Ohnehin schon voller Wunder
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Ich habe ein zentrale Forderung an die digitale Welt der Zukunft: Die Hardware soll verschwinden und nur die Funktionen bleiben. In ersten Grundzügen ist das bereits Realität. Weshalb sollen wir noch Geräte mit uns herumtragen, wenn auf das, wozu sie benutzt werden, auch gänzlich unbeschwert zugegriffen werden kann? Wenn es nicht mehr darum geht, sie zu besitzen, sondern einfach jederzeit Zugang zu der entsprechenden Leistungsfähigkeit zu haben?
Mit der Miniaturisierung, der Digitalisierung und der Virtualisierung haben sich drei technologische Entwicklungen zu einer Leitströmung verbunden, deren Auswirkungen immer feinverzweigter den ganzen Planeten umfassen. Sie führen uns an einen Punkt, an dem der Wandel nicht mehr schrittweise erfolgen kann. Der nächste technologischen Schritt muss für die Hardware in bestimmten Bereichen der letzte sein.
Schwärmende Tracks und Info-Konfetti
Dinge, an denen wir lange festgehalten haben, verlieren ihre Stofflichkeit und mit der Verwandlung in die neue, digitale Substanz lösen sich auch ihre herkömmlichen Bündelungsformen auf. Aus dem Musik-Album werden schwärmende Tracks, aus Zeitungsrubriken losgelöste Artikel, die durchs Netz vagabundieren.
Gerätebezeichnungen wie „Nano“, „Air“ oder „Lumia“ („Licht“) weisen die Richtung: die Dinge möchten mikroskopisch werden oder sich in Luft oder ein Leuchten auflösen. Als in den Siebzigerjahren die ersten Armbanduhren mit Taschenrechnerfunktionen aufkamen, wurde dazu eine Art Zahnstocher zur Bedienung mitgeliefert, der meist innerhalb kurzer Zeit verloren ging. Seither wogt ein Kampf, der nun in eine entscheidende Phase tritt.
Eine Tastatur aus Licht
Erst schoss die Miniaturisierung über‘s Ziel hinaus, eine Superfrickeligkeit breitete sich aus. Eine gestalterische Konterrevolution führte dann dazu, dass wichtige Tasten wieder größer wurden. Schon seit Längerem werden Systeme entwickelt, die Bildschirminhalte auf eine beliebige Fläche projizieren können, wo man mit ihnen interagieren kann. Die Finger fungieren als Maus und statt einer konkreten Tastatur gibt es eine aus Licht.
Das Netz wird zunehmend hardwarelos dafür sorgen, dass man überall online sein kann. Die verbleibenden Hardware-Komponenten treten in den Hintergrund, wie Wasserrohre oder die Straßenbeleuchtung. Zugang zum Netz und Zugriff auf Computerleistung wird nicht nur zu einem Teil der öffentlichen Infrastruktur, sondern zu einer neuen Umweltbedingung.
Nutzer statt Verbraucher
Werden wir durch die Digitalisierung alle zu Philosophen, die in leeren Räumen klarer sehen? Alles Hardware-Getürm steht letztlich in einem Unverhältnis zu der besonderen Flüchtigkeit digitaler Inhalte. Die klassischen Statussymbole zählen nicht mehr in einem gegenstandslosen Online-Universum, auch der Status des „Verbrauchers” schwindet. Heute gewinnt an Ansehen, wer als „Nutzer” lebt. Man renommiert nicht mehr mit dem Besitz der Dinge, sondern damit, wie man sie benutzt. „Status“ heißt jetzt die aktuelle Äußerung, die man gerade auf Facebook oder Twitter getan hat.
Die Möglichkeit, überall und jederzeit in virtueller Form nutzen zu können, was einem verschiedene Hardware zuvor eher umständlich geboten hat, wird uns auf profane Weise mit einer Fähigkeit ausstatten, die früher Zauberei hieß und bedeutet, als dass alle Wünsche unverzüglich verwirklicht werden. Die digitale Welt, ohnehin schon voller Wunder, wird nun magisch. Und sie gibt uns das Glück der freien Hände zurück.
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