Facebook-App am Smartphone, welche den Standort des Users und somit auch den Besuch eines Ladens oder Restaurants weitergibt.
Firmen, die auf Facebook Anzeigen buchen, sollen auf diese Art erfahren, wie viele der Facebook-User nach einer Kampagne tatsächlich das eigene Geschäft oder Lokal aufsuchen und dort offline Geld ausgeben.
Mehrheit kauft offline
Hintergrund für den Facebook-Vorstoß ist, dass Online-Shopping zwar ein boomender, ständig wachsender Markt ist, etwa 90 Prozent der Einkäufe aber immer noch offline in Geschäften ums Eck getätigt werden. Um die Online-Offline-Verbindung zu forcieren, können Werbekunden ab sofort auch den Ort ihres Geschäfts in einem Kartenausschnitt inklusive Adresse, Öffnungszeiten, Telefonnummer und geschätzter Wegzeit direkt in der Anzeige inkludieren.
Über das Abgleichen von Kundendaten und Facebook-Daten sollen Geschäftsinhaber sogar herausfinden können, welche User nach welcher Werbeeinschaltung wie viel Geld ausgegeben haben. Auch eine genaue Auswertung nach demografischen Parametern wird von Haus aus mitgeliefert.
Facebook ist nicht das erste Unternehmen, das den geographischen Aufenthalt von Usern speichert und mit Werbung abgleicht. Auch Google, die klare Nummer eins bei Online-Werbung, zeichnet offenbar seit bereits 18 Monaten gezielt auf, wenn Google-User offline ein Geschäft besuchen. Eine Milliarde Einkäufe sollen auf diese Weise – etwa über die Nutzung der Google Maps App am Handy – in den vergangenen eineinhalb Jahren aufgezeichnet und ausgewertet worden sein.
Privatsphäre in Gefahr
Die neue Funktion sorgt bei Datenschützern für Unbehagen. Zuletzt stand das soziale Netzwerk gar unter Verdacht, Umgebungsgeräusche und Gespräche von Usern mitzuhören, um aufgrund der Inhalte perfekt zugeschnittene Werbung einblenden zu können. Facebook gab schließlich zu, dass die App über das Mikrofon des Telefons mithöre, die Informationen aber nicht zu Werbezwecken ausgewertet würden.
Die Standort-Erfassung über das Smartphone gilt seit jeher als problematisch. Mittlerweile kann das Mitsenden der Aufenthaltskoordinaten sowohl in den allgemeinen Handy-Einstellungen, aber auch für einzelne Apps wie Facebook deaktiviert werden. Damit können Einkäufe in Geschäften nicht aufgezeichnet und ausgewertet werden.
Nutzer oft ahnungslos
Viele User sind sich der Standort-Weitergabe und den damit verbundenen Datenschutz-Implikationen nicht bewusst. Andere wollen oder können auf die Funktion nicht verzichten, weil sie wie bei Google Maps die Navigation und das gezielte Auffinden von Informationen erleichtert. So muss die Standortabfrage aktiviert sein, wenn man mit dem Handy eine Adresse in der Nähe finden möchte oder auch Bilder automatisch mit dem Ort markieren möchte.
Dieser Widerspruch zeigt sich gerade auch bei österreichischen Facebook-Nutzern. Diese machen sich zwar Sorgen über den Umgang mit ihren Daten. Ihr Wissen über Datenschutz und Überwachung in Online-Netzwerken ist aber gering. Zu diesem Ergebnis kommt ein mehrjähriges Forschungsprojekt, das vom Kommunikationswissenschaftler Christian Fuchs geleitet und vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert wurde.
Für die Studie wurden zwischen 2010 und 2014 mehr als 3500 Leute online befragt. 90 Prozent der Befragten gaben an, über den Schutz ihrer Daten besorgt zu sein. Viele haben auch Angst davor, dass persönliche Daten aus sozialen Netzwerken an ihren Arbeitgeber weitergegeben werden könnten.
Kritik an personalisierter Werbung
Das Wissen über den Datenschutz sei bei rund 70 Prozent der Nutzer jedoch relativ gering, sagt Fuchs. „Viele wissen nicht, was mit ihren Daten passiert.“ Kritisch gesehen wird laut dem in London lehrenden Forscher auch personalisierte Werbung im Internet. Sie sollte nach Meinung vieler erst nach ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen erlaubt sein.
In den Online-Netzwerken sehen die Österreicher aber auch viele positive Aspekte. Geschätzt wird etwa die Möglichkeit, bestehende Kontakte aufrechtzuerhalten und alte Kontakte aufzufrischen. Auch als Quelle von Informationen und Nachrichten werden soziale Medien gerne genutzt. „Dass die Leute kritisch sind, heißt nicht, dass sie technikfeindlich sind“, sagt Fuchs.
Das vollständige Interview mit Christian Fuchs lest ihr morgen auf futurezone.at
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