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Hands-on

Google+ überzeugt im futurezone-Test

Wenn es um soziale Dienste im Internet ging, hatte Google bislang kein allzu glückliches Händchen bewiesen. Angebote wie Buzz und insbesondere Wave entpuppten sich schon nach kurzer Zeit als Fehlschläge. Doch mit

soll es nun anders werden. Der Internetriese traut sich erstmals ein tatsächliches soziales Netzwerk zu, anstatt nur wahllos verteilte, einzelne Services irgendwo im Google-Universum miteinander zu verbinden. Social-Media-Experten sehen inGoogle+ großes Potenzial.

In einem ersten futurezone-Test konnte das Netzwerk auch durchaus überzeugen, ob es zum Facebook-Killer reicht, wird die Zukunft zeigen. Googles Zugang zum Thema Privatsphäre fällt – für den oft gescholtenen Internetriesen – überraschend gut aus. Das aufgeräumte, klare Design, entwickelt von Apple-Ikone Andy Hertzfeld, wirkt erfrischend und übersichtlich. Gleichzeitig bleiben aber noch einige Fragen offen.

Einfacher Einstieg
Derzeit befindet sich Google+ noch in einer geschlossenen Beta-Testphase, Nutzer erhalten nur über eine Einladung oder über einen kleinen Trick Zugang zu dem Netzwerk. Hat man es über einen dieser Wege hinein geschafft, bedarf es nur einer kurzen Orientierungsphase, das Prinzip von Google+ ist schnell durchschaut – nicht zuletzt, da es in vielen Punkten ohnehin dem von Facebook bekannten System ähnelt. Profilseite, Statusmeldungen, Fotos uploaden und ganz allgemein Inhalte teilen, das wirkt sofort vertraut.

Auch wie man sein Profil gestaltet, die Angabe von Interessen und Benachrichtungen, die man über Aktivitäten im Netzwerk erhält – ein Facebook-Kenner, weiß wie das funktioniert. Etwas weniger vertrauenserweckend ist es vielleicht, dass beim Erstellen des Accounts das persönliche Picasa-Konto mit den dort verfügbaren Fotos zwingend verknüpft werden muss. Das dient Google allerdings dazu, dass im Profil dann bereits ein Foto angezeigt wird. Wer zuvor eine Google-Profilseite hatte, dem wird diese durch die Anmeldung bei Google+ automatisch durch das neue Profil ersetzt.

Circles: Leute finden, Leute einteilen
Bei den Circles wird es in Google+ erstmals wirklich interessant. Mit dieser Funktion, ordnet man jeden einzelnen Kontakt von Anfang an einem bestimmten Kreis (Familie, Freunde, Kollegen) zu. Das Prinzip ist zwar ähnlich den Facebook-Freundeslisten, in der Umsetzung jedoch sehr viel einfacher, klarer strukturiert: Per Drag&Drop zieht man die Personen in einen, oder auch mehrere Kreise. Der große Vorteil gegenüber Facebook: Die Personen werden schon beim Aufnehmen ins persönliche Netzwerk zugeordnet – das System erinnert an jenes von Diaspora, das mit den „Aspekten“ im Grunde dieselbe Funktion bietet. Das ist übersichtlicher und bringt von Anfang an einen guten Überblick über die unterschiedlichen Kontakt-Gruppen. Im Untermenü „Circles“ schlägt Google+ automatisch bestehende Google-Kontakte aus Gmail vor und zeigt an, wer schon im Netzwerk ist und wer nicht. Personen können aber auch einfach auf gut Glück gesucht werden.

Will man dann einen Inhalt teilen, kann jedes mal genau ausgewählt werden, an welche der Kreise der Content geschickt wird. Ergänzend gibt es die Möglichkeit, Leuten auch einfach zu folgen (wie man es von Twitter kennt), ohne das die Person das bestätigen muss. Dann bekommt man allerdings nur jene Postings angezeigt, die der betreffende Nutzer unter „öffentlich“ ausgeschickt hat. Wer keine Inhalte außerhalb seines selbst gewählten Netzwerks sehen will, sollte auf das „öffentlich“ posten komplett verzichten.

1 minus für Privatsphäre
Mit diesem Circles-Prinzip, das gut durchdacht scheint, hat Google+ tatsächlich einen Trumpf im Ärmel. Der Nutzer erhält volle und vor allem sehr einfache Kontrolle darüber, wer was zu sehen bekommt. Circles können unbegrenzt vom User selbst neu angelegt und benannt werden. Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch, die Kreise auf eine überschaubare Zahl zu begrenzen, sonst könnte später, wenn sich einmal hunderte Kontakte angesammelt haben, der Überblick verloren gehen. Jede Person kann selbstverständlich auch mehreren Circles zugeordnet werden, dadurch entstehen dann auch Überschneidungen und am Ende ist man vielleicht doch nicht mehr sicher, wem man gerade welches Foto gezeigt hat.

Ergänzend zur Circles-Einteilung gibt es auch die typischen Privatsphäre-Einstellungen, über diese etwa kontrolliert werden kann, welche Personen/Kreise Interessensangaben sehen können, ob man etwas überhaupt ganz öffentlich oder doch lieber nur für sich selbst sichtbar macht. Ein Minus gibt es dafür, dass wie auch Facebook, die meisten Einstellungen nach Opt-out funktionieren und die Vorauswahl "öffentlich" lautet. Dafür hat man aber die Möglichkeit, beim Ausfüllen eines Punktes auch direkt die passende Privatsphäre-Einstellung zu wählen. Füllt man gar nichts aus, ist natürlich auch nichts zu sehen. Außerdem kann man sich für jede einzelne Person vorab anzeigen lassen, wie das eigene Profil für den jeweiligen Nutzer erscheint.

Datenschutz-Lücke
Wenig erfreulich ist die erste Datenschutz-Lücke, die offenbar von der Financial Times aufgedeckt wurde. Dabei handelt es sich um sogenanntes „Re-Sharing“, ähnlich wie wenn auf Twitter ein Posting weiterverbreitet wird. So kann man zwar festlegen, einen Inhalt zum Beispiel nur mit dem Kreis „Freunde“ zu teilen. Jede Person in dem Circle kann den Inhalt dann jedoch wiederum teilen und damit geht dieser dann auch an andere Personen, die mit der ursprünglichen Person, die den Inhalt gepostet hat, möglicherweise überhaupt nicht mehr in Kontakt stehen. Das kann soweit gehen, dass ein völlig privates Foto, das man vielleicht nur 3 Personen gezeigt hat, plötzlich komplett öffentlich ist. Es gibt zwar eine Option "Disable Reshare", über die man das Weiterverbreiten der Postings unterbinden kann. Diese kann jedoch erst nach dem Veröffentlichen eines Beitrags ausgewählt werden und ist nicht auf den ersten Blick zu finden. Standardmäßig ist die Funktion auf "Enable" gestellt und damit grundsätzlich jedes Posting zunächst einmal frei zur Weiterverbreitung.

Google wurde mittlerweile offenbar auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Da sich Google+ derzeit in der Testphase befindet, darf gehofft werden, dass die Lücke in Kürze geschlossen wird.

Sparks – Vorsicht, Spam-Gefahr
Die Option Sparks fällt auf den ersten Blick etwas enttäuschend aus. Hier kann aus verschiedenen Interessensgebieten ausgewählt werden, zu denen man dann eine Art Newsfeed erhält. Klickt man etwa „Rezepte“ an, bekommt man einen Stream aus Nachrichten, die zu dem Thema passen. Allerdings kann nicht weiter definiert werden, welche Rezepte man zum Beispeil sehen will. So erhält man einen scheinbar wahllos zusammengewürfelten Feed, der eben irgendetwas mit Rezepten zu tun hat. Man kann zwar grundsätzlich jedes Suchwort abonnieren, da dann aber auch einfach alle Artikel angezeigt werden, wo das Wort vorkommt, fühlt sich Spark schnell wie eine Spamschleuder an. Hinzu kommt, dass Google hier ganz offensichtlich Informationen zu den Nutzern sammelt, die dann künftig wohl wieder für Werbung verwendet werden.

+1-Knopf
Statt Like-Button gibt es bei Google+ den +1-Knopf. Den Button stellte Google schon vor einiger Zeit vor. Zunächst konnte man damit im Wesentlichen Suchergebnisse markieren, sammeln und mit anderen teilen. Nun ist der Knopf und alles im Web markierte auch im Netzwerk integriert. Zusätzlich kann jeder Inhalt, jedes Posting und jeder Kommentar – eben ganz nach Facebook-Vorbild - „ge-plus-oned“ oder „plus-geeinst“ werden. Man sieht, die sprachliche Umsetzung ist Facebook mit dem „liken“ wohl besser gelungen.

Chatten, Video-Meetings und Mobile-Version
Zum Abrunden, wenig spektakulär, bietet Google+ mit Huddles eine Chatfunktion. Diese ist im Prinzip dieselbe, wie es sie auch schon in Gmail gab, nur das das Chatfenster nun eben auch in Google+ aufpoppt. Interessanter ist da schon der Videochat Hangouts, in dem man sich auch mit mehreren Leuten treffen kann. Während des futurezone-Tests machte die Funktion allerdings ein wenig Probleme und konnte nicht vollständig geladen werden. Vor der Inbetriebnahme muss zudem ein kleines Plug-in installiert werden.

Für Android-Nutzer, und hier hat Google+ eine potenziell sehr große Nutzerbasis, ist auch die mobile App bereits verfügbar. Sie wirkt auf den ersten Blick sehr aufgeräumt, intuitiv und funktioniert – etwa beim Foto-Uploaden – tadellos. Künftig soll es die Mobile-Version auch für andere Smartphone-Betriebssysteme geben.

Fazit
Google+ ist definitiv durchdachter und sehr viel attraktiver als dies Services wie Wave oder Buzz waren. Schon jetzt tummeln sich trotz Einladungspolitik – gefühlt – mehr Menschen in dem Netzwerk als bei Wave nach mehreren Monaten Testphase. Die größten Stärken liegen wohl in der Herangehensweise an die Privatsphäre, dem hübschen Design und der nutzerfreundlichen Bedienung. Profitieren könnte Googles Netzwerk auch von der um sich greifenden Anti-Facebook-Stimmung.

Was noch fehlt, sind Punkte wie Veranstaltungen oder die Möglichkeit, tatsächliche Gruppen zu bilden, denen unterschiedliche Menschen beitreten können – etwa zu einem bestimmten Thema. Was es ebenfalls nicht gibt, viele jedoch als angenehm empfinden könnten, sind Games und allerlei Applikationen, wie sie auf Facebook massenweise vorhanden sind. Neben der aufgetretenen Datenschutz-Lücke zählt wohl Googles grundlegendes Vertrauensproblem in punkto Privacy zu den Nachteilen des Netzwerks. Hinzu kommen kleinere, lästige Dinge, wie die Tatsache, dass jedes Teilen einen Eintrag auf dem eigenen Profil hinterlässt. Teilt man etwa dasselbe Foto zu unterschiedlichen Zeiten mit anderen Circles, hat man gleich mehrere Einträge mit demselben Inhalt auf seinem Profil. Außerdem gibt es kein typisches Messaging. Man kann zwar mit einer Person chatten oder einen Inhalt, sprich eine Nachricht, statt mit einem Circle auch nur mit einer Person teilen. Einen Unterhaltungsstrang kann man jedoch nicht abrufen.

Wenn es Google+ gelingt, Kinderkrankheiten zu heilen, Datenschutz-Lücken zu schließen und möglichst schnell viele Nutzer anzulocken, dann wartet hier wohl der derzeit stärkste Konkurrent für Facebook. Ob daraus ein Killer wird? Wahrscheinlich nicht.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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