Was passiert, wenn das Internet für längere Zeit ausfällt
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Kein Trinkwasser, kein Bargeld, keine Online-Kommunikation – ein Szenario, das sich in Österreich kaum jemand vorstellen kann. Mit diesen Konsequenzen könnten wir uns aber konfrontiert sehen, wenn ein integraler Bestandteil unseres Lebens ausfiele: das Internet.
Rund 90 Prozent der österreichischen Haushalte sind laut Statistik Austria mit einem Internetzugang ausgestattet. Welche Folgen ein lang anhaltender und großflächiger Ausfall hätte, soll im Rahmen des Forschungsprojektes „Isidor“, das vom Institut für Produktionswirtschaft und Logistik an der Universität für Bodenkultur geleitet wird, untersucht und Pläne für ein staatliches Krisen- und Katastrophenschutzmanagement entwickelt werden.
Kaum erforscht
„Das gesamte gesellschaftliche Leben, wirtschaftlich und privat, ist von 2 Technologien durchdrungen: Strom sowie die Informations- und Kommunikationstechnik“, sagt Projektmitarbeiter Jaro Krieger-Lamina von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) der futurezone. Während man sich mit einem längerfristigen Stromausfall („Blackout“) schon seit längerem befasst, ist ein solcher Internetausfall noch weitgehend unerforscht.
Zwar würden die Blackout-Notfallpläne auch bei der Bewältigung eines Internetausfalls dienen, wie die Infrastrukturausstattung hierzulande aber konkret aussieht, welche Bereiche besonders betroffen und welche Maßnahmen geeignet wären, ist Gegenstand der Forschung.
Ausfallsicher konzipiert
Grundsätzlich ist das Internet dezentral und ausfallsicher konzipiert: Wenn ein Knoten in der Netzstruktur wegfällt, können die Informationen über andere Knoten übertragen werden. Dem Experten zufolge gibt es aber auch einige wenige neuralgische Punkte. Bringen Angreifer diese zum Erliegen, wäre das Internet großflächig betroffen. „Das ist aber keine einfache Sache.“
Möglich ist es aber. In Estland kam es 2007 zu massiven Cyberattacken, unter anderem auf Behörden. Das öffentliche Leben war dadurch stark eingeschränkt. In Sierra Leone gab es 2018 ebenfalls einen massiven Ausfall, auch andere Länder an der westafrikanischen Küste waren betroffen. Hier wurde ein Unterseekabel beschädigt. Software- und Hardwareprobleme sind je nach Ausmaß aber relativ rasch zu beheben. Wenn es hingegen zu einem längeren Stromausfall käme, der in Folge auch das Internet lahmlegen würde, hätten wir schwerwiegendere Probleme, meint der Experte.
Abhängigkeit
Unabhängig von der Ursache beschäftigt sich das Forscherteam mit den Auswirkungen eines Internetausfalls. Durch die Digitalisierungsprozesse der vergangenen Jahrzehnte sei eine große Abhängigkeit entstanden. „Zahlreiche Prozesse laufen heute über das Internet ab. Gleichzeitig hat man wenig Erfahrung mit Versorgungsunterbrechungen in einem Betrieb, der normalerweise verlässlich funktioniert.“ Aus Kostengründen nutzen viele Firmen auch Cloud-Services, auf welche mehrere Niederlassungen zugreifen können. „Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach Datenschutz oder Industriespionage, sondern auch nach dem, was noch rennt, wenn man nicht mehr darauf zugreifen kann“, erklärt er.
Dauert ein großflächiger Internetausfall länger als 3 Tage, stellt sich auch die Frage der Logistik. „In vielen Bereichen ist die Lagerhaltung reduziert, weil sie hohe Kosten verursacht“, sagt er. Produziert wird „just-in-time“ und Güter werden bei Bedarf geliefert. Da die Koordination internetbasiert ist, könnten so Versorgungsgüter wegfallen.
Kein Bargeld
Auch die Trinkwasserversorgung ist internetbasiert und könnte vorübergehend stocken. Laut einem Bericht der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach könne die Steuerung der Trinkwasseranlagen im Notfall aber auf eine vom Internet unabhängige Fernsteuerung umgestellt werden. Stocken würde auch der Verkehr, zumal die Ampelsteuerung über das Internet geregelt wird. Auch Geldautomaten würden ausfallen. Welche die dringendsten infrastrukturellen Probleme wären und wie gut Betreiber kritischer Infrastrukturen auf solch eine Krise vorbereitet sind, wird laut Krieger-Lamina aber erst erforscht.
Krankenhäuser sind auf Infrastrukturausfälle vorbereitet. Sie kommen auch ohne externe Computernetzwerk aus – die stationäre Behandlung kann aufrechterhalten werden. Zunächst gibt es Entwarnung: Grundsätzlich ist ein landesweiter Internetausfall laut Krieger-Lamina sehr unwahrscheinlich. Darauf trotzdem vorbereitet zu sein, schadet aber nicht.
Wie ein Krisenfall kommuniziert werden kann
Wir informieren uns großteils online und kommunizieren über soziale Medien. Sogar das Fernsehen wird von vielen zu einem großen Teil über das IP-Protokoll genutzt, Radioinhalte werden ebenfalls von vielen gestreamt. Fällt das Internet großflächig aus, kommt die Kommunikation zum Erliegen. Es stellt sich die Frage, wie die Bevölkerung im Katastrophenfall weiterhin erreicht werden kann. Das terrestrische Fernsehen und Radio bleibt in so einem Fall unberührt.
Zudem hat das Krisen- und Katastrophenmanagement des Bundesministeriums den Dienst „Katwarn“ eingerichtet. Damit können Bürger Katastrophenwarnungen diverser Behörden orts- oder anlassbezogen per SMS erhalten. Dafür muss man eine SMS an die Servicenummer 0800 911 900 mit dem Inhalt „KATWARN 1234“ – 1234 für die jeweilige Postleitzahl – schicken.
Kommentare