Handy-Warnsystem: Wie Österreich künftig vor Katastrophen warnt
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Angenommen du befindest dich an einem Ort, der von Überschwemmungen bedroht ist: In Zukunft könntest du eine Benachrichtigung auf deinem Handy erhalten, die dich davor warnt und sogar Verhaltenstipps gibt. Aussehen soll die Nachricht wie eine SMS. Möglich sein soll das in Zukunft durch die sogenannte „Cell Broadcast“-Technologie (CB). In einem bestimmten, von einer Katastrophe betroffenen Gebiet, können damit alle Handynutzer*innen Warnbotschaften erhalten, egal ob sie Einheimische oder Besucher aus dem Ausland sind.
Warnungen in ganz Europa
2019 hat das damalige Infrastrukturministerium (BMVIT) angekündigt, ein CB-System aufbauen zu wollen. Österreich sollte sich damit an einer 2018 beschlossenen EU-Richtlinie orientieren. Sie sieht den Aufbau eines europaweiten CB-Systems namens „EU-Alert“ bis Juni 2022 vor. Die Niederlande betreiben ein solches Warnsystem bereits seit 2012. Italien, Litauen, Griechenland und Rumänien haben mittlerweile auch eines. Deutschland hat zunächst eine Ausnahme von EU-Alert erwirkt. Angesichts der aktuellen Flutkatastrophe will das Nachbarland nun aber ebenfalls CB einführen. Und Österreich? Hier wird daran gearbeitet.
Die Telekommunikationsagenden sind mittlerweile ins Landwirtschaftsministerium (BMLRT) gewandert. Gemeinsam mit dem Katastrophenschutz, den Mobilfunkbetreibern und Forschungsinstitutionen werden derzeit die Rahmenbedingungen für ein heimisches CB-System abgesteckt, das gemäß der EU-Nomenklatur künftig „AUT-Alert“ heißen könnte. „Die CB-Technologie ist an sich nichts Neues, aber die praktische Umsetzung ist eine Herausforderung“, sagt Robert Stocker, der Leiter der Abteilung Krisen- und Katastrophenmanagement im Innenministerium.
Die größten Hürden
Aus Mobilfunkkreisen heißt es, dass die Netze prinzipiell für CB bereit seien. Jeder Mobilfunkstandard von 2G bis 5G biete die Möglichkeit. Was noch fehlt, seien Schnittstellen und Steuerungssysteme. Eine große Hürde sei die rechtliche Unsicherheit. Fallen ungefragt erhaltene Botschaften am Handy etwa unter verbotene Werbe-SMS? Das neue Telekommunikationsgesetz soll hier mehr Klarheit schaffen. Es hätte schon 2020 beschlossen werden sollen, ist aber immer noch nicht fertig.
Fraglich für die Mobilfunker ist auch, ob Handys und Smartphones für den Empfang von Warnmeldungen via CB vorbereitet sind. „Wenn sich jemand ein Mobiltelefon in Europa gekauft hat, dann ist davon auszugehen, dass die Möglichkeit vorhanden ist“, meint Christian Resch, Geschäftsführer des Disaster Competence Network Austria.
Das Forschungsnetzwerk ist kurz vor Abschluss eines Entwicklungsprojekts zur Einführung von CB in Österreich. Das DCNA widmet sich darin auch sozialwissenschaftlichen und organisatorischen Fragen, wie etwa: Welche Nachricht soll auf Handys ankommen? Oder: Wer drückt am Ende auf den Senden-Knopf? Resch: „So etwas ist keine banale Fragestellung. In föderalistischen Staaten wie Österreich ist es ganz zentral, dass das auf soliden Beinen steht.“
Bestätigung notwendig oder nicht
Wie die europäische Notrufnummernorganisation EENA in einem Bericht beschreibt, bietet CB unterschiedlichste Möglichkeiten bei der Zustellung. Prinzipiell handelt es sich bei CB um einen „Push“-Dienst. Nachrichten werden also an alle Handys in ausgewählten Funkzellen ausgeschickt. Auf die Botschaften kann man jedoch nicht antworten, weshalb für Rückfragen etwa eine Telefonnummer oder ein Webseiten-Link mitgeschickt werden sollte. Es gibt aber auch die Variante „Interactive Cell Broadcast“, die Antworten zulässt, für die wiederum aber nicht alle Endgeräte geeignet sind.
Außerdem lässt sich von vornherein festlegen, ob CB-Nachrichten von Nutzer*innen deaktiviert werden können oder nicht. Ebenso bestimmen lässt sich, ob Nachrichten einfach ignoriert werden können oder ob man sie erst bestätigen muss, bevor man irgendetwas anderes am Handy machen kann.
Bei Tests in den Niederlanden hat sich herausgestellt, dass 90 Prozent der Bevölkerung mit CB-Warnungen erreicht werden. Dass es sich um ein wertvolles Instrument im Katastrophenschutz handelt, ist bewiesen. Selbst bei überlasteten Mobilfunknetzen kommen die maximal 1.395 Zeichen langen Botschaften durch.
Palette an Kanälen erweitern
Für den Katastrophenschutz wären Alarm-SMS ein weiterer Kanal in der vorhandenen Palette. Etablierte Kanäle wie Sirenen, Warnungen im Rundfunk oder die KATWARN-App sollen dadurch nicht ersetzt werden, erklärt Stocker. Wann CB in Österreich genau eingeführt wird und ob dies bis Juni 2022 klappt, bleibt unklar.
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