Kratos und Atreus bei einem ihrer Vater-Sohn-Bootsgespräche

Kratos und Atreus bei einem ihrer Vater-Sohn-Bootsgespräche

© Screenshot

Games

God of War im Test: Bester Vater-Sohn-Bootsausflug aller Zeiten

Meine Erinnerung an die ersten drei Teile der God-of-War-Serie sind spärlich. Eigentlich sind es nur zwei: Eine Kletterszene im Inneren des Kolosses von Rhodos und eine Tötungssequenz, bei der man aus der Ego-Perspektive von Poseidon sieht, wie einem die Spielfigur Kratos die Augen aussticht.

Entsprechend gedämpft waren meine Erwartung an das neue God of War ( PS4, ab 18 Jahren). Noch mehr Hack and Slay mit übertriebener Brutalität, nur mit einem alten Kratos, der ein nerviges Kind im Schlepptau hat. Was ich stattdessen bekam, war ein Last of Us mit nordischer Mythologie und ein Game, dass ein Spitzenkandidat für den Titel „Spiel des Jahres“ ist.

In Pension

Für alle, die so wie ich die vergangenen Games verdrängt oder nicht gespielt haben, hier die Kurzzusammenfassung: Die Spielfigur Kratos ist ein Gott, der sich im Laufe der Serie mit so ziemlich der gesamten griechischen Mythologie angelegt hat. Zu den ersten Opfern gehörte Ares, der Gott des Krieges. Dessen Job hat er dann auch übernommen. Am Ende von Teil drei musste sogar Zeus dran glauben, der noch dazu der Vater von Kratos war.

Danach beschloss Kratos in Pension zu gehen. Er zog sich zusammen mit seiner Frau zurück in den kalten Norden, wurde Vater und versuchte seine Vergangenheit so gut wie möglich geheim zu halten – auch vor seinem Sohn. Hier beginnt God of War.

Gemächlich

Kratos ist sichtlich gealtert. Er trägt jetzt einen Rauschebart und ist stämmiger. Auch der neue Kampfstil mit der Axt passt dazu: Kontrolliert kräftig statt wild fuchtelnd. Diese Stimmung zieht sich durch das gesamte Game. Es ist nicht fad oder langsam, es ist ein wenig gemächlicher, bedachter. Anstatt von einem Kampf zum nächsten zu hetzen, gibt es dazwischen ruhige Momente zum Durchschnaufen, Erkunden und Bestaunen der Umgebung.

Dieses Pacing, das gesamte Gefühl, dass God of War ausstrahlt, ist eine Meisterleistung des Entwicklerstudios SIE Santa Monica. Es ist perfekt auf die Generation der Gamer angepasst, die die älteren God-of-War-Titel in ihrer Jugend gespielt haben. Wie Kratos waren wir früher jung und ungestüm, sind vor keinem Button Smasher zurückgescheut. Jetzt sind wir älter, reifer (not really) und wollen ein Spiel in Ruhe genießen und nicht durchgehetzt werden.

Atreus und Kratos am Boot + die Weltenschlange

Es ist kompliziert

Der Sohn von Kratos, Atreus, symbolisiert das Kind in uns. Er ist ein wenig ungestümer, neugierig, will alles erkunden und allen helfen, während Kratos zu Beginn ein alter Griesgram und Spielverderber ist. Im Laufe des Games wird die komplizierte Beziehung zwischen den Beiden langsam besser. Man freut sich richtig, wenn Kratos Atreus nach einem Kampf nicht mehr nur anmault. Ich habe mich dabei erwischt zufrieden zu grinsen, als Kratos nach unzähligen Stunden endlich den Mut hatte, Atreus aufmunternd die Hand auf die Schulter zu legen.

Gleichzeitig hat man aber im Hinterkopf, dass Kratos seinen Sohn belügt und dass die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Kratos und Zeus nicht besonders gut geendet hat. Hinzu kommt noch eine Nebenmission, in der es darum geht, dass ein Sohn seinen Vater verraten und getötet hat. Diese Spannung, die sich hier im Verlauf des Games aufbaut, schwingt ständig mit. Es ist faszinierend, die Dynamik zwischen Kratos und Atreus zu beobachten und wie die Entwickler es geschafft haben die Emotionen der zwei Charaktere zu transportieren.

Bootsausflug

Um möglichst alles davon mitzukriegen, hier der wichtigste Tipp für das Spielen von God of War: Geht erkunden. Macht jede Nebenmission und jeden Side Quest den ihr finden könnt. Es gibt ohnehin nicht so viele davon und jeder ist sehr gut ausgearbeitet. Auch wenn es nur eine „gehe in Dungeon A um Gegenstand B zu holen“-Aufgabe zu sein scheint, sind die dort stattfindenden Gespräche und die Interaktion zwischen Sohn und Vater das, was die Aufträge spielenswert macht.

Das Erkunden erfolgt in einer halboffenen Spielewelt, dem See der Neun. Hier paddelt man im Boot herum, entdeckt so kleinere und größere Quests, neue Gebiete und versteckte Schätze. Sogar diese Boottrips werden sinnvoll genutzt. In der ersten Spielehälfte geht es um Versuche von Kratos Kindergeschichten zu erzählen. Später gibt es Wissenswertes zur nordischen Mythologie zu hören. Diese Informationen über Odin, Thor, Riesen und Asen werden häppchenweise und spannend vermittelt. Auch in der Story, in den verschiedenen Welten und während der Quests wird Wissen vermittelt. Würde man nicht Werwölfen die Gesichter abreißen, könnte God of War als Lernspiel durchgehen.

Kämpfe

Beim ganzen Schwärmen über die Atmosphäre, das Feeling und die Dynamik des Games, könnte man glauben, dass es sich bei God of War um ein Adventure oder einen interaktiven Film handelt. Aber keine Angst, zwischen dem Erkunden, zwischen Mensch/Göttlichem und dem Lösen von Rätseln, werden nach wie vor Fabelwesen brachial besiegt.

Auch hier wurde das Gameplay gegenüber den Vorgängern verfeinert. Mit Geschick sind viele Situation sehr kontrolliert lösbar, anstatt stupides Kombo-Button-Smashing zu betreiben. Es geht jetzt mehr darum nicht getroffen zu werden, anstatt möglichst schnell Schläge auszuteilen. Es kann mit Kontern, ausweichen, bloßen Händen, Fokus auf Betäubung und Distanz angriffen und gearbeitet werden. Wer will kann viel Tiefe und Taktik in die Kämpfe reinbringen – oder mit simplen Moves gut zurechtkommen, solange das Timing stimmt. Außerdem sorgen die verschiedenen Schwierigkeitsgrade dafür, dass auch God-of-War-Neulinge siegreich aus den meisten Kämpfen hervorgehen.

Jeder Gegner hat eine Schwachstelle, die ausgenutzt werden kann und in den höheren Schwierigkeitsgraden auch muss. Die Boss-Kämpfe wurden gut ins Gameplay integriert. Man weiß zwar, dass es Bosskämpfe sind, sie kündigen sich aber nicht so plump an wie bei anderen Spielen, sondern kommen oft überraschend.

Mit Atreus gibt es einen zusätzlichen Faktor in den Kämpfen. Dieser schießt auf Befehl Pfeile auf die Gegner ab. Diese können die Feinde betäuben oder für den Todesstoß vorbereiten und sind gleichzeitig der einfachste Weg Fernkämpfe zu gewinnen.

Ein bisschen Rollenspiel

Um das Gameplay abzurunden, gibt es noch ein paar Rollenspiel-Elemente. Es können mit gesammelten Ressourcen Rüstungen geschmiedet und mit verschiedenen Zaubern verstärkt werden, die Boni auf Statuswerte geben und Kampfeffekte hinzufügen. Wie für Rollenspiele üblich gibt es die Gegenstände in verschiedenen Seltenheitsstufen. Rüstungen und Waffen können verbessert werden. Ein Feintuning ist aber nicht möglich. Auch das Anpassen des Equipments durch bestimmte Zauber an die bevorzugte Kampfstrategie ist erst gegen Ende des Spiels relevant.

Das Sammeln von Erfahrung zum Freischalten neuer Fähigkeiten ist eigentlich nur da, um Spieler nicht gleich mit allen Moves zu konfrontieren und so eventuell zu überfordern. So werden nach und nach die Möglichkeiten erweitert, neue Strategien in den Kämpfen einzusetzen. Wer brav die Nebenmissionen macht, hat jedenfalls genügend Erfahrung, um alle Moves von Kratos und Atreus freizuschalten.

Fazit

Nordische Mythologie, tolle Grafik und Storytelling vom Feinsten: God of War ist nicht bloß eine Fortsetzung, es ist eine Evolution, die die Spielereihe auf ein ganz neues Level hebt. God of War führt zwar keine revolutionären neuen Ideen ein, kombiniert und verbessert aber vertraute Elemente zu einer vorzüglichen Melange. Es ist vielleicht nicht ganz so ein Meisterwerk wie Last of Us, aber sehr dicht dran. Die Vater-Sohn-Dynamik, das hervorragend abgerundete Gameplay und Pacing machen das Spielen zum Genuss.

Zum Schluss bleibt noch die Erkenntnis, dass wir alle einen Kratos und Atreus in uns haben. Wie im Spiel sind sich auch diese manchmal nicht ganz einig, geben aber meist trotzdem ein gutes Team ab - nur mit weniger Köpfe zerstampfen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

mehr lesen
Gregor Gruber

Kommentare