Wie der Entwickler Yiotro mit werbefreien Gratis-Spielen überlebt
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Apps gibt es viele. In Googles Play Store und Apples App Store gibt es jeweils rund 3,5 Millionen Programme für Smartphones und Tablets. Je rund eine Million davon sind Spiele. Über 3.000 Apps kommen täglich im Schnitt dazu. Das Angebot ist so groß, dass man unmöglich einen Überblick erhalten kann. Apps, die es nicht in eine der Bestenlisten schaffen, werden kaum entdeckt und wahrgenommen.
Vor einiger Zeit bin ich auf die Spiele des App-Entwicklers Yiotro gestoßen: Grafisch simple, ausgeklügelte Strategiespiele, die kostenlos angeboten werden und dennoch werbefrei sind. Das beliebteste Spiel des Anbieters ist Antiyoy, eine Art Mini-Civilization, bei dem es darum geht, einen Kontinent zu erobern. Für mich war es immer rätselhaft, wie App-Entwickler von Apps wie dieser leben können. Deshalb habe ich Yiotro kontaktiert, der anonym bleiben will.
futurezone: Wie möchtest du genannt werden?
Einfach Yiotro.
Wo lebst du und wie kamst du zum Programmieren?
Ich bin geboren und aufgewachsen in Kiew. Schon als Kind habe ich begonnen, mich für das Programmieren zu interessieren, etwa als ich 10 Jahre alt war. Irgendwie war ich sofort gefesselt von dieser Magie, wie ein einfacher Text auf Knopfdruck zu etwas Lebendigem wird, das gemäß deinen eigenen erfundenen Prinzipien lebt. Ich habe bereits da beschlossen, ein Programmierer zu werden. Ich begann mit sehr primitiven Dingen, habe Beispielprogramme umgeschrieben und leicht verändert. So richtig ernsthaft betrieben habe ich es erst, als ich zur Universität ging. Ich habe damals simple C++-Spiele geschrieben und OpenGL für die Grafik verwendet. Sie hatten keinen Ton, kein Menü, nur simple Vektorgrafiken. Aber das war genug, um meine Ideen zum Leben zu erwecken.
Was wolltest du mit deinen Fähigkeiten anfangen?
Mein Plan war einfach: Die Universität abschließen und für den Rest meines Lebens als Programmierer in einem gewöhnlichen Büro arbeiten. Einen Job als Programmierer zu finden stellte sich aber als schwieriger heraus, als ich gedacht habe. Das war 2016 und in meinem Land realisierte jeder auf einmal, dass Programmieren ein Traumberuf ist. Du sitzt einfach in einem gemütlichen Büro, tippst auf einer Tastatur und verdienst fünfmal den nationalen Durchschnittslohn. Allerdings war es fast unrealistisch, einen Job für unerfahrene Programmierer zu finden. Um eine Stelle bewarben sich 1.000 Personen - übertrieben gesprochen.
Also fandest du keinen Job?
Ich habe es nach der Uni 6 Monate lang probiert, aber keinen Erfolg gehabt. Zur selben Zeit tauchte Antiyoy plötzlich in einigen Bestenlisten bei Google Play auf und erhielt eine große Zahl an Downloads. Ich erkannte, dass das meine Chance ist. Statt weiter einen Job zu suchen, bemühte ich mich, mein Spiel Achikaps fertigzustellen. Nach dessen Veröffentlichung wurde klar, dass es möglich ist, damit ein bisschen Geld zu verdienen und seitdem bin ich nur noch Entwickler für Smartphone-Spiele.
Wolltest du deine Spiele von Anfang an werbefrei anbieten?
Ich hätte nie gedacht, dass meine Spiele ansatzweise beliebt sein würden. Es war mein Hobby und ich habe das zum Spaß gemacht. Ich habe nicht über Monetarisierung nachgedacht, das hat mich nicht interessiert. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass meine Spiele nicht gut genug waren, um dafür Geld zu verlangen. Und Werbung wollte ich nicht einfügen, weil ich das etwas beschämend fand. Schwer zu erklären.
Warum warst du so gegen Werbung?
Im Grund wegen eines Gefühls, aber es gibt auch mehrere objektive Gründe: Wenn Werbung am ganzen Screen zwischen Levels gezeigt wird, reißt das die Spieler*in aus dem Spielfluss heraus und lenkt ab. Wenn Werbung in Form eines Banners angezeigt wird, ist das nicht nur ablenkend, sondern behindert auch die Steuerung. Egal was man sagt, aber mit Werbung machst du dein Spiel schlechter.
Aber wie deckst du die Entwicklungs- und Wartungskosten deiner Spiele-Apps?
Ich mache meine Spiele alleine, also die Entwicklungskosten sind Null. Manchmal helfen mir andere Leute, aber immer nur freiwillig.
Ich verstehe es immer noch nicht. Deine Apps sind gratis und werbefrei, abgesehen von Antiyoy Online, das es erst seit Dezember gibt. Wie machst du das?
Von einigen meiner Spiele - Achikaps, Bleentoro, Vodobanka - gibt es kostenpflichtige Pro-Versionen. Im Gegensatz zu den Gratisversionen haben sie üblicherweise einen Karteneditor und viel mehr Kampagnen-Levels.
Wie bist du eigentlich auf die Namen für deine Apps gekommen?
Die fallen mir normalerweise einfach so ein, etwa wenn ich die Straße entlang spaziere. Im Allgemeinen fallen mir ziemlich viele Namen ein, aber ich verwende sie nicht alle. Es gibt gewisse Bedingungen. Der Name eines Spiels muss einfach zu lesen sein, einfach auszusprechen, einfach zu merken und ein bisschen lustig muss er auch sein.
Dein größter Erfolg ist wahrscheinlich Antiyoy. Hast du das erwartet?
Ich habe darauf gehofft. Man hofft immer darauf, dass das nächste Spiel ein unglaublicher Erfolg wird. Aber ich habe nicht damit gerechnet.
Warum hast du eine Online-Version davon gemacht?
Aus mehreren Gründen: Viele Spieler haben darum gebeten. Unter den Kommentaren bei Google Play war das die häufigste Anfrage. Außerdem wird Antiyoy dadurch interessanter. Es gibt sehr wenige Offline-Spiele, die nicht nach 100 Stunden langweilig werden. Mit einem Online-Spiel können Menschen zehntausende Stunden verbringen. In den Kommentaren zur Offline-Version habe ich versprochen, das Spiel kostenlos zu halten. Auf die Online-Version trifft das aber nicht zu. Ich kann also ein bisschen Geld damit verdienen - allerdings viel weniger, als ich gehofft habe.
Weißt du, wie Menschen deine Apps üblicherweise entdecken?
Laut den Statistiken von Google Play sucht die Hälfte der Leute spezifisch nach einem Spiel, wahrscheinlich wegen Empfehlungen von Freund*innen oder weil sie das Spiel auf einem neuen Gerät erneut installieren wollen. Die andere Hälfte findet das Spiel durch Empfehlungen auf Google Play. Die App Stores haben ihre eigenen Algorithmen, um auszurechnen, wie oft ein spezifisches Spiel empfohlen wird. Wenn ich genau wüsste, wie diese Algorithmen arbeiten, würde ich das wahrscheinlich nutzen, um die Verbreitung meiner Spiele zu steigern.
Ein paar Millionen Nutzer*innen hast du ja schon. Erhältst du jetzt Job-Angebote?
Ich erhalte verschiedene Angebote, allerdings nie von einer Spieleentwicklungsfirma.
Möchtest du weiterhin selbstständig arbeiten oder in Zukunft zu einer Firma wechseln?
Ich denke, dass viele Leute davon träumen, ihren Job hinzuschmeißen, einfach nur für sich selbst zu arbeiten und Geld mit ihrem Hobby zu verdienen. Du bist dein eigener Chef, niemand kontrolliert dich, du entscheidest, was du tust und wann. Vielleicht ödet mich das irgendwann an oder ich verdiene zu wenig. In dem Fall werde ich mir einen Job als Programmierer suchen. Wo genau ist egal, Hauptsache es geht nicht um Webseitenentwicklung.
Gehörst du in der Ukraine einer Gemeinschaft von Spieleentwickler*innen an?
Leider nein. Manchmal schreiben mir angehende Spieleprogrammierer*innen, aber mehr ist es nicht. Es wäre interessant, mit anderen Indie-Entwickler*innen zu sprechen, aber soweit ich weiß, gibt es in meinem Land nicht viel, aus dem eine Gemeinschaft entstehen könnte.
Zum Schluss noch eine delikate Frage: Wie alt bist du?
Ich bin 1993 geboren.
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