© Pawel Kopczynski, reuters

Datenschutz

"Google & Co. sind ein schlechter Deal"

“Es gibt keine hundertprozentige digitale Selbstverteidigung”, sagt Steffan Heuer. Seine Daten sollte man US-Internetkonzernen und Geheimdiensten dennoch nicht kampflos überlassen, sagt der US-Korrespondent des deutschen Wirtschaftsmagazins “brand eins”.

Gemeinsam mit der dänischen Journalistin Pernille Tranberg hat er das Buch “Mich kriegt ihr nicht!” verfasst, das Hilfestellungen zum Schutz der Privatsphäre liefert. Die futurezone hat mit Heuer über Schutzmaßnahmen gegen die Datensammelwut gesprochen.

futurezone: Große US-Internet-Unternehmen fordern die Einschränkung der Netz-Überwachung. Kann man Facebook & Co trauen?
Steffan Heuer:Nur sehr begrenzt, und zwar aus mehreren Gründen. Ihre Proteste gegen die NSA-Bespitzelung entbehren nicht der Ironie, denn Google & Co saugen seit Jahren massiv Nutzerdaten ab, legen sie auf Servern in den USA ab, wo sie dem Zugriff durch Nachrichtendienste ausgesetzt sind oder an Werbekunden verkauft werden. Vereinbarungen wie das “Safe Harbour”-Abkommen stellen keinen wirksamen Schutz dar, sondern dienen nur dazu, dass US-Firmen europäische Verbrauchern zu Geld machen. Diese Firmen schreiben streng genommen ihre eigenen Regeln zur Missachtung unserer Privatsphäre und beschweren sich nun, dass Übergriffe der Regierung ihr Geschäftsmodell gefährden, das auf ähnlichen Prinzipien beruht - nämlich die Ignoranz von Millionen Nutzern auszubeuten.

Einen Massen-Exodus von US-Netzwerken hat es bislang nicht gegeben. Welche Auswirkungen hatten die NSA-Enthüllungen auf das Nutzerverhalten?
Alternative Suchmaschinen wie DuckDuckGo, die die Privatsphäre ihrer Nutzer achten anstatt sie zu verraten und zu verkaufen, wachsen von kleiner Basis. Sie haben ihre Nutzerzahlen seit Snowden schnell verdoppelt und werden weiter Zulauf gewinnen. Doch die Sogwirkung der Quasi-Monoplisten Google oder Facebook sollte man nicht unterschätzen. Die Sorge, etwas zu verpassen und etwas aufzugeben, sind zwei bewährte psychologische Triebfedern. Sich diesem Druck zu widersetzen, ist nicht einfach.

Ich habe vor ein paar Jahren den Stecker bei Facebook gezogen und kann ruhigen Gewissens sagen, nichts verpasst zu haben. Das Gleiche gilt für meine Präsenz auf LinkedIn, die mir unterm Strich sehr wenig gebracht hat. Diese Dienste machen Aussteigern allerdings die Entscheidung schwer, oder verstecken entsprechende Menü-Optionen geschickt. Man kann sich troesten, dass auch Facebook einmal den Zenith überschreiten wird, erste Anzeichen kann man unter Jugendlichen bereits ausmachen. Die grosse Frage ist, was danach kommt.

Machen wir ein Verlustgeschäft, wenn wir unsere Daten gegen die Annehmlichkeiten, die uns Facebook, Google & Co. bieten, tauschen?
Unterm Strich auf jeden Fall. Lapidar gesagt: Wenn etwas kostenlos ist, bist du das Produkt. Verlust machen wir auf zweierlei Weise. Einmal ökonomisch. Ein paar GB Speicherplatz oder ein bisschen Rechenleistung im Netz kosten heute nur noch ein paar Euro im Jahr und sind als angeblicher "Gratis-Service" ein schlechter Deal im Vergleich zu den stetigen Umsätzen, die diese Firmen mit unseren intimsten Details generieren. Zumindest sollten Facebook & Co einem die Wahl lassen: Zahlen und weitgehend in Ruhe gelassen werden, oder gratis und komplett ausgespäht. Das tun sie aber nicht. Zum anderen machen wir als Gesellschaft und Demokratie Verlust, da wir uns von ein paar Unternehmen auf maschinenlesbare Größen reduzieren lassen. Transparenz und Sharing sind weder Pflicht noch Aufgabe des Einzelnen. Wer sich komplett erfassbar macht, wird auf die Dauer zum Opfer von Ausgrenzung und Diskriminierung. Vom grundsätzlichen Misstrauen, das der NSA-Skandal weltweit gesät hat, einmal abgesehen.

Zahlreiche Firmen und Initiativen arbeiten an oder bieten bereits einfache Lösungen zum Schutz der Privatsphäre an, ist das ein Zukunftsmarkt?
Auf jeden Fall. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher interessieren sich mehr denn je für Verschlüsselung und private Kommunikation. Bislang war das zu kompliziert oder nur Fachleuten vorbehalten. Jetzt sehen Experten darin einen der größten Wachstumsmaerkte der kommenden Jahre. Man kann das mit dem Aufziehen von Antivirus-Software vergleichen, die heute als Standard gar nicht mehr hinterfragt wird. Die Tatsache, dass jede Woche ein neues Start-up ein Projekt ankündigt oder vorstellt, zeigt deutlich, wie viele Menschen sich darüber Gedanken machen - und zwar nicht nur über die staatliche, sondern auch über die ganz alltägliche kommerzielle Überwachung, die Google & Co seit Jahren praktizieren.

Welche Maßnahmen zur digitalen Selbstverteidigung empfehlen Sie?
Eins vorweg: Es gibt keine hundertprozentige digitale Selbstverteidigung, da wir in einem Katz und Maus-Spiel gefangen sind. Das heisst aber keineswegs, dass man aufgeben und Technologie-Firmen freien Zugriff auf seine Daten lassen sollte. Selbstverteidigung fängt beim Verhalten an. Erst denken, dann posten. Was einmal gesagt ist, lässt sich nur schwer oder gar nicht ungeschehen machen. Wer sich mit US-Anbietern einlässt, öffnet grossen Sicherheitslücken Tür und Tor. Dass etwa innereuropäischer Internetverkehr innerhalb des Schengen-Raums geroutet werden soll, wäre ein guter und wichtiger erster Schritt, über den sich vor allem Lobbyisten von US-Firmen lustig machen. Was sie dabei nicht erwähnen ist die Tatsache, dass das für US-Anbieter Vorschrift ist.

Zu welchen Werkzeugen raten Sie?
Neben diesen zwei Ratschlägen des gesunden Menschenverstandes sind Tipps wichtig, die sich ums System drehen: extrem sparsam mit den eigenen Daten umgehen, also Pseudonyme und Wegwerf-Mail-Adressen einsetzen, Scriptblocker wie Disconnect.me oder Ghostery im Browser installieren, extreme Vorsicht bei mobilen Apps walten zu lassen, Verschlüsselungs-Software wie PGP oder GPG und Anonymisierungsdienste wie VPNs und Tor einzusetzen. Es geht darum, so viel Sand wie möglich ins Getriebe der Datenhäscher zu streuen.

Sie raten auch dazu Pseudonyme zu nutzen. Viele Online-Netzwerke wie etwa Facebook oder Google+ bestehen auf Klarnamen.
Firmen, die vom Sammeln und Weiterverkauf unserer intimsten Details leben, wollen uns natürlich weismachen, wir müssten Klarnamen verwenden, denn nur so sind wir wertvolles Rohmaterial. AGBs sind eine Sache, Gesetze wie das deutsche Telemediengesetz eine andere. Datenschutzbeauftragte wie Hamburgs Johannes Caspar raten Kindern und Jugendlichen deswegen explizit, sich mit Pseudonym anzumelden. Jeder Mensch hat etwas zu verbergen und sollte diesen Rat beherzigen. Schlimmstenfalls wird das Konto dicht gemacht, aber die Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering. Webseiten wie Fakenamegenerator.com helfen dabei, sich gleich mehrere falsche Online-Identitäten zuzulegen - vorausgesetzt, man kombiniert sie mit den oben beschriebenen Verteidigungsschritten, um Trackern das Handwerk zu legen. Ganz wichtig dabei: Für datengierige Dienste wie Google oder Facebook nur einen bestimmten Browser nutzen, in dem man keine anderen Aufgaben erledigt.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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