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Netzpolitik

Kein Stromvertrag wegen falschem "Kreditscore"

In Österreich bekam ein Wissenschaftler, der über ein regelmäßiges Einkommen und einen guten Verdienst verfügt, keinen Vertrag mit dem Energielieferanten seiner Wahl, weil er als „nicht kreditwürdig“ eingestuft wurde. Seine Anmeldung war abgelehnt worden, als Begründung bekam er zu hören, dass seine Bonität zu niedrig sei. "Ich war total verdutzt, weil ich noch nie Schulden hatte. Die Absage kam binnen einer Stunde und ich habe mich gewundert, warum das so schnell ging. Deshalb habe ich nachgefragt", sagt der Betroffene zur futurezone. "Ich war verunsichert und hatte Angst, dass es ein tiefergreifendes Problem gibt, weil man hört ja öfters, dass es Fehler bei den Kreditinstituten gibt."

Er bekam als Auskunft des Energieanbieters, dass sein „Kreditscore“ bei 446 Punkten liege, man aber erst ab „mindestens 650“ einen Vertrag bekäme. Der Energielieferant bezog sich dabei auf die Auskunft der CRIF. CRIF ist der „führende Anbieter von Kredit- und Bonitätsinformationen der österreichischen Wirtschaft“ und errechnete laut Auskunft des Energielieferanten den Score.

Selbstauskunft an die CRIF

Da der Wissenschaftler sich nicht erklären konnte, wie das niedrige Ergebnis über ihn zustande gekommen war, stellte er eine Selbstauskunft bei der CRIF. Die Kreditauskunftei sagte ihm dann, dass über ihn keine „personenbezogenen Daten“ gespeichert seien außer Name, Geburtsdatum und Anschrift. "Aus diesen Daten haben sie anscheinend meinen Score ausgerechnet", so der Forscher. "Ich habe ein geregeltes Einkommen für mehrere Jahre und die monatlichen Stromkosten von 20 Euro hätte ich definitiv zahlen können."

Der Betroffene wandte sich an den Verein noyb.eu, der Konsumenten in Fragen berät und vertritt, die mit Datenschutzproblemen zu tun haben. "Ich bin aus dem Ausland nach Österreich gezogen und deshalb gibt es von mir noch keine Daten. Es kann nicht sein, dass man von Leuten, von denen man keine Daten hat, einen negativen Score ermittelt", so der Forscher, der in Klosterneuburg für mehrere Jahre lang einen Arbeitsvertrag hat.

"Würfeln ist vermutlich fairer"

„Die Antwort der CRIF ist verblüffend. Wie kann ein genauer Bonitätsscore errechnet werden, wenn zu der Person angeblich keine Daten gespeichert sind? Es scheint, dass CRIF aus den bloßen Anfragedaten, also Name, Anschrift und Geburtsdatum messerscharf einen Score von 446 Punkten berechnet hat. Wer an der falschen Adresse wohnt oder das falsche Geburtsdatum hat, bekommt damit keinen Stromvertrag. Würfeln ist vermutlich fairer“, sagt Alan Dahi, Datenschutzjurist bei noyb.eu, der den Fall übernommen hat.

Noyb.eu hat bei der Datenschutzbehörde eine offizielle Beschwerde eingebracht, denn der Mann hätte nach der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine klare Auskunft über die Logik bekommen müssen, wie der Score zustande gekommen war – und – die Möglichkeit, falsche Angaben über seine Person richtig zu stellen. Dies hat der potentielle Stromkunde allerdings trotz mehrmaliger Nachfrage nicht erhalten. Die CRIF verwies dabei auf das „Geschäftsgeheimnis“. „Ist eine Person tatsächlich nicht in der CRIF-Datenbank gespeichert, müsste das Ergebnis etwa „Person unbekannt“ lauten, nicht 446. Eine Score ohne Grundlage ist inhärent unrichtig und damit ein Verstoß gegen die DSGVO, so Dahi von noyb.eu.

Keine Richtigstellungsmöglichkeit

Für den Wissenschaftler hatte dieser Kreditscore, zu dem er keinerlei Auskunft erhielt, allerdings ernsthafte Konsequenzen: Der Energielieferant führte für die Ablehnung des Vertrags den negativen Bonitätsscore der CRIF als alleinigen Grund an. Die Möglichkeit, seine Bonität etwa durch Gehaltsabrechnungen nachzuweisen, wurde dem potentiellen Kunden nicht eingeräumt. Die CRIF wiederum verwies darauf, dass der Energieanbieter alleine darüber entscheide, ob jemand einen Vertrag erhält oder nicht. „Sowohl der Stromlieferant als auch CRIF zeigen jeweils auf den anderen. Der Betroffene sitzt ohne Stromvertrag zwischen den Stühlen“, sagt Dahi von noyb.eu.

Laut Anfrage der futurezone hat der Betroffene mittlerweile bei einem Anbieter erfolgreich einen Vertrag abgeschlossen - und zwar noch am selben Tag. "Die haben keine Scoring-Tests gemacht, ich habe extra nachgefragt." Der Fall zeigt, wie problematisch es ist, wenn Stromverträge, oder andere Käufe, die man tätigt, von derartigen Kreditscores und Algorithmen abhängen, auf die Nutzer keinen Einfluss haben und die sie auch nicht einsehen können. "Ich erwarte mir von der Beschwerde, dass man diesem Bonitätswahn einen Riegel vorschiebt", sagt der Forscher.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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