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Digital Life

So kämpft Ärzte ohne Grenzen gegen Corona-Mythen

Ärzte ohne Grenzen kennt man als Nothilfe-Organisation, die vor allem in Ländern tätig ist, in denen es Konflikte oder Epidemien gibt. Seit der Corona-Pandemie kämpft das Team in 70 Ländern der Welt vor allem gegen eines: Die Verbreitung des Virus. Einen wesentlichen Teil der Arbeit macht dabei die Gesundheitsaufklärung aus. Doch gerade die hat sich seit der Corona-Krise massiv verändert, erzählt Andre Höschele, Social-Media-Manager von Ärzte ohne Grenzen, der futurezone.

„Seit Covid-19 ausgebrochen ist, ist es in vielen Ländern nicht mehr möglich, so aufzuklären, wie wir das normalerweise machen. Wir sind von Dorf zu Dorf gefahren, haben die Menschen dort zusammengetrommelt, um ihnen unsere Hilfe anzubieten“, so Höschele. Doch eine derartige Vorgehensweise würde dem widersprechen, wie man sich in der Pandemie verhalten sollte.

Soziale Netzwerke und Messenger

„Deswegen mussten wir umsatteln und versuchen die Menschen nun über soziale Netzwerke und Messenger-Dienste zu erreichen“, sagt Höschele. Er ist im Team, das für die digitale Gesundheitskampagne zuständig ist. Seine Jobbeschreibung: „Digital Health Promotion Social Media Manager“. Sein Team sitzt in Europa, arbeitet aber eng mit den lokalen Länder-Teams vor Ort zusammen.

„Wir kriegen die Informationen direkt von den Ärzten, die in den jeweiligen Ländern vor Ort sind“, sagt Höschele. Dann sehen sich die Social-Media-Manager an, welche digitalen Dienste in dem Land am häufigsten genutzt werden und entwickeln gezielte Kampagnen, um möglichst viele Menschen vor Ort zu erreichen.

Gefährliche Gerüchte

Erschwert wird die Gesundheitsaufklärung durch kursierende Falschinformationen. „In manchen Ländern können diese sogar gesundheitsgefährdend sein“, sagt Höschele. In Mossul im Irak kursiere etwa das Gerücht, dass Seife das Coronavirus übertrage.

„Wir sind darauf gekommen, dass dieses von einem Seifenhersteller ins Leben gesetzt wurde, der eine sündhaft teure Handseife vermarktet hat, die sich kaum jemand leisten kann. Der Slogan suggerierte, dass es die einzige Seife sei, die gegen Corona wirkt“, erzählt der Social-Media-Manager. Die Menschen in Mossul hatten daraufhin aufgehört, sich die Hände zu waschen. „Genau hier haben wir angesetzt, und sie darüber aufgeklärt, dass jede Seife wirkt“, erklärt Höschele. Dass diese Gesundheitskampagne gewirkt hat, ließ sich ganz einfach am Verhalten der Menschen messen.

Ebenfalls im Irak wurden Masken untereinander ausgetauscht, weil der Slogan „Maske wirkt“ so verstanden worden war, dass es wichtig sei, Maske zu tragen. Dass diese nur von einer Person und nur für eine begrenzte Zeit eingesetzt werden sollte, war in der Bevölkerung nicht angekommen. „Auch hier konnten wir die Menschen aufklären“, sagt Höschele. Die Informationsverbreitung fand via Messenger-Dienste wie WhatsApp statt, aber auch über Werbesujets auf Facebook.

„Nicht die Pest“

In Indonesien arbeite man hingegen sehr viel mit YouTube-Videos, so der Experte. Doch nicht in allen Ländern der Welt erreicht man Menschen auf diese Art und Weise. In Ecuador sei das Transportsystem „Mini-Taxi“ sehr beliebt, schildert der Ärzte-ohne-Grenzen-Mitarbeiter. „Hier mussten wir bei den Taxifahrern selbst ansetzen – und  zwar bei der Aufklärung. Wir haben ihnen gesagt, dass es sehr viel bringt, bei den Fahrten die Fenster offen zu lassen und ständig  durchzulüften.“

Generell hat Ärzte ohne Grenzen derzeit viel damit zu tun, den Menschen die Angst vor Genesenen zu nehmen, die bereits eine Covid-19-Infektion durchlaufen hatten. Diese seien vielmals aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und verstoßen, oft nicht einmal mehr mit Nahrung versorgt worden. „Hier war wichtig, dass wir dieses Stigma beenden. Denn Corona ist nicht die Pest.“ Spezielle Gesundheitsberater halfen in diesem Fall per Messenger in der jeweiligen Landessprache weiter.

Reaktionen

Ärzte ohne Grenzen habe mit dem Einsatz der digitalen Gesundheitsaufklärung vor allem „gute Erfahrungen“ gemacht, heißt es. Doch gerade im Amazonas-Gebiet in Brasilien, dort wo Covid-19-Infektionen stark verbreitet sind, kamen die Kampagnen nicht gut an. „Der Mythos, dass Corona gar nicht existiert, ist dort stark verbreitet“, schildert Höschele.

Hier habe man bei den Social-Media-Kampagnen im Kommentarbereich am meisten zu tun gehabt, um Verschwörungstheorien keine Bühne zu bieten. „Im Congo, Irak oder auch in Ecuador hingegen waren die Reaktionen, die wir bekommen haben, fast ausschließlich positiv“, so der Social-Media-Manager. Ärzte ohne Grenzen will die digitale Initiative auf jeden Fall vielerorts fortsetzen.

 

 

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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