Wozu Weltraum?
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Es ist wieder einmal so weit: Die Menschheit hat einen fremden Planeten erreicht. 480 Millionen Kilometer legte der Mars-Rover Perseverance zurück, bevor er auf unsrem Nachbarplaneten landete. Ein gewöhnliches Flugzeug müsste rund 60 Jahre lang ununterbrochen fliegen, um diese Strecke zurückzulegen, Mars 2020 benötigte kaum mehr als ein halbes Jahr.
Das ist eine gewaltige Leistung, auf die wir Menschen gemeinsam stolz sein können. Aber natürlich drängt sich auch die Frage auf: Lohnt sich das? Waren die rund 2,5 Milliarden US-Dollar für diese Mission gut investiert?
Teflonpfannen und Terraforming
Es gibt viele beliebte Argumente für die Weltraumforschung, aber nicht alle sind besonders überzeugend. „Ohne Mondraketen gäbe es keine Teflonpfannen“, wird gern erzählt. Doch Teflon wurde bereits 1938 erfunden, lange bevor die NASA Raketen in den Weltraum schickte. Näher an der Wahrheit ist die Vorstellung, Weltraumforschung könnte die Erde vor gefährlichen Asteroiden schützen – doch wenn das das Ziel ist, warum bauen wir dann Mars-Rover, anstatt Asteroiden aus ihrer Bahn zu boxen?
Etwas überambitioniert klingt die Idee, mit Weltraummissionen unsere Rohstoffprobleme zu lösen: Wir könnten Asteroiden einfangen, die wertvolle Erze enthalten. Aber wie das angesichts der hohen Kosten von Raketenstarts jemals lukrativ werden soll, kann niemand sagen.
Etwas skurril ist der Gedanke, wir müssten fremde Planeten kolonisieren, für den Fall, dass die Klimakatastrophe unseren eigenen Planeten demnächst unbewohnbar macht. Dabei wird übersehen: So schlimm die Klimakatastrophe auch sein mag – es ist jedenfalls unvergleichlich viel einfacher, unseren eigenen Planeten zu retten, als einen fremden, lebensfeindlichen Himmelskörper in etwas Bewohnbares umzubauen. Es ist auch einfacher, das eigene Wohnzimmer aufzuräumen als das Haus abzureißen und anderswo ein neues zu errichten.
Forschungserfolge sind nicht planbar
Aber sollten wir dann nicht überhaupt zuerst alle irdischen Probleme lösen, bevor wir uns ins All aufmachen? Sollen wir erst dann Raketen bauen, wenn wir Krankheit, Not und Umweltprobleme ganz gezielt besiegt haben?
Nein. Wir können nicht unsere Probleme nach Dringlichkeit ordnen und sie dann eins nach dem anderen wegforschen. Zielgerichtet kann Forschung nur dann sein, wenn das Ziel schon in Griffweite ist – etwa bei der Entwicklung eines neuen Impfstoffs. In welche Richtung wir allerdings forschen müssen, um die Probleme zu lösen, die wir in 20 Jahren haben werden, kann heute niemand sagen. Natürlich ist es klug, etwa viel Geld in erfolgversprechende medizinische Forschung zu stecken. Aber vielleicht entsteht die nächste medizinische Revolution durch einen neuartigen Sensor, der gerade für völlig andere Zwecke in einem NASA-Labor erfunden wird?
Die beste Strategie ist, das Wissen der Menschheit in allen Bereichen zu erweitern. Und das gelingt am besten dadurch, dass wir uns Ziele setzen, die richtig schwer zu erreichen sind. Es ist ein bisschen wie im Sport: Manche Leute trainieren, um einen hohen Berg zu besteigen oder den Ärmelkanal zu durchschwimmen. Das ist für sich genommen nicht besonders sinnvoll. Aber das Training dafür macht fit – und das bringt konkrete Vorteile. Ein gut trainierter Bergsteiger kann mir dann auch dabei helfen, die Waschmaschine in den ersten Stock zu schleppen.
Und auf ähnliche Weise ist auch die Weltraumforschung nützlich: Sie erhöht unsere wissenschaftliche Fitness. Sie ist ein hervorragendes Trainingsprogramm, für praktisch alle naturwissenschaftlichen und technischen Forschungsdisziplinen. Wir als Menschheit werden dadurch insgesamt klüger – und das haben wir bitter nötig.
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