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Netzpolitik

Kritik an Reparaturpflicht: EU-Vorschlag "zu lax"

Wenn ein Haushalts- oder Elektronikgerät kaputt ist, versuchen immer mehr Menschen, es zuerst selbst zu reparieren, und erst dann zu ersetzen, wenn nichts mehr geht. Das liegt nicht nur daran, dass die Anschaffung eines neuen Geräts mehr kostet. Vielen ist auch bewusst, dass es notwendig ist, mit den Ressourcen des Planeten sorgsam umzugehen.

Plastikteile als Reparaturproblem

Doch oft scheitern eigene Reparaturversuche relativ rasch an Plastikteilen, wie zahlreiche Nutzer*innen gegenüber der futurezone berichten. Jemand hat etwa versucht, seine 3 Monate alten Kopfhörer zu reparieren. „Im Metallbügel hat sich ein Plastiksegment versteckt, das abgebrochen ist. Der Kopfhörer war ohne diesem nicht mehr stabilisierbar“, erzählt ein Mastodon-Nutzer.

Rein theoretisch könnte man diese Plastikteile im 3D-Drucker nachdrucken und damit ersetzen. Doch in der Praxis gestaltet sich das als nicht so einfach: „Oftmals bestehen Verschlüsse und Scharniere nur aus kleinen Kunststoffnasen an einem großen Kunststoffteil. Um das nachzudrucken, bräuchte man das 3D-Modell“, heißt es etwa.

„Alternativ druckt man nur das abgebrochene Teil und konstruiert eine Aufnahme dafür, um das am kaputten Restteil zu befestigen. Resultat ist dann Frankensteins Monster“, so einer, der das bereits versucht hat. „Plastikteile sind oft so gestaltet, dass sie beim Auseinandernehmen zwingend zerbrechen“, erzählt noch jemand.

Gründe, warum Reparaturen scheitern können:

Konstruierte Produkte ohne Reparaturfähigkeit

Viele dieser Reparaturversuche scheitern nicht am Können oder Wollen der Nutzer*innen, sondern daran, dass die Produkte von Beginn an nie reparaturfähig konstruiert worden sind. Genau dies fordert nun Kilian Kaminski, Co-Gründer von Refurbed, einem Online-Marktplatz für Refurbished-Produkte und Mitglied des europäischen Verbands für Refurbishment. „Produkte müssen reparaturfähig konstruiert werden“, so Kaminski. In der Praxis müsse es auch ein Verbot von Praktiken geben, die die Reparatur gar aktiv behindern oder einschränken.

Vergangene Woche hatte die EU-Kommission ihren Gesetzesvorschlag zum „Recht auf Reparatur“ vorgestellt. Derartige Ideen sind darin allerdings nicht enthalten. Stattdessen steht in dem Entwurf etwa drin, dass Verkäufer im Rahmen der gesetzlichen Garantie dazu verpflichtet werden sollen, eine Reparatur anzubieten. „Es sei denn, sie ist teurer als ein Austausch“, heißt es dazu.

Reparatur vor Ersatz müsste ins Gesetz rein

„Solange Hersteller beschädigte Produkte ersetzen dürfen, wenn dies billiger als eine Reparatur ist, werden sie das Design ihrer Produkte nicht anpassen“, sagt dazu Kaminski. Er plädiert darauf, dass der Grundsatz „Reparatur vor Ersatz“ gesetzlich verankert werden müsste. „Der aktuelle EU-Vorschlag ist nicht stark genug.“

Konkret bedeutet das: Die EU-Kommission will mit ihrem Vorschlag zwar verhindern, dass Produkte unnötig weggeworfen werden müssen, setzt die Maßnahmen aus Sicht des Reparatur-Experten aber „zu lax“ an. Hersteller sollen zwar „Möglichkeiten schaffen, dass Produkte, die repariert werden können, auch repariert werden“, aber sie werden nicht in die Pflicht genommen, ihre Geräte künftig anders zu entwickeln.

Es braucht Baupläne und Wartungsinformationen

In der Praxis berichten viele futurezone-Leser*innen, die Gegenstände selbst reparieren wollten, davon, dass Reparaturen oft aktiv verhindert werden. Etwa weil Teile so miteinander verwoben sind, dass man sie nicht auseinandernehmen kann oder man „Spezialwerkzeuge“ benötigen würde, um diese Teile auszutauschen.

Auch der Refurbed-Co-Gründer bestätigt dies. „Es braucht auch die Erlaubnis für unabhängige Marktteilnehmer*innen, Produkte mit Ersatzteilen zu warten. Dazu werden aber etwa Reparatur- und Wartungsinformationen benötigt, einschließlich Diagnosewerkzeuge und Updates“, sagt Kaminski. Ohne diese können externe Firmen oder private Nutzer*innen viele Geräte nämlich nicht reparieren.

Quasi-Monopol für Hersteller zu befürchten

„Der aktuelle EU-Vorschlag könnte Herstellern ein Quasi-Monopol auf Reparatur einbringen, da sie nicht ausreichend verpflichtet sind, die erforderlichen Informationen zugänglich zu machen“, warnt Kaminski. Das „Recht auf Reparatur“ müsse daher viel mehr vorsehen, als es im EU-Gesetzesvorschlag bisher beinhaltet ist.

Für Verbraucher*innen, die Geräte etwa gerne selbst reparieren würden, wünscht sich Kaminski etwa einen „EU-Repair-Score“. „Verbraucher*innen müssen über die richtigen Informationen verfügen, um eine bewusste Kaufentscheidung treffen zu können. So ein Score könnte darüber informieren, ob ein Produkt repariert werden kann und wie einfach das ist“, so der Refurbed-Co-Gründer.

Noch viel Spielraum beim EU-Gesetzesentwurf

Der EU-Gesetzesentwurf kommt als Nächstes ins EU-Parlament und in den EU-Ministerrat. Dort besteht noch die Möglichkeit, dass Vorschläge wie jene von Kaminski eingebracht werden und sich am Ende noch wichtige Verbesserungen erreichen lassen.

Dinge zu reparieren, statt wegzuschmeißen, liegt in Österreich auf jeden Fall bereits jetzt voll im Trend: Nicht umsonst wurde der Reparaturbonus seit seiner Einführung vor einem Jahr bereits 525.000 Mal in Anspruch genommen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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