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DLD 2011

"Groupon lockt die Leute aus dem Haus"

Wenn derzeit ein Internet-Unternehmen für Aufsehen sorgt, ist es das Schnäppchen-Portal Groupon. Ein Investment von 950 Millionen US-Dollar im Dezember ließ den Wert der Firma über Nacht auf 15 Milliarden US-Dollar schnellen, spätestens seit diesem Zeitpunkt wird sie in einem Atemzug mit Google, Facebook und Twitter genannt. Das Konzept: Täglich offeriert Groupon einen Online-Gutschein, den genug Nutzer kaufen müssen, damit er in Kraft tritt. Die Idee gilt als genial, was den Internet-Riesen Google veranlasste, Gründer Andrew Mason (30) fünf Milliarden US-Dollar für eine Übernahme anzubieten. Dieser schlug das Angebot jedoch aus und überlegt jetzt, wie er seine nur zwei Jahre alte Firma am besten an die Börse bringt.

Der Groupon-Chef selbst erfüllt jedes Klischee eines jungen Internet-Unternehmers: Jugendliche Kleidung und schüchternes Auftreten gepaart mit internationalem Erfolg machen ihn zu einem zweiten Mark Zuckerberg. Im FUTUREZONE-Interview spricht Mason, der bei der Konferenz "Digital, Life, Design" in München zu Gast war, über Verwandtschaften mit Facebook, die Macht der Gruppe und Arnold Schwarzenegger.

FUTUREZONE: Im Internet gibt es Dutzende Gutschein-Portale. Wieso sollten die Nutzer gerade zu Ihren kommen?
Andrew Mason: Jeden Tag senden wir ein eMail an 50 Millionen Nutzer in 500 Städten auf der ganzen Welt und bieten ihnen ein regional angepasstes Angebot, etwa ein Restaurantbesuch oder eine Massage. Sie können einen Gutschein kaufen, der 50 Prozent oder mehr Rabatt gibt. Groupon ist ein Städteführer geworden und lockt die Leute aus dem Haus. Und kleine Firmen haben so die Möglichkeit, neue Kunden zu gewinnen.

Groupon bietet jeden Tag nur ein Schnäppchen. Das ist das Gegenteil von der Warenvielfalt, die im Internet so geschätzt wird.
Wir wollen unseren Nutzern ermöglichen, lokale Geschäfte zu entdecken. Viele Leute versuchen seit der Erfindung des Internet erfolglos, kleine Geschäfte online zu bringen, aber wir haben mit unserem Konzept das Geheimnis geknackt.

Glauben Sie, dass Groupon eine neue Ära des Online-Shoppings einläutet und Web-Riesen wie Amazon und eBay ablöst?
Wir wollen die Art verändern, wie die Menschen bei kleinen Geschäften einkaufen, genauso, wie Amazon und eBay das Kaufverhalten von Alltagsprodukten verändert haben.

Viele Nutzer wünschen sich, dass die Groupon-Angebote ihren eigenen Interessen entsprechend angepasst werden. Werden Sie das umsetzen?
Ja, in den USA bieten wir das schon an, und werden das bald weltweit machen. In Chicago, wo wir unseren Firmensitz haben, gibt es nicht nur einen, sondern zehn Deals pro Tag; aber der Nutzer bekommt nur jenen angeboten, der am relevantesten für ihn ist.

Bei Groupon kommt ein Angebot nur zustande, wenn eine bestimmte Anzahl von Personen den "Deal des Tages" kauft. Wie haben Sie diese Gruppendynamik entdeckt?
2007 habe ich die Webseite ThePoint.com gestartet, über die sich Leute in Gruppen für die Erledigung verschiedener Aufgaben organisieren konnten. Groupon war damals nur einen Nebenprojekt, mit dem ich genug Geld machte, um die Rechnungen zahlen zu können, aber dann ist es explodiert.

Sogar Google interessiert sich mittlerweile für die Idee und hat Ihnen fünf Milliarden Dollar für die Firma geboten. Warum haben Sie abgelehnt?
Diese Spekulationen kann ich nicht kommentieren, aber nur so viel: Wir sind froh darüber, eine unabhängige Firma zu sein.

Dem österreichischen Psychologe Arnd Florack zufolge setzt Groupon stark auf Effekte wie die künstliche Verknappung von Ware und sozialen Druck. Haben Sie sich mit Konsumentenpsychologie auseinandergesetzt?
Wir haben die Idee, einen Deal pro Tag zu bieten, mit der Idee, Gruppenrabatte zu vergeben, kombiniert. Dabei passiert etwas, was als Spiel-Mechanismus bezeichnet wird. Diesem Effekt haben wir Aufmerksamkeit geschenkt, aber wir haben dafür nicht extra Psychologie studiert.

Groupon beschäftigt mittlerweile ein Heer von Redakteuren, das nichts anderes tut, als Texte über die Angebote zu schreiben. Wie werden sie instruiert?
Wenn man jeden Tag ein eMail mit einem Angebot bekommt, ist die Chance sehr hoch, dass man schell das Interesse verliert. Wir versuchen so über die Firmen zu schreiben, dass die Leute es auch lesen, aber große Geheimnisse gibt es keine. Wir sind nur sehr wählerisch beim Personal.

Einige Ihrer Konkurrenten sagen, dass 20 bis 50 Prozent der gekauften Gutscheine gar nicht eingelöst werden. Stimmt das?
Ich glaube nicht, das die Zahlen so hoch sind, allerdings erheben wir die Einlöse-Quote nicht. In Österreich sind wir aber erst seit einem Jahr vertreten, das heißt, dass viele Gutscheine noch gar nicht abgelaufen sind.

Es gibt Stimmen, dass Groupon gefährlich ist, weil etwa ein kleiner Frisör plötzlich von einer Horde Gutschein-Käufer überrannt wird und den Preis nicht halten kann.
Wir schenken dem Problem sehr viel Aufmerksamkeit, aber es ist eigentlich nicht in unserem Interesse, so ein Limit einzuführen. Das größere Problem sind die Unternehmen selbst, die einen größeren Hunger als Magen haben und glauben, sie können viel mehr Gutscheine verkraften. Oft müssen wir mit ihnen streiten und sie überzeugen, eine Obergrenze an möglichen Gutscheinen einzuführen.

Mit Accel Partners, Digital Sky Technologies und Greylock Partners teilen Sie sich die gleichen Geldgeber mit Facebook. Was haben Ihr Online-Netzwerk und Facebook gemeinsam?
Ich denke, Groupon ist eine grundlegend soziale Sache. Die Dinge, die wir anbieten, tut man gemeinsam mit Freunden, etwa zum Abendessen in ein Restaurant zu gehen. Mit Facebook und Twitter gibt es Technologien, über die die Nutzer die Groupon-Angebote verbreiten können. Facebook hat so gesehen das Fundament für Groupon gelegt.

Internet-Firmen wie Facebook, Apple, Google und Twitter wurden im Hightech-Mekka Silicon Valley aufgebaut. Warum sind Sie mit Groupon in Chicago geblieben?
Groupon ist ein anderes Unternehmen. Wir entwickeln zwar auf der einen Seite Technologie, aber auf der anderen Seite sind viele unserer 4300 Mitarbeiter als Verkäufer weltweit unterwegs. Mit unseren Hauptsitzen in Chicago und Berlin sind wir sehr zufrieden.

Kürzlich haben Sie gesagt, dass Sie als Unternehmer dem Stil von Arnold Schwarzenegger folgen wollen. Wie war das gemeint?
Politiker präsentieren sich immer so, als hätten sie nie in ihrem Leben etwas Schlechtes gemacht. Arnold Schwarzeneggers Vergangenheit hingegen ist sehr transparent, man kann sicher 80 schlechte Dinge finden, die er getan hat. Das ist sehr menschlich, und ich will Groupon ebenfalls als sehr menschliche, ehrliche und transparente Firma gestalten.

Was war der beste Gutschein, den Sie selbst bei Groupon gekauft haben?
Eine Boots-Tour durch Chicago, die an allen architektonisch interessanten Bauwerken vorbeiführte.

Letzte Frage: Sie haben einen Abschluss in Musikwissenschaften. Warum haben Sie keinen Musik-Dienst oder ähnliches gemacht?
Was mich am Internet begeistert, ist die Möglichkeit, sich kreativ austoben zu können. Man kann mit einer simplen Idee Millionen Menschen berühren. Wie mit einem Rocksong.

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(Jakob Steinschaden)


Groupon hat mehr als 50 Millionen Nutzer und ist in 35 Ländern vertreten. Österreichische Nutzer, derzeit eine halbe Million, erreichen die Seite unter groupon.at. Das tägliche Angebot wird erst aktiv, wenn genug Menschen mitmachen. Die Gutscheine müssen dann im Voraus bezahlt werden und bieten mindestens 50 Prozent Vergünstigung.

Andrew Mason ist Gründer und Chef von Groupon. Der 30-Jährige hat einen Abschluss in Musikwissenschaft, er arbeitet und lebt in Chicago. Seine Firma hat 4300 Mitarbeiter und schneidet bei jedem Deal zwischen 20 und 50 Prozent des Preises mit. Anders als viele andere Internetfirmen wirtschaftet Mason profitabel. Groupon hat bereits über 1,5 Milliarden US-Dollar angespart, der Börsenstart soll noch heuer stattfinden.

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Jakob Steinschaden

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