Österreichische Software errechnet Zukunftsszenarien
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Wie sieht die EU in zehn Jahren aus? Werden sich neben Großbritannien weitere Staaten aus der Europäischen Union verabschieden? Oder wird vielleicht das Vereinigte Königreich doch nicht, dafür aber Polen oder Ungarn aus dem Staatenbund austreten? Die im Rahmen des österreichischen Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS – eine Initiative des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), entwickelte Software Foresight Strategy Cockpit (FSC) kann mit der Erstellung von Zukunftsszenarien bei der Beantwortung dieser Fragestellungen behilflich sein. „Es reicht heute nicht mehr aus, schnell und nur kurzfristig auf Ereignisse reagieren zu können. Es ist viel wichtiger, vorbereitet zu sein und den Wandel umfassend zu verstehen, um die Zukunft aktiv selbst mitgestalten zu können“, sagt Thomas Kolonko, Geschäftsführer des Unternehmens 4strat, das die Software Behörden und Unternehmen als Begleiter für komplexe Zukunftsanalysen anbietet.
Bei Ministerien im Einsatz
Zum Einsatz kommt die Software etwa in Institutionen des öffentlichen Sektors, die vor besonders komplexen, langfristigen Fragestellungen und sehr strategischen Entscheidungen stehen, aber auch in großen Unternehmen in Deutschland und Österreich. Alle Organisationen, die sich mit langfristigen Verfahren und Prozessen auseinandersetzen müssen, sollten ein Interesse an der Analyse möglicher Entwicklungspfade haben, so Kolonko: „Behörden und Konzerne müssen sehr weit in die Zukunft denken und benötigen daher solche Tools.“ So wurden für einen Kunden z.B. Trends und Entwicklungen in der Kriminalität im urbanen Raum analysiert. Somit können für die Gestaltung zukünftiger Rahmenbedingungen neue Möglichkeiten angeboten werden. „Je konkreter das Zukunftsthema ist, desto einfacher ist es für uns, sie zu bearbeiten“, meint Kolonko.
„Es ist nicht so, dass man auf den Knopf drückt und dann die Zukunft sieht“, sagt Kolonko. Es gehe darum, alle plausiblen Zukünfte im Blick zu haben und Zukunftsforscher, die sich bei ihrer Arbeit - im Rahmen der Analyse möglicher Entwicklungen - immer mehr in einer Flut aus Daten wiederfinden, bei der Strukturierung der Informationen und ihrer Arbeit zu unterstützen.
Datenbasiert
Da das System auf Daten basiert, hilft die Software dabei, mögliche Zukunftsbilder offen zu legen, die man so nicht erwartet oder die sonst ein Tabuthema sind. Es gehe darum, den eigenen und organisationsbezogenen Zukunftsraum zu öffnen. Daneben helfen spezielle Analyse-Methoden, die als Module des Tools beim Risikomanagement, also beim Identifizieren von Risiken, dem Bewerten von Eintrittswahrscheinlichkeiten und der Reduzierung von Angriffspunkten, oder auch zur Erkennung von Trends und beim Sammeln und Bewerten von Ideen helfen könne, erläutert Kolonko. „Unser Vorteil ist, dass wir alles miteinander verknüpfen können.“
Eine von mehreren Grundlagen, für die Erstellung der Zukunftsszenarien, bildet ein Set aus mehr als 50 Datenquellen die von statistischen Daten, unter anderem von der Statistik Austria, der Weltbank, Eurostat und dem UNHCR und Artikel österreichischer und internationaler Medien, bis hin zu Echtzeitdaten reichen. „Um mögliche Entwicklungen für die Zukunft besser absehen zu können, müssen diese frühzeitig erkannt werden, hier braucht man vor allem ein gutes aktuelles Lagebild.“, sagt Kolonko.
Vielzahl an Themen
Die Software könne eine große Vielfalt an Methoden anbieten, mit denen unterschiedliche Themen abgedeckt werden können und die etwa der Vorhersage von Krisen und Migrationsbewegungen bis hin zur Analyse der Entwicklung der tatsächlichen und der gefühlten Sicherheitslage reichen. Zeitungsberichte fließen ebenso in die Analyse der Zukunftsbilder mit ein, wie Statistiken zur Arbeitslosigkeit oder zum Fischfang in afrikanischen Regionen. „Wenn der Fischfang in einer Region einbricht, in der viele Menschen davon leben, kann es sein, dass der Migrationsdruck steigt“, erläutert Kolonko. „Wir führen relevante Daten im Tool zusammen und werten sie gemeinsam mit Experten über die digitale Plattform, oder auch in Workshops aus. Denn, Schlussfolgerungen müssen immer von Menschen gezogen werden, die letztlich für Entscheidungen verantwortlich sind. Das soll das Tool gar nicht selbst machen.“
Weiterentwickelt wird das Foresight Strategy Cockpit durch 4strat, einem deutsch-österreichischen Joint-Venture. Die Softwaretechnik für 4Strat wird aus Österreich vom TU-Spin-off RISE geliefert. 4strat möchte Organisationen einen neuen Zugang zur Zukunft eröffnen, um Wandel nachhaltig mitgestalten zu können, sagt Kolonko: „Wir haben gemerkt, dass der Bedarf für eine Lösung wächst, die nicht nur Trends zeigt, sondern verschiedene Daten – darunter auch Echt-Zeit-Daten – systemisch miteinander verknüpft.“
Vernetzung
Das in Berlin ansässige Unternehmen bietet nicht nur die Foresight-Software, sondern auch Zukunftscoaching, Trainings und klassische Beratungsleitungen an. Für den Standort Berlin habe man sich entschieden, weil es einen guten Zugang zu Innovations-Labs und dem Studiengang Zukunftsforschung gebe, wodurch ein Austausch mit neuen Branchen und der Wissenschaft möglich sei sowie ein Team an Zukunftsexperten gewonnen werden könne. 4strat sei es auch ein Anliegen - in der Zukunftsforschung - die Bildung von Netzwerken anzuregen.
Bei Zukunftsthemen mache es Sinn, dass mehrere Firmen zusammen forschten, um gemeinsam Entwicklungen besser abschätzen zu können. Kolonko: „Fragen nach künftigen Antrieben oder nach dem Zeitpunkt an dem selbstfahrende Autos in großer Zahl auf den Straßen unterwegs sein werden, sind nicht nur für Zulieferer im Bereich der Automobilindustrie von Interesse.“
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