Thermometer im Sand (Symbolbild)
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Meinung

Der übersehene zweite Grund für Erderwärmung

Die elektrische Energie, die in einem Kraftwerk erzeugt wird, endet irgendwann als Wärme – ganz egal, wofür wir sie verwenden.

Die Erde wird immer heißer, und der Mensch ist daran schuld. Daran besteht wissenschaftlich heute kein Zweifel mehr. Die CO2-Konzentration der Atmosphäre ist seit vorindustrieller Zeit um ungefähr die Hälfte angestiegen, damit ist eine Erwärmung verbunden, die sich mit heutigen Klimamodellen gut erklären lässt.

Derzeit sollten wir also all unsere Anstrengungen in die Reduktion von CO2-Emissionen investieren. Langfristig wird aber ein zweites, physikalisch grundlegend anderes Problem dazukommen: Wir heizen die Erde auf, einfach, weil wir Wärme erzeugen. Weil Kraftwerke, Maschinen, Fahrzeuge immer Abwärme produzieren. Und dieser Effekt ist entscheidend, wenn wir überlegen, welche Energieformen wir langfristig nutzen sollen, über die nächsten Jahrhunderte oder gar Jahrtausende. Kernspaltung und Kernfusion sind keine langfristige Lösung, die sich beliebig ausbauen lässt. Nur Sonne und Wind sind tatsächlich nachhaltig.

Wo Energie ist, wird’s warm

Es ist ein Gedanke, auf den der deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf wiederholt hingewiesen hat, und die physikalische Grundlage der Überlegung ist äußerst simpel: Energieumwandlung führt immer zur Entstehung von Wärme. Wenn wir Energie in Form von Benzin in ein Auto füllen und damit im Kreis fahren, ist am Ende das Auto wärmer, und die Straße auch. Wenn wir eine Lampe einschalten, wärmt sie die Wand, die sie anstrahlt. Sogar die Schallwellen der Stereoanlage werden letztlich zu Wärmeenergie. Das ist ein Grundgesetz der Thermodynamik.

Das bedeutet aber auch: Die elektrische Energie, die in einem Kraftwerk erzeugt wird, endet irgendwann als Wärme – ganz egal, wofür wir sie verwenden. Man kann somit sehr einfach aus der Leistung eines Kraftwerks die Wärmemenge berechnen, die es im Laufe der Zeit irgendwo auf der Erde verursacht.

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Keine Zusatzwärme durch Sonnenstrom

Nun muss man aber unterscheiden: Wenn dieser elektrische Strom in einer Photovoltaik-Anlage erzeugt wird, dann spielt dieser Wärmeeffekt keine Rolle. Denn die Sonnenenergie, die in elektrische Energie umgewandelt wurde, hätte ja ohnehin den Planeten aufgewärmt. Photovoltaik ändert also die Gesamt-Wärmebilanz des Planeten nicht.

Geräte, die mit Photovoltaik-Strom betrieben werden, erzeugen natürlich genauso Abwärme, aber ohne Photovoltaik wäre genau diese Wärme eben schon beim Eintreffen der Sonnenstrahlen in Wärme umgewandelt worden. Dasselbe gilt für Windkraftanlagen und Biomasse-Kraftwerke: Auch Biomasse und Wind sind nichts anderes als umgewandelte Sonnenenergie. Auch sie verändern die Energiebilanz der Erde nicht, die Wärmeerzeugung wird nur verlagert.

Anders sieht die Sache aber aus, wenn wir fossile Brennstoffe nutzen oder wenn wir Kernreaktoren oder Kernfusionsanlagen bauen. Damit greifen wir nämlich in die Energiebilanz unseres Planeten ein: Wir verbrennen Material, das sonst weiterhin unter der Erde gelegen wäre. Wir spalten oder fusionieren Atome, die sonst nicht gespalten oder fusioniert worden wären. Dadurch wird eine zusätzliche Energiemenge freigesetzt, die Erde wird wärmer.

Kleiner Effekt mit großer Zukunftsbedeutung

Dieser Effekt ist derzeit verschwindend gering. Verglichen mit der Erwärmung durch CO2 und dem Treibhauseffekt spielt er praktisch keine Rolle. Das könnte sich aber ändern, wenn der Energiebedarf der Menschheit weiterhin wächst, und wenn statt auf Sonne und Wind massiv auf andere Energieträger gesetzt wird. Dann könnte laut Klimamodellen bis zum Ende des Jahrhunderts die globale Temperatur um 0,4 bis 0,9 Grad steigen – nur durch Abwärme, zusätzlich zur Klimaerwärmung durch CO2.

Das bedeutet: Die Vorstellung, man könne mit Kern- oder Fusionsreaktoren eines Tages beliebige Energiemengen gewinnen, über Jahrtausende hinweg, ist falsch. Es wird keine science-fiction-artige Zukunftszivilisation geben, in der alle ihren Fusionsreaktor im Keller haben und fantastische Mengen an Energie nutzen können. Ein solcher Planet würde unbewohnbar heiß werden – selbst wenn wir unser CO2-Problem lösen können.

Das spricht nicht prinzipiell gegen Kern- und Fusionsenergie. Beides ist zweifellos für das Klima deutlich besser als fossile Brennstoffe. Beides kann eine Übergangslösung sein. Aber wenn wir eine Welt haben wollen, in der stabile ökologische Gleichgewichte herrschen, in denen nachhaltige Kreisläufe das langfristige Überleben der Ökosysteme ermöglichen, dann müssen wir die Energie nutzen, die ohnehin auf unserer Erde landet – in Form von Sonne, Wind und Biomasse.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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