FILE PHOTO: Silhouettes of laptop and mobile device users are seen next to a screen projection of Whatsapp logo in this picture illustration
© REUTERS / Dado Ruvic

Netzpolitik

ÖVP will bei WhatsApp mitlesen, sagt aber nicht wie

Die Debatte um den strittigen Bundestrojaner, der nach Plänen der ehemaligen türkis-blauen Regierung ab 1. April 2020 Messengerdienste und verschlüsselte Nachrichten überwachen soll, ist noch gar nicht abgeklungen, überrascht die ÖVP nun mit einer weiteren Aussage zu dem Thema. Wie aus einer Fragenbeantwortung auf wahlkabine.at hervorgeht, will sie WhatsApp und Co zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung überwachen lassen - und zwar "ganz ohne Bundestrojaner".

Ohne "Bundestrojaner"?

„Mit der Möglichkeit der Überwachung verschlüsselter Nachrichten (z.B. WhatsApp) bekämpfen wir Terrorismus und schwere Kriminalität – ganz ohne ,Bundestrojaner‘. Die neuen Ermittlungsmethoden umfassen höchste Rechtsschutzstandards und werden nur individuell und nach richterlichem Beschluss eingesetzt“.

Auf Nachfrage der futurezone, was mit den "neuen Ermittlungsmethoden" gemeint ist, und wie das Mitlesen bei verschlüsselten WhatsApp-Nachrichten ohne Bundestrojaner technisch überhaupt möglich sein soll, bleibt die Partei aber Antworten schuldig.

"Wir müssen unsere Behörden mit maßvollen aber notwendigen Instrumenten ausstatten, um Terror und schwerste Verbrechen aufklären zu können. Dazu zählte auch ein Schließen bisheriger Gesetzeslücken", teilt ÖVP-Sprecher Jochen Prüller mit. Nach gerichtlicher Genehmigung müsse die Justiz auf verschlüsselte Kommunikation wie bei Skype und WhatsApp zugreifen können, um Daten als Beweis für die Strafverfolgung nutzen zu können.

Telekommunikationsunternehmen als Ziel?

Da die ÖVP auch auf mehrmaliges Nachfragen nicht präzisieren wollte, kann hier nur spekuliert werden. Möglicherweise schwebt der ÖVP vor, WhatsApp zur Kooperation mit Behörden zwingen zu können, indem die Facebook-Tochter Behörden Schnittstellen für den Datenzugriff einrichten muss. Diese und ähnliche Forderungen hat die EU-Kommission bereits vor Jahren erhoben. Wie WhatsApp das bewerkstelligen könnte, ist unklar. Durch die Verschlüsselung hat das Unternehmen aktuell selbst keinen Einblick in kommunizierte Inhalte seiner Nutzer.

Im Mittelpunkt derartiger Forderungen steht das Bestreben, Plattformen wie Skype, WhatsApp, aber etwa auch Gmail als elektronische Telekommunikationsdienste einstufen zu lassen, die strengeren Vorgaben und etwa einem einfacheren Zugriff von Behörden auf dort generierte Daten unterworfen sind. In Deutschland scheiterte die Bundesnetzagentur nach sieben Jahren Rechtsstreit aber genau daran.

Absage vor EuGH

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Webdienste wie Gmail auch künftig nicht den deutschen Telekommunikationsbestimmungen unterliegen und deshalb eben nicht die gleichen Pflichten und Auflagen wie ein Telefonanbieter, Mobilfunker oder ein Internetprovider erfüllen müsse. Angesichts dieses Urteils erscheint auch dieser möglicherweise ins Auge gefasste Weg, bei WhatsApp mitlesen zu können, für die ÖVP von vornherein versperrt.

Ob die bei wahlkabine.at getätigte Aussage, Kommunikation künftig ohne "Bundestrojaner" überwachen zu wollen, einen generellen Sinneswandel der ÖVP beschreibt, blieb auf Nachfrage der futurezone ebenfalls unbeantwortet. Wie die bereits beschlossene Überwachungssoftware ab 2020 eingesetzt werden soll und ob ein derartiges Programm bereits angekauft wurde, beschäftigte zuletzt sogar die österreichischen Verfassungsrichter - der Ausgang der gesamten Causa ist derzeit offen.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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