Filmemacher Werner Boote: "Die Welt brauchen wir nicht retten"
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Der preisgekrönte Filmemacher Werner Boote zeigt in seinen Dokumentationen große Missstände auf. Obwohl sein Film „Plastic Planet“ bereits 2009 mit großem Erfolg in den Kinos anlief, bleibt die Umweltverschmutzung durch den Kunststoff bis heute aktuell.
Sein letzter großer Film, Die grüne Lüge zeigt die Folgen von Greenwashing und unreflektiertem Konsumverhalten auf und blickt hinter das Supermarktregal bis auf die Palmölplantage. Die futurezone traf ihn vor dem SPEAK OUT Festival – präsentiert von futurezone zum Gespräch, wo der Dokumentarfilmer die Keynote halten wird.
futurezone: Ihr Film "Die grüne Lüge" beginnt mit dem Satz, dass die Unternehmen uns sagen, wir könnten die Welt retten. Können wir das?
Werner Boote: Die Welt brauchen wir nicht retten. Wir können uns retten. Die Welt war Millionen Jahre vor uns da und wird auch nach uns noch da sein. Aber wir müssen dort ansetzen, wo Probleme und Ungerechtigkeit herrschen. Wir können verhindern, dass eine profitgierige Industrie die Natur systematisch zerstört und Menschen haltlos ausbeutet. Ich glaube, wenn man mal versteht, dass wir den grünen Lügen, also Greenwashing, ein Ende setzen können, ist schon vieles getan.
Sehen Sie sich als Aktivist?
Ich gelte als Aktivist, aber ich verstehe mich als Filmemacher. Ich bin neugierig auf Themen, bei denen ich mir denke, da ist was im Busch und hier verbirgt sich eine gewisse Ungerechtigkeit. Auf diese Weise gehe ich meine Filme an. Das ist meine Art, wie ich am ehrlichsten und einfachsten Themen bearbeiten kann.
Sie sind bereits lange aktiv. Sehen Sie, dass das Umweltbewusstsein steigt?
Ja, auf jeden Fall. Als „Plastic Planet“ in die Kinos gekommen ist, bekam man noch in jedem Supermarkt ein gratis Plastiksackerl in die Hand gedrückt. Fridays for Future und andere lenken viel Aufmerksamkeit auf das Thema. Das stärkt Politiker*innen und Politiker in den Diskussionen mit Lobbyisten. Da kommt schon einiges in Bewegung.
Die Produkte, die augenscheinlich nachhaltig und fair sind, sind so teuer, dass sie sich nicht jeder leisten kann. Ist Umweltschutz nur für Reiche möglich?
Das ist das Absurde, dass die umweltschonenden Sachen teuer sind und die schädlichen billig verkauft werden dürfen. Im Endeffekt muss die Gemeinschaft für diesen Schaden aufkommen. Das ist eine der entscheidenden Veränderungen, die jetzt kommen müssen: Produkte, die mehr Schaden anrichten, müssen höher besteuert werden. Das Geld könnte man dann für Umweltschutzprogramme und Gesundheitsvorsorge verwenden - dort, wo der Schaden angerichtet wird. Plastik, also alle erdölbasierten Kunststoffe, sollten dringend besteuert werden. Plastik wird für zahlreiche Krankheiten und Umweltprobleme verantwortlich gemacht. Die Industrie verdient und die Gesellschaft muss dafür herhalten.
Es gibt aber immer noch Menschen, die das anders sehen.
Das ist etwas, das mich fasziniert, und ich rede jetzt über Lobbyisten, die klar notwendige Veränderungen boykottieren. In deren Berufsleben war irgendwann der heikle Moment, wo sie etwas für die Firma schönreden mussten. Das macht man einmal, zweimal, ein 10. Mal und je öfter man die Sätze für den Arbeitgeber oder Geldgeber formuliert, desto mehr glaubt man sie selbst. Dann haben die Leute irgendwann einmal 3 Swimming-Pools, 15 SUVs und fangen an, für krebskranke Kinder in Somalia zu spenden, um sich irgendwie wieder reinzuwaschen. Die Industrie wird sich nicht freiwillig um Umweltschutz und den Menschen kümmern. Sie braucht klare Grenzen.
In "Die grüne Lüge" gibt es eine Szene, in der Sie im Supermarkt einkaufen gehen und deutlich wird, wie viel Angebot es gibt, und wie schwierig es ist, das "richtige auszuwählen". Bei den Menschen, die gern etwas tun würden, kann sich schnell eine Ohnmacht einstellen. Wie verhindert man das?
Die Ohnmacht entsteht oft dann, wenn man bei Entscheidungen unsicher ist, z.B. wenn man zwischen 2 ähnlichen Produkten im Supermarktregal richtig auswählen will. Konsum schürt das Gefühl der Ohnmacht. Die Informationen stehen auf den Produkten so klein, dass man sie nicht lesen kann, und man versteht sie auch nicht. Wenn wir uns als Konsument*innen verstehen, also als "nicht denkende Lebewesen", die bloß Geld abgeben sollen, werden wir nicht aus dieser Ohnmacht herauskommen.
Wenn wir uns aber als Menschen, als Bürger*innen, benehmen und verstehen, dass es vielen anderen genauso geht und man nicht allein ist, beginnt man sich mit anderen über diese Probleme zu unterhalten. Es ist wichtig, die Aufmerksamkeit auf diese Themen zu lenken. Je mehr wir darüber sprechen, umso bessere Ideen entstehen und desto schneller kommen wir weiter.
Was kann jede*r Einzelne tun?
Ich werde das oft gefragt und ich glaube, das muss jeder individuell lösen. Wenn man weit weg von der Arbeitsstätte wohnt, tut man sich schwer, mit dem Rad zu fahren. Ich hingegen komme überall mit Rad oder Öffis hin. Aber schon durch kleine Schritte gewinnt man immens an Lebensqualität und hat das Gefühl, man tut etwas und kann stolz auf sich sein. Ich trinke seit 15 Jahren nicht mehr aus Plastikflaschen, das ist ja überhaupt die krankeste Erfindung.
Nach „Plastic Planet“ habe ich mir gedacht: wenn wir einfach alle kein Plastik mehr kaufen, dann löst sich das Problem vielleicht. Bei „Die grüne Lüge“ habe ich dann verstanden: Dem ist nicht so. Wir als Bürgerinnen und Bürger haben nicht nur das Recht, uns aufzuregen. Wir haben auch die Pflicht, uns stark zu machen. Ob daheim am Frühstückstisch, in der Schule oder der Arbeit - wichtig ist, dass wir das Thema behandeln. Wir müssen die öffentliche Wahrnehmung stärken, damit auch die Politiker*innen Regelungen durchsetzen können.
Werner Boote beim SPEAK OUT Festival
Am 13. Juni wird das Wiener Museumsquartier zum Treffpunkt für alle, die sich aktiv über Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft informieren, inspirieren und motivieren lassen wollen. Einen Tag lang werden Masterclasses, Vorträge und Diskussionen rund um Nachhaltigkeit abgehalten.
Dokumentarfilmer Werner Boote (“Plastic Planet”, “Population Boom”, “Die grüne Lüge”) macht den Auftakt, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler wird um 14.00 Uhr einen Impulsvortrag zum Thema Kreislaufwirtschaft halten und über Nachhaltigkeit und Klimaschutz diskutieren. Die Moderation übernimmt "Dancing Stars"-Profitänzerin Conny Kreuter.
Das vollständige Programm des KURIER SPEAK OUT Festivals findet ihr hier oder auf www.speakout.at.
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