Sony PlayStation VR ausprobiert: Reif für das Wohnzimmer
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Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen, als ich in einer Horror-Achterbahn eine abgesägte Schrotflinte nach links strecke und eine UZI nach rechts. Mit einem schnellen Blick nach links, rechts und oben vergewissere ich mich, dass keiner der gerade erledigten Zombies noch einmal aufsteht, die mich vor wenigen Sekunden von allen Seiten angegriffen und mit Molotow-Cocktails beworfen haben.
Ich lade nach und nutze die paar Sekunden Ruhe um die Arme zu entspannen, bevor die Lore weiter in die Finsternis rollt. Dabei kommen mir drei Gedanken: Erstens: Virtual Reality auf der PS4 funktioniert. Zweitens: Hoffentlich ist das Demo jetzt noch nicht zu Ende. Drittens: Wenn ich das blöde Grinsen nicht bald abstellen kann, halten mich die Leute in der Warteschlange, die mir zusehen, wahrscheinlich für bekifft.
Auf der Gamescom im August 2015 war mir mit Playstation VR (PS VR) nicht nach Grinsen, sondern eher nach Kotzen zu mute. Seit dem hat Sony sowohl an der Hard- als auch Software gearbeitet. In München konnte die finale Hardware-Version von PS VR, so wie sie ab Oktober für 399 Euro erhältlich sein soll, mit sieben Demos ausprobiert werden.
Gut justieren, weniger Übelkeit
Das Headset lässt sich gut justieren, obwohl es nur zwei Haupt-Verstellmöglichkeiten hat. Es sitzt, auch wenn es eng angelegt wird, noch nach 25 Minuten spielen bequem (länger durfte man am Stück nicht zocken beim Sony-Event).
Wichtig ist, dass man das Headset möglichst nahe an die Augen kriegt. Ist der Abstand zu groß, weil es schlecht justiert ist, sieht man schwarze Ränder und größere Unschärfen. Das ist auch nahezu ein Garant dafür, dass einem beim Spielen schlecht wird.
Eine Art Geld-zurück-Garantie bei VR-Übelkeit ist bei Sony derzeit nicht geplant: „Von der Hardware-Seite her haben wir alles unternommen, um das Übelkeitsgefühl zu verhindern“, sagt Simon Benson, der bei Sony Europe maßgeblich für PS VR verantwortlich ist. Auch ein Rating-System, das dem User einen Anhaltspunkt dafür gibt, wie hoch die Gefahr für Übelkeit bei Games ist, ist nicht geplant: „Die Spieleentwickler regeln das selbst, indem sie die Spieler langsam in ihr Game einführen und nach und nach die Geschwindigkeit erhöhen.“
Schleier und Unschärfen
Bei Vorversionen von PS VR, damals noch als Project Morpheus bekannt, war beim Spielen noch ein Fliegengitter-Effekt/Pixelraster zu bemerken. Das war nicht sonderlich überraschend, da man im Grunde durch Lupen auf ein Display schaut, das nur wenige Zentimetern von den Augen entfernt ist.
Bei der aktuellen Version von PS VR gibt es zwar dieses Fliegengitter nicht mehr, dafür wirkt es aber so, als würde ein leichter Schleier über dem Bild liegen. Bei ruhigeren Spielen fällt dies deutlicher auf als bei schnellen Games, in denen man sich mehr auf das Spielgeschehen konzentrieren muss.
Nach wie vor vorhanden sind die leichten Unschärfen an den Rändern, was auch bei anderen VR-Headsets der Fall ist. Bei manchen Spielen ist die Kompression auffälliger als bei anderen. Bei Into the Deep sah es so aus, als wäre jeder vierte oder fünfte Pixel Schwarz.
Begrenzte Ressourcen
Zum Start von PS VR wird vermutlich jedes Spiel eine Kompression nutzen müssen. PS VR arbeitet mit zwei Displays mit einer Auflösung von 960 x 1020, was geringer als bei Oculus Rift und HTC Vive ist. Demnach ist weniger Leistung für die Darstellung nötigt. Dennoch hat die PS4 nicht so viele Leistungsreserven wie ein High-End-PC. Damit die von Sony versprochenen 120 fps eingehalten werden können – auch das soll ein Übelkeitsgefühl reduzieren – müssen Kompromisse eingegangen werden.
Das sieht man bei den Spielen. Die Games sind grafisch nicht auf dem Niveau aktueller PS4-Spiele und können nicht mit Games für Rift und Vive mithalten, wenn diese mit einem potenten PC genutzt werden. Die Chancen stehen aber gut, dass VR-Spiele auf der PS4 im Laufe der Zeit besser aussehen werden. Die Entwickler werden bessere Kompressionsverfahren entwickeln und werden lernen, die PS4-Architektur besser für VR auszureizen.
Surround Sound ist Pflicht
Mit Virtual Reality kann man in die Spielewelt eintauchen – ein schlechtes Tonerlebnis kann einen wieder herausreißen. Schon bei normalen Games bin ich der Meinung, dass Surround Sound das Spielerlebnis erst richtig gut macht. Bei Virtual-Reality-Games ist es ein Muss.
Wenn man sich in alle Richtungen umschauen kann, der Ton aber nur per Stereo oder als schlecht emulierter 5.1-Sound kommt, passt das nicht zusammen. Wenn nicht der Ton hinter mir zu hören ist (obwohl er es sein sollte), warum sollte ich mich dann umdrehen um nachzusehen, ob dort eine Gefahr im Schatten lauert?
Hier wird es spannend sein zu sehen, wie PS VR mit Heimkino-Surround-Anlagen und verschiedenen Surround-Kopfhörern harmoniert.
3D in Maßen
PS VR ist, wie auch andere Virtual-Reality-Headsets, 3D-tauglich. Bei den Spielen fiel mir auf, dass anscheinend weder die Entwickler noch ich wirklich Priorität darauf legen. Zumindest war kein Game dabei, das mit 3D positiv auffiel.
Wahrscheinlich ist es auch besser so, dass vorerst niemand versucht Effekthascherei zu betreiben, indem den Spieler, wie bei frühen 3D-Filmen, alle paar Sekunden ein Gegenstand ins Gesicht geworfen oder ein Körperteil unter die Nase gehalten wird.
Da wo 3D nicht nur Sinn macht sondern erforderlich ist, sind Games, bei denen der Spieler mit den Move-Controllern virtuelle Gegenstände greifen soll, wie etwa beim Demo-Game The London Heist. Hier war mir der 3D-Effekt nicht ausgeprägt genug. Es war nicht intuitiv genug, wie weit man den Arm ausstrecken muss, um die Dose oder das Magazin mit der Hand zu erreichen. Auch hier werden die Entwickler im Laufe der nächsten Monate und Jahre wohl noch Feintuning betreiben, um den Spielern ein realistischeres Gefühl von Tiefe im virtuellen Raum zu vermitteln.
Die Spiele
Hier geht es zum Hands-on mit sieben Games und Tech-Demos, die mit der finalen Hardware der PlayStation VR gespielt wurden.
Zweiter Eindruck, neue Hoffnung
Auch wenn die Hardware durch die Playstation 4 limitiert ist, kann PS VR funktionieren. Spiele wie Until Dawn: Rush of Blood und Battlezone(hier geht es zum Hands-on)machen nicht nur Spaß, sondern auch Hoffnung. Hoffnung, dass VR nicht ein ähnlicher Flop wie Microsofts Kinect oder Sonys Playstation Move werden könnte, sondern eine Ergänzung zum bestehenden Gaming-Ökosystem wird.
Die Herausforderung für Sony und die Spieleentwickler ist jetzt herauszufinden welche Genres und Szenarien sich am besten in Virtual Reality umsetzen lassen. Interessant war zu sehen, dass Sony bei der Veranstaltung keine Experimente gewagt hat. Alle Games und Demos wurden im Sitzen gespielt. Anscheinend will man nach Playstation Move kein Risiko mehr eingehen, indem man die Spieler dazu zwingt im Stehen zu zocken.
Würde ich raten, PS VR vorzubestellen? Nein, weil man prinzipiell nichts vorbestellen sollte. Aber ausprobieren sollten es Interessierte auf jeden Fall. Es ist zwar nicht so eindrucksvoll wie HTC Vive, dafür aber die simpelste, dedizierte VR-Lösung für Spiele.
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