High voltage pylons in the evening sun
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Meinung

Energietipp #1

Die Welt hat sich in Bezug auf die Energiepreise verändert, also muss sich auch unsere politische Reaktion ändern.

Die Welt hat sich in Bezug auf die Energiepreise verändert, also muss sich auch unsere politische Reaktion ändern. Die Preise steigen, weil Energie gerade eine knappe Ressource ist, die ungerecht verteilt wird. Wir müssen alle Winterrechnungen erwarten, die um ein Vielfaches höher ausfallen als in den vergangenen Jahren. Dass einige wenige davon profitieren, während Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen sich das nicht leisten können, ist unbestritten.

Ebenso, dass die Politik dagegen steuern muss, damit nicht Tausende im Winter frieren, weil sie ihre Heizungen abstellen oder sich aufgrund der steigenden Strom- und Heizkosten ihre Wohnung, angemessene Ernährung und viele andere Dinge, die einen menschenwürdigen Lebensstandard ausmachen, schlicht nicht mehr leisten können.

Nun mögen die gängigsten politischen Antworten auf die Energiekrise den nach wie vor aktuellen Wirtschaftshandbüchern des 20. Jahrhunderts gerecht werden. Aber wir leben nicht mehr in derselben Welt, in der diese Bücher geschrieben wurden. Das Ausmaß der multiplen Krisen, in die uns die politischen und wirtschaftlichen Rezepte der letzten Jahrzehnte maßgeblich geführt haben, bedeutet, dass wir andere Lösungen brauchen. Und diese Lösungen können nur in Umverteilungsmechanismen liegen.

Kochen mit Deckel vs. klimatisierte Fußballstadien in der Wüste

Wir müssen umverteilen, wer in Zeiten der Knappheit verfügbare Energiekontingente nutzen kann, von Energieerzeugung profitiert, zum Energiesparen aufgefordert wird und wer die Kosten für die Krisen trägt. Derzeit herrscht da noch gewaltiges Ungleichgewicht.

Die Aufforderung an Bürger*innen etwa, im Haushalt Strom einzusparen, macht natürlich grundsätzlich Sinn. Sie bekommt jedoch einen zynischen Beigeschmack, wenn zeitgleich Politiker Tiroler Schilifte zur kritischen Infrastruktur im Fall von Energieknappheit erklären, wenn weiterhin ein Drittel der Lebensmittel in der agrarindustriellen Landwirtschaft unter hohem Energieaufwand für die Mülltonne produziert werden oder wenn die Sportwelt sich auf eine Fußballweltmeisterschaft vorbereitet, für die es täglich hunderte Shuttleflüge zu den Stadien inmitten in der Wüste geben wird, die mit zahllosen Klimaanlagen heruntergekühlt werden.

Vermögen und Übergewinne besteuern

Die Energierechnungen sind so weit gestiegen, dass sie die Art des Problems, mit dem wir konfrontiert sind, verändert haben und die gewaltigen Schieflagen in unseren Systemen sichtbar macht. Als Sofortmaßnahmen gegen Teuerungen und Inflation braucht es neben höheren Löhnen jetzt Unterstützungen von der öffentlichen Hand für diejenigen, die sich das Leben sonst nicht mehr leisten können. Bisher bringt jedoch kein einziger europäischer Staat zur Finanzierung dieser notwendigen Zusatzausgaben ernsthaft Vermögens- und Übergewinnsteuern für diejenigen ins Spiel, die mehr beitragen können, wenn die Geopolitik uns Großes abverlangt. Warum nicht?

Was wir gerade erleben, ist die Rechnung, die wir für die Jahrzehntelangen Blockaden gegen den Ausstieg von fossilen Brennstoffen präsentiert bekommen. Machen wir nicht wieder den Fehler, den (meist selben) Blockierern das Feld zu überlassen, wenn es um die Frage geht, wie wir den Weg aus der Krise gestalten, in die sie uns hineingeführt haben. Inzwischen haben wir schließlich sattsam erprobt, wo das hinführt.

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Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

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