Elbit Puls

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© Elbit

Militärtechnik

Deshalb kauft die Bundeswehr die Raketenartillerie PULS statt GMARS

Eigentlich hatte die deutsche Armee schon Anfang 2024 verkündet, eine neue Raketenartillerie anschaffen zu wollen: das israelische Elbit PULS. Das verzögerte sich aber und Anfang Juni 2024 tauchte mit GMARS plötzlich ein deutsch-amerikanisches Konkurrenzsystem auf.

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Das Timing ließ einige Rüstungsanalysten mutmaßen, ob sich die Bundeswehr doch noch umentscheidet. Jetzt ist es aber fix: Die deutsche Regierung hat PULS abgenickt.

Erste Bestellung von 5 Stück

Für 65 Millionen Euro werden anfangs 5 Systeme angeschafft. Die Kosten beinhalten ua. Anpassungen an das Kommunikationsnetzwerk der Bundeswehr und einen Service-Vertrag.

Mit den 5 PULS werden die 5 MARS II ersetzt, die Deutschland der Ukraine zur Verfügung gestellt hat. MARS II ist der Name der Bundeswehr für das amerikanische MLRS M270. Es hat 2 Pods. Je nachdem, welche Raketen verwendet werden, enthält ein Pod zwischen einer und 6 Raketen.

Die Bundeswehr wollte die MARS II nicht 1:1 ersetzen, sondern ein mobileres System haben, wie etwa das HIMARS. Das amerikanische HIMARS hat nur einen Pod statt 2, ist dafür aber kompakter, leichter und schneller als das ältere MLRS.

Die Ukraine setzt diese Systeme, die sie von den USA bekommen hat, erfolgreich gegen Russland ein. Dabei wird die „Shoot & Scoot“-Taktik genutzt. HIMARS wird zum Einsatzort gefahren, feuert seine Raketen in weniger als einer Minute ab und fährt wieder los, bevor ein Gegenschlag erfolgen kann.

Zu wenig Feuerkraft für die Bundeswehr

Das HIMARS wollte die Bundeswehr nicht, weil es zu wenig Feuerkraft hat. Geht man rein nach der maximalen Bewaffnung, hätte die deutsche Armee 10 HIMARS anschaffen müssen, um die 5 MARS II zu ersetzen.

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Hier kam GMARS ins Spiel. Die Raketenartillerie wird vom deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall in Kooperation mit Lockheed Martin entwickelt, das wiederum hinter MLRS und HIMARS steckt. GMARS sollte ähnlich agil wie HIMARS sein, aber 2 Pods haben, wie MLRS. Sogar der Name deutete darauf hin, dass die Raketenartillerie für Deutschland zugeschnitten ist. Offiziell steht GMARS für „Global Mobile Artillery Rocket System“ – inoffiziell steht das G für Germany.

Dass man sich nicht für GMARS entschieden hat, lag am Fortschritt des Waffensystems. Gegenüber Defense News sagte ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums, dass es keinen nutzbaren Prototypen gegeben hätte.

Konkurrenz hat den Zuschlag bekommen

PULS (Precise and Universal Launching System) ist hingegen bewährt. In Israel wurde es 2020 eingeführt. Zu den europäischen Nutzern gehören Dänemark, die Niederlande und Spanien. Interesse besteht auch von Norwegen. Wie Deutschland sind diese Nationen Teil der NATO.

PULS wird vom israelischen Konzern Elbit gebaut. Für die deutsche Variante kooperiert Elbit mit dem deutsch-französischen Rüstungsunternehmen KNDS. Das ist doppelt bitter für Rheinmetall, da diese beiden Konzerne bei vielen Rüstungsprojekten konkurrieren, wie etwa auch der Nachfolge des Kampfpanzers Leopard. Rheinmetall schickt dafür den KF51-U Panther ins Rennen, KNDS den Leopard 2 A-RC 3.0.

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PULS verschießt auch russische Munition

PULS kann auf Lkw-Plattformen mit 3 oder 4 Achsen montiert werden und hat 2 Pods. Was PULS auszeichnet, ist die Vielfalt der verfügbaren Munition. So gibt es etwa Pods, die die russischen 122mm-Grad-Raketen abfeuern können.

Dadurch können Länder ihre Munitionsvorräte aus Sowjet-Zeiten mit einem modernen System weiternutzen, ohne auf Russland als Lieferant angewiesen zu sein. Eine moderne russische Variante des BM-21, das die Grad-Raketen nutzt, ist das 9K51M Tornado-G.

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Das 9K51M hat 40 Startröhren für die Grad-Raketen. Bei Puls hat jeder Pod Platz für 18 Raketen – es kann also 36 Grads mit sich führen.

Verschiedene Munitionssorten für PULS

Die eigentliche Standard-Munition für PULS sind die GPS-gesteuerten Accular 122, die wie die Grad-Raketen das Kaliber 122 mm haben. Sie haben eine Reichweite bis zu 35 km und einen Gefechtskopf mit 20 kg. In einem Pod passen 18 Raketen.

Die Accular 160 ist die größere Variante davon, im Kaliber 160 mm. Die Reichweite beträgt bis zu 40 km, der Gefechtskopf ist 35 kg schwer. 13 Stück haben in einem Pod Platz. Mit der LAR160 kann PULS auch die ältere, ungelenkte Variante verschießen, die bis zu 45 km Reichweite hat und einen Sprengkopf mit 46 kg Gewicht.

Von der gelenkten EXTRA (306 mm, 150 km Reichweite, 120 kg Sprengkopf) passen 4 Stück in einen Pod. Delilah ist ein Marschflugkörper mit Loitering-Fähigkeiten, soll also im Zielgebiet kreisen und es aufklären können, bis ein Angriffsbefehl erfolgt. 2 Stück passen in einen PULS-Pod, die Reichweite liegt bei 250 km, der Gefechtskopf wiegt 30 kg.

Auch von Predator Hawk (Kaliber 370 mm) passen 2 in jeden Pod. Mit 300 km Reichweite und einem Gefechtskopf mit 140 kg, ist es die derzeit schlagkräftigste Rakete von PULS.

Künstlerische Darstellung des Starts von Predator Hawk

Künstlerische Darstellung des Starts von Predator Hawk

Mit SkyStriker kann PULS auch 6 Drohnen pro Pod transportieren und starten. Diese haben eine Reichweite von 100 km und können zur Aufklärung genutzt werden. Sie lassen sich auch mit einem 5 oder 10 kg Gefechtskopf bestücken, um Ziele anzugreifen.

Streit wegen amerikanischer Munition

Um die Munition für PULS könnte es noch Streit geben. Denn Elbit hat versprochen, dass die PULS-Raketenartillerie für Deutschland die MLRS-Raketen nutzen kann – die die Bundeswehr ja bereits für MARS II im Arsenal hat. Im Sommer 2024 sagte Lockheed aber auf Nachfrage zu Defense News, dass dies nicht möglich sei.

„Unsere Reihe an MLRS-Munition kann nicht in das PULS-System integriert werden. Wenn sich Deutschland für PULS entscheidet, werden sie den Zugriff zu unseren Raketen verlieren“, sagte Howard Bromberg, Vizepräsident für Strategie und Geschäftsentwicklungen der Landstreitkräfte-Abteilung bei Lockheed.

Das könnte man beinahe als Drohung auslegen, dass man Deutschland zukünftig nicht mit neuen Raketen beliefern will, selbst wenn die Bundeswehr nach wie vor das Mars II nutzt. Das könnte die neue Precision Strike Missile (PrSM) betreffen, die in der aktuellen Version 500 km Reichweite hat. Eine Variante mit 1.000 km Reichweite ist in Planung. Ein MLRS-Pod kann 2 PrSM aufnehmen – ein GMARS könnte also 4 Stück PrSM starten.

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Schuss von Lockheed könnte nach hinten losgehen

Die Entscheidung der Integration der MLRS-Raketen in PULS liegt allerdings nicht nur bei Lockheed. Die US-Regierung müssen das OK dazu geben. Laut der deutschen Regierung werde dies gerade koordiniert.

Sollte die Freigabe dafür kommen, sollte sich Lockheed gut überlegen, ob man wirklich dazu steht, dass eine Integration „unmöglich“ ist. Das könnte Deutschland nämlich erst recht dazu motivieren, noch mehr PULS anzuschaffen, um die übrigen im Dienst befindlichen 40 Stück MARS II auszutauschen. Lockheed würde damit Deutschland also endgültig als Kunden für die MLRS-Munition verlieren.

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Auch andere Länder könnten das als Anstoß nehmen, um Abstand von amerikanischer Raketenartillerie zu nehmen – wenn die USA anscheinend nicht mal seine verbündeten NATO-Länder mit modernen Rüstungsgütern beliefern will. Aktuell wird HIMARS ua. von Polen, Rumänien und Singapur genutzt, Bestellungen gibt es derzeit von Australien, Kroatien und Italien. Schweden und Bulgarien sind interessiert.

PULS ist günstiger als HIMARS

Die Niederlande haben sich 2023 für PULS statt HIMARS entschieden. Die 20 HIMARS hätten 650 Millionen US-Dollar gekostet. Der Vertrag für 20 PULS wurde mit 130 Millionen US-Dollar abgeschlossen. Außerdem argumentierte das niederländische Verteidigungsministerium, dass Lockheed für Jahre ausgebucht sei und Elbit die PULS-Systeme deshalb schneller liefern könne.

Auch die Munition für PULS soll günstiger sein als für MLRS/HIMARS. Im September 2024 hat Elbit dazu mit dem deutschen Unternehmen Diehl Defence ein Abkommen geschlossen, um Munition für die europäischen PULS-Kunden bereitzustellen.

Bei den 5 PULS für Deutschland ist noch keine Munition erhalten – vermutlich, weil eben noch geklärt wird, ob die deutschen PULS die MLRS-Raketen abfeuern können. Abhängig davon wird dann geklärt, wie viel der PULS-Munition angeschafft wird.

Noch heuer sollen zumindest EXTRA-Raketen gekauft werden. Ab 2026 steht der Kauf weiterer Munition im Raum, spekuliert mit Predator Hawk und Delilah.

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PULS könnte auch Seeflugkörper starten

Noch weiter in die Zukunft gedacht, kann PULS dafür angepasst werden, um die in der Entwicklung befindliche Joint Fire Support Missile zu starten. Die JFS-M wird von MBDA für Deutschland entwickelt. Der Marschflugkörper soll eine Reichweite von mindestens 300 km haben. Ursprünglich war er für die Nutzung mit MARS II geplant.

Elbit hat zudem anklingen lassen, dass sich PULS auch für weitere Marschflugkörper anpassen lässt, die sich bereits im Arsenal der Bundeswehr und anderer europäischer Armeen befinden. Gerüchten zufolge soll dies etwa für die norwegische NSM möglich sein. Dabei handelt es sich um eine Antischiffsrakete mit Stealth-Eigenschaften, die auch Landziele bekämpfen kann.

Die schwedische Antischiffsrakete RBS15 Mk3, die ebenfalls gegen landziele eingesetzt werden kann, würde sich ebenso für PULS anbieten. Die NSM-Beschaffung für Fregatten der deutschen Marine läuft derzeit, die RBS15 ist bereits auf Korvetten im Einsatz.

Man kann davon ausgehen, dass es nicht bei den 5 Stück PULS für Deutschland bleiben wird. Sollte die Raketenartillerie so funktionieren, wie es vom Hersteller versprochen wird, wird die Bundeswehr vermutlich komplett auf PULS umsteigen. Der Bedarf wird bei etwa 50 Stück liegen, um alle MARS II zu ersetzen, die aktuell im Dienst sind und noch ein paar Stück in Reserve und für Übungen bereit zu haben.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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