© Jakob Steinschaden

Interview

Yelp: "Deals sind definitiv nicht tot"

53 Millionen Nutzer, 20 Millionen Reviews: Yelp gehört vor allem in den USA zu den Fixpunkten des Social-Web. Das Bewertungs-Portal expandiert 2011 vor allem in Europa, hat einen eigenen Community-Manager in Wien angestellt und konkurriert hierzulande vor allem mit Tupalo. Mit Online-Coupons hat die 2004 gegründete Firma eine neue Einnahmequelle neben der Online-Werbung entdeckt. Obwohl man mit Rob Krolik einen erfahrenen Finanz-Manager als CFO angestellt hat, der gerüchtehalber den Börsengang vorbereitet, sind Fachmedien derzeit nicht vollends von der Couponing-Idee überzeugt. Im Yelp-Hauptquartier in San Francisco (gleich ums Eck residiert der Kurznachrichten-Dienst Twitter) stellte sich Yelp-CEO Jeremy Stoppelman den Fragen der futurezone.

In den vergangenen Tagen gab es vermehrt Berichte, dass Yelp seine Deals-Angebote wieder abdreht. Stimmt das?
Nein. Eine kleine strategische Entscheidung hat sich da in eine Riesen-Story verwandelt, weil die Medien derzeit die Idee breittreten, dass das eMail-Deal-Business ein schlechtes Business ist. Wir hatten 30 Mitarbeiter, die diese Deals verkauft haben, und wir haben das auf 15 reduziert, die ausschließlich Deals und keine Werbung verkaufen.

Das heißt aber, dass das Aussenden von Angeboten via eMail, wie es Groupon macht, nicht so gut funktioniert. Auch Facebook hat das gestoppt.
Es funktioniert schon, es gibt Hunderte Firmen, die das anbieten. Aber es passt nicht so wirklich zu Yelp. Groupon hat mit "Groupon Stores" probiert, uns zu kopieren, aber das funktionierte auch nicht. Groupon kommt als eMail zu dir, aber die Nutzer kommen zu Yelp. Und dort können sie nach wie vor Gutscheine kaufen, was uns und den Geschäftsinhabern Traffic und Umsatz bringt. Das ist eine elegantere Lösung, Deals sind definitiv nicht tot.

Es gibt noch eine andere Funktion, um die es etwa bei Foursquare und Facebook großen Rummel gab, die aber nicht so richtig abheben will: Check-ins.
Check-ins bringen bei Yelp ein zusätzliches Level an Authentizität für die Bewertungen, die die Nutzer über Lokale schreiben. Die Einführung der Funktion hat auch mehr Nutzeraktivität zur Folge gehabt. Check-ins bringen zusätzliche Daten, um etwa populäre Restaurants finden zu können. Aber Foursquare hat geglaubt, dass sie das nächste Facebook bauen, ein Social Network für Handys, aber das ist nicht der Fall. Ich glaube nicht, dass Check-ins etwas sind, das einmal jeder dauernd nutzen wird.

Foursquare dringt immer weiter in den Social-Reviews-Bereich vor. Sehen Sie die New Yorker als Konkurrenten?
Sie wollen sich offenbar in einen Lokalführer verwandeln, aber das wird schwer für sie. Denn der Kern des Dienstes ist das Einchecken, und das sind nicht sehr interessante Daten. Foursquare hat noch nicht bewiesen, dass sie Leute bei der Entscheidungsfindung beeinflussen, und derzeit gibt es niemanden, der so tiefe Daten über Geschäfte und Restaurants hat wie Yelp.

Yelp hat einen anderen, ungleich größeren Rivalen: Google. Die Suchmaschine hat kürzlich Lokalbewertungen von Dritten, darunter Yelp, aus Google Places entfernt. Trifft das Yelp hart?
Um das klarzustellen: 2006 hat Google Yelp-Inhalte lizensiert, um diese ins damalige Google Local zu integrieren. Wir haben das für einige Zeit erlaubt, aber dann haben wir festgestellt, dass sie eine Webseite bauen, die mehr und mehr wie unsere aussieht. Deswegen sind wir aus der Vereinbarung ausgestiegen und organisch weitergewachsen. Dann haben sie unsere Reviews weiter für Google Places indexiert und erst kürzlich damit aufgehört.

Das war also in Ihrem Interesse?
Ja und Nein. Wir sind jetzt draußen, aber in der Google-Suche werden wir jetzt manchmal weiter unten gerankt als deren eigene Produkte. Aus Konsumentensicht könnte man sagen, dass das nicht optimal ist, nicht den besten Content zu zeigen und Googles eigene Produkte vor Konkurrenten zu bevorzugen. Das sehen wir nicht gerne.

Auf der anderen Seite sind Sie als Partner von Google abhängig, da ja Google Maps bei Yelp integriert ist. Könnten Sie den Partner wechseln, etwa zu Bing Maps?
Wir haben eine Vereinbarung mit Google bezüglich Maps und bevorzugen, nicht zu wechseln, weil wir Maps mögen. Wir werden es solange verwenden, solange Google es zur Verfügung stellt.

Themenwechsel: Die wertvollsten Nutzerinhalte, die Yelp hat, sind die Reviews. Allerdings kann man sich positive Bewertungen um fünf Dollar im Web kaufen. Wie bekämpfen Sie das?
Klar passiert das, das ist nur ein Weg von vielen, um positive Reviews zu bekommen und Yelp zu manipulieren. Wir kämpfen gegen dieses Problem seit unserer Gründung. Deswegen haben wir einen Filter entwickelt, damit nur vertrauenswürdige Inhalte auf der Webseite angezeigt werden. Unten auf einer Seite sehen Nutzer eine Zahl, die zeigt, wie viele Reviews gefiltert werden.

Wie funktioniert der Filter?
Haha, das würden alle Spammer gerne wissen, das ist die geheime Zutat von Yelp. Im Prinzip müssen wir aber das gleiche Problem wie Google lösen: Sie evaluieren alle Links im Web, und einige davon wurden manipuliert, um bestimmte Webseiten höher in die Suchergebnisse zu bringen. Bei Yelp ist das ein wenig schwerer, weil wir es nicht mit Links, sondern mit Texten zu tun haben.

Was passiert mit einem Geschäft, auf dessen Yelp-Eintrag viele Fake-Bewertungen auftauchen?
Wir sprechen nicht öffentlich über das interne Scoring von Geschäften, aber es gibt definitiv Anreize für die Lokale, dass sie nicht betrügen.

Seit mehr als einem Jahr ist Yelp ein Partner von Facebook bei der “Instant Personalization”, die die Yelp-Seite automatisch auf Basis der Personendaten für eingeloggte Facebook-Nutzer personalisiert. Was bringt das Yelp?
Zwei Punkte: Einerseits ist das Anmelden bei Yelp sehr simpel geworden, somit bekommen wir mehr Nutzer. Andererseits können wir dir so, ohne dass du dich angemeldest hast, Reviews zeigen, die deine Facebook-Freunde geschrieben haben. Das ist ein Bonus für den Nutzer.

Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Nutzer diese Funktion wollen, da ja ungefragt ihre Daten zwischen Facebook und Yelp übertragen werden. Wie viele User drehen die “Instant Personalization” bei Yelp wieder ab?
Nicht sehr viele, nur ein sehr kleiner Prozentsatz dreht das wieder ab, nicht einmal 100 Nutzer pro Tag.

Die Personalisierung von Web-Inhalten steht immer mehr in der Kritik, etwa in dem Buch “The Filter Bubble” von Eli Pariser. Wie weit würde Yelp bei der Personalisierung gehen?
Ich glaube, die Kritik geht da etwas zu weit. Wir leben in einer Welt des Informationsüberflusses, und wenn ich für mich relevante Daten präsentiert bekomme, bin ich ein glücklicherer Nutzer. Wenn Groupon mir einen Deal für Beinenthaarung zuschickt, werde ich den Deal nicht kaufen. Wenn ich in einer Filter-Blase lebe, in der ich diesen Deal nicht bekomme, ist mir das egal. Ich lebe lieber in einer gefilterten Welt als in einer, in der ich mit irrelevanten Informationen überhäuft werde. Darauf beruht auch der Erfolg von Google.

Können Sie mit Yelp auch Konsumenten-Trends beobachten?
Ich investiere nicht viel Zeit in solche Analysen, aber was man in San Francisco beobachten konnte, ist die Cupcake-Explosion. Außerdem boomen “Frozen Yoghurt”-Shops und Imbissbuden, die qualitativ hochwertiges Essen anbieten. Lokales Bio-Essen und vegane Restaurants sind ebenfalls ein immer größeres Thema.

Yelp hat kürzlich seine iPad-App gestartet. Arbeiten Sie schon an einer Version für Android-Tablets?
Das warten wir noch ab, es fehlt noch ein herausragendes Android-Tablet, das den Markt erobern kann. Derzeit überragt das iPad noch alle anderen Tablets.

Sie haben auch in das Start-up Palantir Technologies investiert, das Datamining-Technologien etwa für die US-Regierung zur Bekämpfung von Terrorismus und Cyberkriminalität zur Verfügung stellt. Fürchten Sie einen Cyberkrieg?
Einige andere ehemalige PayPal-Mitarbeiter (Stoppelman war Mitgründer von PayPal, Anm.) wie Peter Thiel haben zuerst bei Palantir investiert, ich bin später dazu gekommen. Aber ich verbringe nicht viel Zeit mit dieser Firma, und ich weiß nicht viel mehr als Sie gerade darüber gesagt haben. Sie haben auch Datenanalyse-Software an die Finanzwelt und Hedgefunds verkauft. Aber ich habe dort nicht aus Angst vor einem Cyber-Krieg investiert.

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