Das Einschlagsloch in der Windschutzscheibe

Das Einschlagsloch in der Windschutzscheibe

© @clashreport / X

Militärtechnik

Schwert-Rakete im Mini-Format: Spekulationen um neue geheime Waffe

Israel geht derzeit massiv militärisch gegen die Terror-Miliz Hisbollah im Libanon vor. Neben konventionellen Raketen und Marschflugkörpern könnte bei einem Angriff eine exotische Waffe zum Einsatz gekommen sein. Diesen Rückschluss lassen zumindest Aufnahmen eines Autos zu, das Ziel einer Attacke geworden ist. 

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Die Fotos sind Ende vergangener Woche auf verschiedenen Online-Netzwerken wie X gepostet worden. Hier ein entsprechender Beitrag (Achtung: Auf einigen der Bilder im X-Post ist Blut und der verletzte Fahrer zu sehen). 

Einschlag mit ausklappbaren "Messern"?

In der Windschutzscheibe des beschädigten Autos ist ein Einschlagloch zu erkennen, das eine Kreuzform (siehe oben) aufweist. Das lässt manche Beobachter zu dem Schluss kommen, dass hier eine Schwert-Rakete zum Einsatz gekommen ist. 

Auch Beschädigungen innerhalb des Autos, wie  am Lenkrad und Schalthebel, die regelrecht durchschnitten aussehen, könnten diese Vermutung stützen. Der Fahrer wurde zumindest verletzt, über seinen Zustand ist nichts bekannt. Bilder von dem Geschoss selbst, das bei dem Vorfall genutzt wurde, gibt es nicht.

Eines der Fotos von X zeigt die Schäden im Auto

Was ist eine Schwert-Rakete?

Eine Schwert-Rakete ist mit der Hellfire R9X erstmals 2021 beim US-Militär aufgetaucht. Dabei handelt es sich um eine Rakete, die ihr Ziel nicht mithilfe von Sprengstoff neutralisiert.

Stattdessen werden "Klingen", in der Form von Metallstücken, kurz vor dem Aufprall ausgeklappt. Die Zielperson wird entweder durch den direkten Treffer oder durch die kinetische Energie ausgeschaltet, die beim Einschlag des Flugkörpers freigesetzt wird. 

Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Funktionsweise hat die Rakete, die bis heute noch offiziell als geheim gilt, einige Zusatzbezeichnungen. US-Medien beschreiben sie als “Bombe voller Schwerter”, bei der CIA nennt man sie "Flying Ginsu", nach einer in den 70er- und 80er-Jahren in den USA per Teleshopping vertriebenen Messermarke. Auch "Ninja Bombe" wird sie manchmal genannt, als Anspielung an Wurfsterne.

Der Vorteil dieser Art von Waffe: Da sie ohne Sprengstoff auskommt, können Kollateralschäden bei Angriffen weitestgehend vermieden werden - sollte sie das richtige Ziel treffen. Dadurch sollen Zivilisten, die sich zufällig in der Nähe der Zielpersonen befinden, verschont bleiben. 

Die USA schalteten etwa 2022 den Al-Qaida-Chef Aiman az-Zawahiri mit der Schwert-Rakete aus, als er sich auf dem Balkon seines Verstecks aufhielt. Er wurde getötet, das Haus nur minimal beschädigt. Bei einem Angriff mit einer konventionellen Rakete wäre wohl ein großer Teil des Gebäudes zerstört worden und es wäre zu mehreren Todesopfern gekommen.  

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War es wirklich eine Schwert-Bombe?

Das kreuzförmige Einschlagloch, das auf den jüngsten Bildern zu sehen ist, könnte durch die ausgeklappten Messer entstanden sein. Allerdings ist die Hellfire R9X viel zu groß, als dass sie ein solch kleines Loch hinterlassen würde. Zudem verfügt diese über 6 Messer, nicht über 4.

Eine mögliche Erklärung wäre, dass es sich um eine kleinere Variante einer solchen Waffe handelt. Dafür würde auch sprechen, dass Israels Militär auf dem neuesten Stand der Technik ist und immer wieder mit High-Tech-Kriegsgerät experimentiert.

Die Frage der Präzision

Es gibt aber auch einige Dinge, die dagegen sprechen. So stellt sich prinzipiell die Frage, ob eine derart kleine Rakete nach dem Schwert-Prinzip überhaupt funktionieren könnte. Sie müsste schon enorm präzise treffen, um ihre Zielperson auszuschalten. In diesem Fall hätte es nicht funktioniert, weil die Rakete anscheinend vor dem Fahrer im Auto eingeschlagen ist und nicht durch das Dach genau über ihm.

Technisch ließe sich eine ausreichend hohe Präzision zwar realisieren, aber schwierig. Denkbar wär etwa, dass die Rakete per Kamera und First-Person-Steuerung von einem Piloten ferngesteuert wird, ähnlich wie bei Loitering Munition. Bei einem so kleinen Ziel kann aber schon eine geringe Verzögerung in der Datenverbindung sorgen, dass das Ziel verfehlt wird - vor allem, falls es sich bewegt. 

Alternativ könnte Künstliche Intelligenz präzise Treffer erlauben, die die Bewegung des Ziels per Bilderkennung verfolgt und in die Flugbahn miteinberechnet. Eine bekannte technologische Lösung wäre, wenn das Ziel mit einem Infrarot-Laser markiert wird, entweder durch eine Beobachtungsdrohne oder eine Person vor Ort. Das stellt aber ebenfalls die Frage, warum die vermeintliche Mini-Schwert-Rakete nicht durchs Dach oder zumindest höher an der Windschutzscheibe eingeschlagen ist.

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Warum genau hier?

Offen bleibt auch die Frage, wieso Israel genau bei diesem einen Angriff auf eine solche kinetische Rakete hätte setzen sollen. Bei weiteren Attacken auf Hisbollah-Vertreter rund um die libanesische Hauptstadt Beirut kamen konventionelle Raketen und Marschflugkörper zum Einsatz. Genau dieses eine Ziel stattdessen mit einer bisher noch unbekannten Schwert-Bombe auszuschalten, erscheint unwahrscheinlich.

Ein Bild von der Rakete selbst kursiert derzeit nirgends, was eine andere Theorie wahrscheinlich macht. Es könnte eine Lenkrakete gewesen sein, die zwar das Ziel getroffen hat, aber nicht explodiert ist, etwa aufgrund einer Fehlfunktion. Das kreuzförmige Einschlagsloch auf der Windschutzscheibe könnte dabei nicht durch Messer, sondern durch das Leitwerk verursacht worden sein. Das könnte erklären, warum in den Videos und Fotos die Rakete bzw. deren Teile nicht zu sehen waren: Sie wurde abtransportiert, um den scharfen Gefechtskopf in sicherer Umgebung kontrolliert sprengen zu können.

Mehrere Rüstungsunternehmen arbeiten an besonders kleinen Lenkflugkörpern für Flugzeuge und Drohnen, die ungefähr zum Einschlag in der Windschutzscheibe passen würden. Das türkische Unternehmen Roketsan hat mit MAM-C etwas ein Model, das lediglich 70mm Durchmesser hat und einen Laserzielkopf nutzt.

Northrop Grumman aus den USA hat mit Hatchet ein ähnliches Waffensystem. Es hat 61mm Durchmesser, ist lediglich 33cm lang und 2,9kg schwer.

Keine Fehlfunktion, sondern absichtlich kein Sprengstoff?

Eine weitere Option wäre, dass Israel absichtlich den Sprengstoff aus dem Gefechtskopf entfernt hat. In der Vergangenheit hat Israel Raketen ohne Sprengstoff genutzt, um die Zivilbevölkerung vor bevorstehenden scharfen Luftangriffen zu warnen. Davon berichtete etwa die französische Presseagentur AFP im Jahr 2021.

Dass es in diesem Fall eine solche Warnung war, ist reine Spekulation. Auch für die Theorie, dass Israel einfach mal versucht hat, eine Rakete ohne Sprengstoff so wie eine Schwert-Rakete zu nutzen, weil es zB. noch keine eigenen Schwert-Raketen im Arsenal hat, gibt es derzeit keine Hinweise.

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