"Jeder von uns könnte heimlich im Netz beobachtet werden"
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Am Dienstag endete die Begutachtungsfrist für den Entwurf des geplanten Staatsschutzgesetzes. Das neue Gesetz soll es den Behörden leichter machen, vor Begehen einer Straftat einzuschreiten. Ermittlungsdaten sollen künftig länger gespeichert werden. Medial stieß am Gesetzesentwurf bisher vor allem der Einsatz von V-Leuten auf Kritik. Doch nun melden sich auch Internet-Provider zu Wort und kritisieren das geplante Gesetz scharf.
"Jeden Beliebigen überwachen"
„Die Verfassungsschützer könnten jeden Beliebigen im Internet überwachen, ohne dafür irgendwo Rechenschaft ablegen zu müssen", warnt Harald Kapper, Geschäftsführer des Internet-Providers kapper.net und Vorstandsmitglied des Provider-Verbands ISPA, in einer Aussendung. Der Entwurf des Staatsschutzgesetzes sieht nämlich vor, dass die Behörden das Smartphone und die Internet-Nutzung von Verdächtigen und ihren Bekannten (im Wortlaut: „Kontakt- und Begleitpersonen“) beobachten dürfen. Ob jemand als verdächtig gilt, entscheiden die Ermittler selbst.
Wenn jemand ins Visier der Behörden gerät, müssten die Telekom-Firmen und Provider jederzeit bekanntgeben, welche Standortdaten sein Handy liefert und mit welcher IP-Adresse er im Netz unterwegs ist. „Das sind tiefe Eingriffe in die Privatsphäre und die Grundrechte, die unbedingt Kontrolle und Transparenz erfordern", erklärt Kapper. „Sonst könnte im Prinzip jeder von uns heimlich von den Behörden beobachtet werden."
"Unverhältnismäßige Maßnahme"
Der Provider-Verband ISPA äußerte ebenfalls scharfe Kritik an der Ausweitung des von der Beauskunftung umfassten Personenkreises. „Die ISPA lehnt diese Maßnahme ab, da es hierdurch zu der Weitergabe der Daten von einer großen Anzahl von unbeteiligten Personen kommen kann, welche aus grundrechtlichen Überlegungen eine unverhältnismäßige Maßnahme darstellt.“
Die ISPA kritisiert zudem, dass das vorgeschlagene Gesetz sämtliche sicherheitstechnische Überlegungen und Vorkehrungen, die im Rahmen der Umsetzung der bereits aufgehobenen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gemeinsam in einem sehr intensiven Dialog zwischen Behörden, Industrie und Zivilgesellschaft erarbeitet wurden, unberücksichtigt lässt.
Durchlaufstelle
Gemeint ist damit die sogenannte „Durchlaufstelle“ für den kontrollierten Austausch zwischen Polizei und Providern, die 2012 gemeinsam mit der Vorratsdatenspeicherung ins Leben gerufen wurde. Sie dient als geschützter Briefkasten, wenn die Polizei Auskünfte bei einem Provider anfordert. Der Datenaustausch erfolgt dabei verschlüsselt, Protokolle werden jährlich ans Parlament übermittelt.
Im Staatsschutzgesetz wird diese Lösung jedoch nicht erwähnt, Daten könnte auch per E-Mail oder Fax oder telefonisch übermittelt werden. „Die ISPA spricht sich für die Beibehaltung der Kommunikation über die Durchlaufstelle aus und lehnt Alternativlösungen als klaren Rückschritt ab“, heißt es. „Die Verwendung der Durchlaufstelle soll im Staatsschutzgesetz ausdrücklich vorgeschrieben werden", fordert Kapper. „Damit erfolgen Internet-Ermittlungen auch weiterhin in einem rechtsstaatlichen Rahmen und unter parlamentarischer Kontrolle."
Widerspruch mit Gesetzen
Die ISPA sieht beim Entwurf des neuen Staatsschutzgesetzes außerdem weitere Probleme. Die vorgeschlagene Regelung würde dem Telekommunikationsgesetz widersprechen und zu Rechtsunsicherheit führen, sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA. Die ISPA weißt in ihrem Statement zum Begutachtungsentwurf zudem darauf hin, dass effiziente Kontroll- und Rechtsschutzmechanismen bei derartig weitreichenden gesetzlichen Grundrechtseingriffen eine unabdingbare Voraussetzung für einen demokratischen Rechtsstaat darstellen würden. „Wir wollen keine österreichische NSA“, sagt Kapper dazu.
Zuletzt hatten auch die parlamentarischen Parteien Neos sowie die Grünen gemeinsam mit dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) scharfe Kritik am Staatschutzgesetz geübt. Sie forderten die Evaluierung von Überwachungsgesetzen, bevor neue Befugnisse beschlossen werden.
Warnung vom AK Vorrat
Der AK Vorrat wies zudem ebenfalls in seiner offiziellen Stellungnahme darauf hin, dass bereits jemand, der sich lediglich im Forum einer Tageszeitung negativ über den Wiener Akademikerball äußern würde, oder auf Facebook mit Personen befreundet sei, die in der Vergangenheit an Gegendemonstrationen beteiligt waren, in das Fadenkreuz der Staatsschutzorgane geraten und eines „verfassungsgefährdenden Angriffs" verdächtigt werden könnte. „In der Folge könnte diese Person, die sich niemals etwas zu Schulden kommen ließ, bereits der systematischen Beobachtung des BVT mit umfänglichen Überwachungsbefugnissen ausgesetzt sein“, warnte der AK Vorrat.
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