Was das "Ja" zur EU-Urheberrechtsreform jetzt bedeutet
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Trotz massiver Proteste in ganz Europa hat sich am Dienstag eine Mehrheit von 348 zu 274 EU-Abgeordneten für die EU-Urheberrechtsreform als Gesamtpaket ausgesprochen. Die Mehrheit sieht satt aus, aber knapp war es am Ende dennoch: Nur fünf Stimmen haben nämlich gefehlt, um über die einzelnen Artikel 11 und 13 mittels Änderungsanträgen einzeln abzustimmen. Damit hätten Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht noch verhindert werden können. Doch knapp, oder nicht: Jetzt kommt die Reform so gut wie fix. Der EU-Rat muss noch einmal sein OK geben, die Zustimmung wird noch vor der EU-Wahl im Mai erwartet.
Was bedeutet das jetzt?
Das bedeutet, dass Internetplattformen, bei denen nutzergenerierte Inhalte hochgeladen werden können, zu Vorabkontrollen aller hochgeladenen Inhalte verpflichtet werden. In Artikel 13 steht, dass Online-Plattformen künftig dafür haften, wenn unerlaubt urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wird. Sie sollen sich darum bemühen, Lizenzen für geschützte Inhalte abzuschließen, was heißt, dass die Plattformen Lizenzgebühren abführen müssten. Bisher haftete bei Verletzungen der einzelne Nutzer. Plattformen sollen nun aktiv gegen Rechtsbrüche vorgehen, indem sie nach einem Hinweis der Rechteinhaber Inhalte entfernen.
Dazu sind technisch gesehen Uploadfilter erforderlich, auch wenn diese nicht im Gesetz stehen. Das sind technische Maßnahmen, die das Material schon während des Hochladens prüfen. Sie können nicht zwischen rechtsverletzenden und legalen Werknutzungen unterscheiden. Zur legalen Werknutzung zählt etwa das Hochladen von Inhalten, die vom Urheber für bestimmte Zwecke frei zur Verfügung gestellt wurden. Es könnten aber auch versehentlich Inhalte blockiert werden, die vom Zitatrecht Gebrauch machen oder Satire sind. Auch Bilder und Videos, die etwa für Memes oder Parodien verwendet werden, könnten automatisch als Urheberrechtsverstoß ausgefiltert werden, obwohl diese in der Reform explizit ausgenommen und erlaubt worden sind.
Wer in Österreich zugestimmt hat
Aus diesem Grund gibt es zahlreiche negative Kommentare zur Abstimmung von Internet-Pionieren. Nach der Abstimmung zeigte sich etwa der US-Whistleblower Edward Snowden enttäuscht und rief per Tweet dazu auf, nicht für die Parteien zu stimmen, die der Urheberrechtsreform zugestimmt haben. Konkret sprach er eine „Anti-Wahlempfehlung“ für die CDU/CSU aus. Auch die österreichischen Abgeordneten der ÖVP haben der Reform geschlossen zugestimmt. Die SPÖ, Grüne und NEOS haben dagegen gestimmt, die FPÖ-Abgeordneten haben sich enthalten. Bei der SPÖ hat offenbar ein Abgeordneter bei der Abstimmung gefehlt.
Das Leistungsschutzrecht könnte wiederum bald dafür sorgen, dass Dienste wie Google News in Europa gänzlich eingestellt werden. Ein entsprechendes Gesetz in Spanien hat bereits dazu geführt und Google hatte diesen Schritt mehrfach angekündigt, sollte die EU-Urheberrechtsreform durchgehen. Das würde für Verlagshäuser weniger Klicks auf ihre Online-Inhalte bedeuten. Sie erhoffen sich jedoch zugleich, satte Gewinne durch eine sogenannte „Link Tax“. In Deutschland, wo ein derartiges Gesetz bereits ebenfalls existiert, wurden für Google oder Facebook aber zahlreiche Ausnahmen – und keine Einnahmen - geschaffen.
"Schwarzer Tag für Netzfreiheit"
„Heute ist ein schwarzer Tag für das Internet“, sagte Bernhard Hayden, Urheberrechtsexperte der digitalen Grundrechtsorganisation epicenter.works, die mit der Kampagne pledge2019.eu dafür gesorgt hatte, dass Bürger in ganz Europa mit ihren EU-Abgeordneten telefonieren konnten. „Das Europäische Parlament widersetzt sich nicht nur der eindringlichen Warnungen der führenden europäischen Urheberrechtsexperten sowie des UN Sonderberichterstatters für den Schutz der Meinungsfreiheit, sondern schlägt mit der Zustimmung zu dieser Reform einer ganzen Generation vor den Kopf.“ Mit mehr als fünf Millionen Unterschriften zählte die Petition gegen Artikel 13 zu der größten Unterschriftensammlung aller Zeiten und war größer als eine rund um Hillary Clinton.
Die EU-Abgeordnete Julia Reda, die sich massiv gegen Artikel 13 ausgesprochen hatte, sieht ebenfalls einen „schwarzen Tag für die Netzfreiheit“. Der Datenschutzaktivist Max Schrems verweist in einem Tweet darauf, dass jetzt sehr viel von der nationalen Umsetzung der Richtlinie in Österreich abhänge. Bei einer EU-Richtlinie haben die einzelnen Nationalstaaten nämlich noch einen Spielraum bei der Umsetzung. Die EU-Länder haben zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzuwandeln.
Reaktionen der Parlamentarier
„Eine Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten (Anmerkung: aus anderen Ländern) und Liberalen hat gegen das freie Internet gestimmt und ignoriert die Sorgen und Proteste der rund 200.000 Menschen, die am Samstag für das freie Internet demonstriert haben und Millionen weiterer, die sich im Netz für ein freies Internet artikulieren und dafür kämpfen“, reagiert der Grüne Bundessprecher und EU-Spitzenkandidat Werner Kogler auf die Abstimmung und Billigung des umstrittenen EU-Urheberrechts im europäischen Parlament.
Michel Reimon, Co-Delegationsleiter der Grünen, fügt hinzu: “ Axel Voss und die Konservativen verstehen das Internet nicht, sie verstehen auch Künstler nicht. Durch ihren Vorschlag werden die Technologie- und Medienriesen das Internet, wie wir es kennen, bestimmen und seine Vielfalt einschränken.“
„Überall in Europa haben Millionen Menschen Petitionen für die Freiheit des Internets unterzeichnet. Ich gehe davon aus, dass die heute beschlossene Regelung vor dem Europäischen Gerichtshof landen wird“, betont Josef Weidenholzer, Vizepräsident der Sozialdemokraten und zuständig für Digitales.
Besorgt reagiert Angelika Mlinar, NEOS-Europaabgeordnete, auf die heutige Abstimmung zur Reform der Urheberrechtsrichtlinie, mit der der überaus gefährliche Upload-Filter beschlossen wurde: „Das sind sehr schlechte Nachrichten für das freie Internet.“
Die ÖVP und FPÖ haben bisher noch keine Aussendung zur Abstimmung ausgesandt.
Axel Voss und Gernot Blümel
Der deutsche CDU-Europapolitiker Axel Voss hat die Zustimmung des Europaparlaments zum neuen Urheberrecht als „Siege für die Demokratie“ gewertet. „Mit der Reform schaffen wir erstmals Rechtssicherheit für private User, die Musik oder Videos ins Internet stellen“, sagt Voss, der das Vorhaben federführend mit den EU-Staaten verhandelt hatte, am Dienstag nach der entscheidenden Abstimmung im Parlament.
„Europa muss auf Augenhöhe im Wettbewerb mit den Online-Giganten kommen. Dazu ist die Herstellung gleicher Rahmenbedingungen Grundvoraussetzung“, betonte Blümel. „Was in der analogen Welt gilt, muss auch in der digitalen gelten“, so der Minister, der zugleich ankündigte, dass an der nationalen Umsetzung der Richtlinie „unmittelbar gearbeitet“ werden müsse.
Unterschiedliche Wahrnehmungen
„Das Ziel der Reform war ein modernes und internetfittes Urheberrecht, das den kreativen Austausch fördert und eine faire Entlohnung der Kulturschaffenden sicherstellt. Der heutige Beschluss bringt genau das Gegenteil mit sich und wird sich als Bremsklotz für den digitalen Fortschritt in Europa herausstellen“, warnt der Verband Österreichischer Service Provider (ISPA).
Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft, begrüßt die Abstimmung: „Die Copyright-Richtlinie ist ausgewogen und fair, neben den Kreativen stärkt sie auch die Rechte der User. Wir danken den Abgeordneten und den vielen Experten, die in den letzten zwei Jahren intensiv an der Richtlinie gearbeitet und sie heute ins Ziel gebracht haben. Das Europäische Parlament hat wohl überlegt entschieden und sich auch nicht durch die Kampagne der Gegner des Urheberrechts verunsichern lassen. Ein guter Tag für die Europäischen Kreativen!“
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