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Netzpolitik

Medienminister Blümel wirft Online-Giganten "Diebstahl" vor

"Online-Giganten machen Milliarden-Gewinne mit den Inhalten, die andere in harter Arbeit schaffen – ohne zu fragen und ohne zu bezahlen. Das ist Diebstahl im digitalen Raum!" schreibt der österreichische Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) in einem Brief an die EU-Abgeordneten, die am Dienstag über die Urheberrechtsreform abstimmen werden. "Was in der analogen Welt gilt, muss auch in der digitalen gelten. Wenn man in der analogen Welt geistiges Eigentum nicht stehlen darf, darf man es auch in der digitalen nicht. Genau das passiert aber derzeit."

Worauf sich Blümel bezieht

Blümel bezieht sich dabei auf das sogenannte Leistungsschutzrecht und "Artikel 11". Nachrichten-Aggregatoren wie Google News oder Facebook sollen sogenannte Snippets, beispielsweise Titel und Anreißer von Artikeln, in ihren Suchergebnissen nicht mehr kostenlos anzeigen dürfen. Es dürfen lediglich einzelne Wörter oder „ganz kurze Ausschnitte“ ausgespielt werden.

Das Recht soll bis zu fünf Jahre nach der Publikation gelten. Medienverlage wollen sich über diesen Weg einen Anteil an den Werbeeinnahmen sichern, die Google und andere Plattformen mit Anzeigen rund um die Teasertexte und Links zu Verlagsangeboten generieren. Ähnliche Regelungen in einzelnen Mitgliedstaaten sind zuvor aber gescheitert.

Lobbying und Desinformation

"Wir haben in den letzten Monaten eine riesige Welle des Lobbying und der Desinformation zu diesem Thema miterlebt. Es wurde enorme Verunsicherung erzeugt – mit Behauptungen, die nichts mit den Tatsachen und der Realität zu tun haben. Lassen Sie sich bitte davon nicht beeinflussen", geht der Brief weiter.

Das Wort "Upload-Filter" fehlt im gesamten Brief genauso wie das Wort "Leistungsschutzrecht". Es ist daher nicht konkret nachvollziehbar, auf welches "Lobbying" sich der Medienminister bezieht. Im Gegensatz zum deutschen Europa-Abgeordneten Daniel Caspary (CDU) bleibt Blümel in seinem Brief äußerst vage, was oder wen er genau meint. Caspary warf am Wochenende eine wilde Behauptung in den Raum, die mittlerweile als widerlegt gilt. "Wenn amerikanische Konzerne mit massivem Einsatz von Desinformationen und gekauften Demonstranten versuchen, Gesetze zu verhindern, ist unsere Demokratie gefährdet", sagte Caspary

Auch der EU-Budgetkommissar Günther Oettinger kritisierte in der "Bild"-Zeitung (Montag), dass Lobbyarbeit von großen Online-Plattformen hinter den Protesten stehe. Diese hätten "viel Geld für die Lobbyarbeit gegen unseren Vorschlag ausgegeben", so Oettinger in Anspielung auf IT-Riesen wie Google oder Facebook.

Am Samstag gingen in Europa rund 150.000 Personen auf die Straße, um gegen Teile der geplanten Urheberrechtsreform zu demonstrieren. "Demo-Geld" war dabei allerdings keines im Spiel, wie n-tv.de am Sonntag bereits in einem Faktencheck widerlegen konnte. Reisegeld für Personen aus der Zivilgesellschaft, die in Brüssel mit EU-Abgeordneten Gespräche führen wollten, gab es von der Bürgerrechtsorganisation EDRi, aber in geringem Ausmaß und nicht vergleichbar mit dem, was andere Organisationen ausgeben. "Die demokratiegefährdenden gekauften Demonstranten hat es nie gegeben", heißt es seitens n-tv.de.

Die Datenschutz-Aktivistin Katharina Nocun, schreibt dazu etwa auf Twitter: " Wer Reisekostenerstattung als etwas „anrüchiges“ darstellt bewirkt, dass das Feld in Brüssel noch mehr von hauptberuflichen Lobbyisten dominiert wird."

Die Urheberrechtslobby wirbt am Vorabend vor der wichtigen Abstimmung in Straßburg noch einmal um die Gunst der EU-Abgeordneten und lädt diese zu einem "Get-together" ein, wie aus einem via Twitter veröffentlichten Brief hervorgeht.

Wie es weitergeht

Die Abstimmung wird am Dienstag gegen 12.30 Uhr im EU-Parlament in Straßburg stattfinden. Sollten die Abgeordneten dem Vorhaben in Gänze zustimmen, würde es mit höchster Wahrscheinlichkeit noch vor der Europawahl Ende Mai beschlossen. Das Parlament könnte sich auch dafür aussprechen, einzelne Artikel zu streichen. Dann müssten die EU-Staaten dem anschließend allerdings zustimmen.

Falls sie das nicht tun, müssten Europaparlament und EU-Staaten erneut verhandeln. Diese Verhandlungen wären wohl erst, nachdem das neue Europaparlament Anfang Juli zusammengekommen ist. Sollte das Parlament den gesamten Vorschlag am Dienstag ablehnen - was als unwahrscheinlich gilt -, müsste ebenfalls erneut verhandelt werden.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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