Rechteinhaber möchten verschärftes Geoblocking
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© JustinForce, CC-BY-SA

Gastkommentar

Warum der Begriff "Netzsperren" falsch ist

Zugangssperren auf Websites, die im großen Stil Urheberrechte verletzen, sind zulässig. Das hat der Oberste Gerichtshof unter Einbeziehung des Europäischen Gerichtshofs vor wenigen Wochen rechtskräftig entschiedenen. Dass sich die Musik-und Filmbranche nun auf dieses Grundsatzurteil stützen und von österreichischen Providern die Sperrung von sechs strukturell rechtswidrigen Seiten fordern, wird ihnen von manchen zum Vorwurf gemacht. So auch im futurezone-Kommentar "Netzsperren: Gibt es ein Recht auf Game of Thrones?". Dieser Gastkommentar versteht sich als Antwort eines anders Denkenden.

Netzsperre ist polemisch

"Raubkopie" soll man nicht mehr sagen. Aber wer sich an der unzulässigen Dramatisierung des Wortes "Raubkopie" stößt, der müsste auch den Begriff "Netzsperre" konsequent vermeiden. Netzsperre ist irreführend und geradezu polemisch. Niemand will den Zugang zum Internet sperren! Es geht isoliert darum, den Zugriff auf ganz bestimmte Websites zu unterbinden, die illegal Inhalte anbieten und massiv in fremdes Urheberrecht eingreifen. Dass das ein legitimes Mittel des Rechtsschutzes ist, haben gerade erst das österreichische Höchstgericht und der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden und sorgfältig begründet.

Den aus der Netzgemeinde stereotyp erhobenen Vorwurf, wonach durch die Zugangssperre auf illegale Websites in die Informationsfreiheit und andere Grundrechte eingegriffen würde, halten die europäischen Höchstrichter nach Prüfung für unbegründet. Im Gegenteil: Zugangssperren zu illegalen Seiten sind mit der Charta der Grundrechte explizit vereinbar. Dass der europäische Gesetzgeber den europäischen Gerichtshof gerade in dieser Frage nachträglich korrigieren wird, ist nicht zu erwarten. Wozu auch, zur Förderung von mehr Piraterie? In diversen Postings auf der futurezone wird das natürlich ganz anders gesehen. Das wird aber kaum mit der Meinung "der Menschen in Europa" gleichgesetzt werden können. Allein in Österreich vertreten laut einer GfK-Umfrage aus dem Vorjahr 83 Prozent der Befragten – das entspricht mehr als sechs Millionen Menschen - die Meinung, dass Künstler ein Recht auf ihr geistiges Eigentum haben und für die Verwendung ihrer Werke entlohnt werden sollen.

Zensurvorwurf

Zum scheinbar unvermeidbaren Instrumentarium zählt auch der Zensurvorwurf. Zensur ist die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und jeder, der in einer demokratischen Gesellschaft lebt, lehnt Zensur entschieden ab. Aber was hat es mit freier Meinungsäußerung zu tun, wenn zig-tausende Filme und Musikaufnahmen unter glatter Missachtung der Kreativen und Kunstschaffenden illegal über das Internet angeboten und aus dem Traffic dann Werbeerlöse generiert werden? Dabei wird doch die Freiheit der Urheber, über die Verwendung ihrer Werke selbst zu entscheiden, mit Füßen getreten! Die Freiheit des einen soll dort enden, wo er beginnt, die Freiheit eines anderen einzuschränken. Die Internetfreiheit, so scheint es zumindest, soll aber offenbar gerade erst dann zu wirken beginnen, wenn rücksichtslos in dieFreiheitsrechte anderer eingegriffen wird. Und wer sich das nicht gefallen lässt und sich zur Wehr setzt (wie etwa die Kreativen, die Kunstschaffenden oder die Kreativwirtschaft), die trifft dann der Zensurvorwurf. Eine glatte Verkehrung derTatsachen.

Neue Geschäftsmodelle

Der Musikwirtschaft wird salopp vorgeworfen, sie sollte - statt gegen The Pirate Bay vorzugehen - besser neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Fakt ist: das digitale Musikangebot im Internet umfasst heute 37 Millionen Songs, auf 230 digitalen Plattformen in Europa - in Österreich sind es 40 - und die europäischen Nutzerzahlen gehen bereits in die 100-te Millionen. Die Musikbranche hat ihr Repertoire an alle diese Plattformen lizenziert und der Großteil der neuen digitalen Angebote arbeitet grenzüberschreitend. Der wachsende Erfolg bei musikaffinen Konsumentinnen und Konsumenten gibt ihnen recht, aber nicht alle sind gleichermaßen erfolgreich wie Spotify & Co. Ebenso Fakt ist: Die Entwicklung des Digitalmarkts wird noch lange dauern und zu den hemmenden Faktoren zählen die illegalen Angebote. Daher wird es einerseits Investitionen in neue Plattformen geben müssen, andererseits aber auch Maßnahmen gegen illegale Seiten.

Franz Medwenitsch ist Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI AUSTRIA). Die IFPI hat am Montag erste Schreiben an fünf heimische Provider verschickt, mit der Aufforderung, den Zugang zu thepiratebay.se, isohunt.to, 1337x.to sowie h33t.to zu sperren.

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