Space Race der Milliardäre befeuert Klimakrise
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Privatpersonen zu Vergnügungszwecken mit Raketen ins Weltall zu schießen ist ein kostspieliges Hobby, das uns alle teuer zu stehen kommen dürfte. Darauf weisen Wissenschaftler*innen laufend hin, zuletzt mit einer neuen Studie, die vor einer Woche veröffentlicht wurde. Die Forschungsergebnisse untermauern die schwerwiegenden Bedenken hinsichtlich des Wettlaufs im Weltraum, den einige der reichsten Männer der Welt begonnen haben.
Die obere stratosphärische Ozonschicht über der Arktis ist bereits jetzt durch die menschgemachte Klimakrise vom Abbau bedroht. Die aufkeimende Weltraumtourismusindustrie wird dies verschlimmern, warnen die Forscher*innen. Die bei der Verbrennung von Raketentreibstoffen erzeugten Partikel könnten laut der Ergebnisse des Massachusetts Institute of Technology, der University of Cambridge und des University College London irreversible Schäden an der schützenden Ozonschicht verursachen.
Ruß in der Stratosphäre
Ein Schwerpunkt der Studie waren die Emissionen von Ruß aus der Verbrennung von Raketentreibstoffen. Er absorbiert das Licht der Sonne und setzt Wärmeenergie frei, was ihn zu einem starken Treiber der Klimaerwärmung macht. In geringeren Höhen fällt Ruß schnell vom Himmel und verbleibt nur wenige Tage oder Wochen in der Atmosphäre. Wenn Raketen jedoch in den Weltraum schießen, geben sie schwarzen Kohlenstoff in die Stratosphäre ab, wo er bis zu vier Jahre lang Sonnenlicht absorbiert und Wärme abstrahlt, bevor er wieder auf die Erde zurückfällt.
In der Stratosphäre emittierter Ruß ist fast 500-mal schlimmer für das Klima als ähnliche Emissionen auf oder nahe der Erdoberfläche, so die Studie. Die Rußemissionen aller Raumflüge fallen derzeit zwar relativ gering aus, könnten aber schnell zunehmen, wenn die Wachstumsprognosen für den Weltraumtourismus zutreffen. Demnach würde die Erwärmung durch Ruß sich in den nächsten drei Jahren mehr als verdoppeln, wenn sie ungehindert fortgesetzt wird, vor allem durch die Verwendung von Kerosin bei Elon Musk‘s SpaceX und von hybriden Synthesekautschuken bei Richard Branson‘s Virgin Galactic.
Größerer Klimaeffekt als Flugzeuge
Dr. Eloise Marais vom University College London, Co-Autorin der Studie, erklärt, dass der routinemäßige Vergleich von Raketenstarts mit Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen der Flugzeugindustrie nachweislich fehlerhaft ist. „Rußpartikel von Raketenstarts haben einen viel größeren Klimaeffekt als Flugzeuge und andere erdgebundene Quellen. Daher müssen nicht so viele Raketenstarts wie internationale Flüge stattfinden, um eine ähnliche Auswirkung zu haben.“
Die Ozonschicht ist dank des Wiener Übereinkommens 1985 und darauffolgenden Montrealer Protokolls von 1987, mit dem Substanzen verboten wurden, die zum Abbau des Ozons in der Atmosphäre beitragen, nicht mehr so sehr ein Diskussionsthema wie früher. Die obere Stratosphäre hat sich seit der Verabschiedung des Montrealer Protokolls deutlich erholt – und genau dort hinterlassen diese Raketen Ruß und drohen dadurch, einen der wichtigsten klimapolitischen Erfolge der Vergangenheit wieder zunichte zu machen.
Kein steuerfreier Weltall-Urlaub für Reiche
Einige US-Kongressabgeordnete legten in Reaktion auf Jeff Bezos‘ ersten Weltraumflug den Vorschlag auf den Tisch, eine Weltraumtourismussteuer einzuführen. Eine Steuer auf das teure Vergnügen von Reichen für Reiche sollte angesichts der Auswirkungen auf die Allgemeinheit das Mindeste sein, sie wird jedoch nicht den ganzen Ruß aus der Atmosphäre entfernen. Die Forscher*innen fordern daher, dass auch mehr Studien zum Einfluss von Nebenprodukten neuer Kraftstoffe wie flüssigem Methan und Biokraftstoffen durchgeführt werden.
Die Autor*innen der Studie, die in der Zeitschrift Earth's Future veröffentlicht wurde, fordern dringend eine Eindämmung und klare Regeln für die schnell wachsende Branche, bevor die Weltraumtourismusindustrie wirklich durchstartet. Sie warnen eindringlich vor dem Risiko für das Klima, das die von der Weltraumindustrie forcierte starke Steigerung der Zahl der Weltraumstarts darstellt. Daher fordern sie eine vorausschauende Strategie zur Regulierung dieser Industrie, noch bevor sie außer Kontrolle gerät. Denn, so Robert Ryan, Forscher am University College London und Hauptautor der Studie, es wäre eine echte Schande für die Menschheit, in 50 oder 100 Jahren zurückzublicken, wenn wir Tausende von Raketenstarts pro Jahr haben und denken: „Hätten wir bloß etwas getan.“
Handeln statt bereuen
Die Auswirkungen der Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte bekommen wir mittlerweile tagtäglich zu spüren. Sie bescheren uns zunehmende Hitze, Extremwetterereignisse und die unwiederbringliche Zerstörung von Lebensräumen an Wasser und an Land. Sie sorgen dafür, dass wir abhängig von fossilen Energien bange in die nächste Heizsaison blicken, während der Kriegstreiber Putin den Gashahn zudreht und den Druck erhöht. Die Entscheidungsträger*innen haben in der Vergangenheit oft genug versagt, wenn es darum gegangen wäre, auf die Wissenschaft zu hören und rechtzeitig entschiedene Schritte zu setzen, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Jetzt haben sie eine Chance, es besser zu machen.
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