Liveticker: EU-Parlament stimmt Urheberrechtsreform zu
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Am Dienstag ist im EU-Parlament Tag der Entscheidung für die höchst umstrittene Reform des Urheberrechts. Der Debatte und der geplanten Abstimmung gingen zahlreiche Diskussionen und Proteste voraus. Befürworter des Gesetzes sprechen davon, dass Inhalte von Kreativen nun besser geschützt seien. Kritiker sehen durch Maßnahmen wie Uploadfilter die Freiheit des Internets in Gefahr. Alles, was ihr wissen müsst, haben wir vorab schon zusammengefasst.
Wie die Abstimmung ausgegangen ist, könnt ihr im Live-Ticker nachlesen sowie hier:
Urheberrechtsvoting im EU-Parlament
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"Trauriger Tag für Start-ups"
Markus Raunig von Austrian Startups vermeldet:
Das ist ein trauriger Tag für Startups in Europa. Die großen Player haben erfolgreich gegen Wettbewerb & Innovation angekämpft und bekommen den bestellten Protektionismus, um ihre Oligopole zu schützen.
Die nun notwendigen Uploadfilter sind ein weiterer Stolperstein für junge aufstrebende Plattformen aus Europa und werden die Vormachtstellung von Facebook, Google & co weiter stärken. Während diese großen Giganten die dafür notwendigen Investments stemmen können, werden kleinere Plattformen die Technologie vermutlichen von ihnen kaufen müssen. Da helfen die angekündigten Ausnahmeregeln für Startups wenig - denn auch nach 3 Jahren werden kleine Plattformen hier kaum selbst aktiv werden können - was bleibt ist ein zusätzlicher Kostenpunkt und womöglich eine direkte technologische Abhängigkeit vom großen Konkurrenten.
Das Leistungsschutzrecht hat schon in Deutschland und Spanien nicht funktioniert und teilweise sogar kleinen Medienplattformen geschadet. Wir befürchten, dass wir dadurch weniger Nachrichten von unabhängigen Publishern & Medien-Startups sehen und große Verlage ihre Macht dadurch besser absichern werden können.
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Michel Reimons Engagement
Während der Live-Stream in Österreich down war, hielt der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon noch einmal eine Rede.
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Zusammenfassung
Wir haben jetzt alle Reaktionen, was die Reform jetzt konkret bedeutet und wie es weiter geht in einem eigenen Artikel zusammengefasst und verabschieden uns nun aus dem Live-Ticker! Danke fürs Mitlesen!
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Abstimmung
Noch einmal: Eine Mehrheit von 348 zu 274 EU-Abgeordneten hat für die EU-Urheberrechtsreform als Gesamtpaket gestimmt. Die Mehrheit sieht satt aus, aber knapp war es am Ende dennoch: Nur fünf Stimmen haben nämlich gefehlt, um über die Artikel mittels Änderungsanträgen einzeln abzustimmen. Damit hätten Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht noch verhindert werden können.
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Axel Voss bei der Abstimmung
Dieses Foto zeigt Axel Voss bei der Abstimmung
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Reaktionen von Axel Voss und Julia Reda
Der CDU-Europapolitiker Axel Voss hat die Zustimmung des Europaparlaments zum neuen Urheberrecht als „Siege für die Demokratie“ gewertet. „Mit der Reform schaffen wir erstmals Rechtssicherheit für private User, die Musik oder Videos ins Internet stellen“, sagt Voss, der das Vorhaben federführend mit den EU-Staaten verhandelt hatte, am Dienstag nach der entscheidenden Abstimmung im Parlament. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, die Prinzipien des Rechtsstaats gelten auch im Netz.“
Die schärfste Kritikerin des Vorhabens, Piraten-Politikerin Julia Reda, sprach auf Twitter hingegen von einem schwarzen Tag für die Netzfreiheit. Der SPD-Europapolitiker Tiemo Wölken, ebenfalls prominenter Gegner von Teilen der Reform, sagte: „Die Parlamentsmehrheit ignoriert die Stimmen hunderttausender junger Menschen.“ -
Die Gegner wollen den Kamp jetzt in den Mitgliedsstaaten weiterführen
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Der "einheitliche Digitalmarkt" in Europa hat auch seine Ansichten, scheint's
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Dem Edward Snowden ist das Ergebnis einen Tweet auf Deutsch wert
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Die Juristen werden noch ihren Spaß haben mit der Umsetzung.
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Der Defätismus bekommt auch seinen Platz
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Jetzt wird das Stimmverhalten der Österreicher analysiert. Enthaltung und Abwesenheit bei einem Thema, das mehr als hunderttausend Menschen auf die Straße gebracht hat? Schändlich.
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Das Ergebnis verführt zu biblischen Vergleichen.
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Der Sascha Lobo nimmt's vorerst sportlich.
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Reaktionen
Wir sammeln nun auch ein paar Reaktionen.
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Artikel 11 ebenfalls in der Kritik
Im „Artikel 11“ der Reform ist ein Leistungsschutzrecht vorgesehen. Auch dieses ging durch und ist nun beschlossene Sache. Nachrichten-Aggregatoren wie Google News oder Facebook sollen sogenannte Snippets, beispielsweise Titel und Anreißer von Artikeln, in ihren Suchergebnissen nicht mehr kostenlos anzeigen dürfen. Es dürfen lediglich einzelne Wörter oder „ganz kurze Ausschnitte“ ausgespielt werden. Das Recht soll bis zu fünf Jahre nach der Publikation gelten. Medienverlage wollen sich über diesen Weg einen Anteil an den Werbeeinnahmen sichern, die Google und andere Plattformen mit Anzeigen rund um die Teasertexte und Links zu Verlagsangeboten generieren. Ähnliche Regelungen in einzelnen Mitgliedstaaten sind zuvor gescheitert.
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Urheberrechtsreform ist nun beschlossene Sache
Enthalten sind alle umstrittenen Artikel wie Artikel 11 und Artikel 13.
Was wird sich jetzt ändern?
Online-Plattformen, bei denen nutzergenerierte Inhalte hochgeladen werden können, sollen mit „Artikel 13“ in die Verantwortung genommen werden. Darin steht, dass Online-Plattformen künftig dafür haften, wenn unerlaubt urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wird. Sie sollen sich darum bemühen, Lizenzen für geschützte Inhalte abzuschließen, was heißt, dass die Plattformen an die Künstlervertretungen – zumeist: Verwertungsgesellschaften – Lizenzgebühren abführen müssen. Bisher haftete bei Verletzungen der einzelne Nutzer. Plattformen sollen nun aktiv gegen Rechtsbrüche vorgehen, indem sie nach einem Hinweis der Rechteinhaber Inhalte entfernen. Sie sollen aber auch dafür sorgen, dass diese Inhalte nicht noch einmal hochgeladen werden.
Auch wenn Upload-Filter nicht im Gesetzestext stehen, erachten Plattformen diese als notwendig. Sie können nicht zwischen rechtsverletzenden und legalen Werknutzungen unterscheiden. Zur legalen Werknutzung zählt etwa das Hochladen von Inhalten, die vom Urheber für bestimmte Zwecke frei zur Verfügung gestellt wurden. Es könnten aber auch versehentlich Inhalte blockiert werden, die vom Zitatrecht Gebrauch machen oder Satire sind. Auch Bilder und Videos, die etwa für Memes oder Parodien verwendet werden, könnten automatisch als Urheberrechtsverstoß ausgefiltert werden, obwohl diese in der Reform explizit ausgenommen und erlaubt worden sind.
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Abstimmung zu Ende
Die EU-Urheberrechtsreform ist angenommen: 348 dafür, 274 dagegen, 36 Enthaltungen.
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Abstimmung hat begonnen
Der erste Antrag, die EU-Urheberrechtsreform komplett neu auszuverhandeln, ist gescheitert.
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Abstimmung live
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Österreichische EU-Abgeordnete twittern
Auch die sozialdemokratische EU-Parlamentarierin Evelyn Regner hat zu dem Thema getwittert. Aus ihrem Screenshot aus der Debatte geht hervor, wie wenig Personen anwesend gewesen sind.
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Österreichische EU-Abgeordnete twittern
Michel Reimon von den Grünen wird gegen die EU-Urheberrechtsreform stimmen. Er twitterte heute mehrfach dazu.
"Urheberrechtsdiskussion im EP-Plenum. CDU-Abgeordnete sagt: "Wer gegen diesen Vorschlag ist, unterstützt kapitalistische Großkonzerne" und die Konservativen klatschen dazu. Wir implodieren bald in einem Logikwölkchen."
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Jung vs. Alt Diskussion rund um YouTuber
Vor allem - aber nicht nur - junge Leute waren am Wochenende auf der Straße, um gegen Artikel 11 und Artikel 13 zu protestieren. Viele junge Menschen informieren sich auf YouTube über aktuelle Nachrichten, wie diverse Studien zum Mediennutzungsverhalten belegen. Nicht alle YouTuber sind gleich gut über die Reform informiert (wie nicht alle Medien gleich gut informiert sind), manche aber sehr gut. Axel Voss ist der Meinung, dass junge Menschen leicht(er) von großen Konzernen manipulierbar seien und Dinge glauben, die so gar nicht stimmen und von Großkonzernen instrumentalisiert wurden, um auf die Straße zu gehen. Dies ist sicherlich nicht der Fall. Junge Menschen informieren sich einfach anders - und das ist nicht automatisch schlechter. Viele YouTuber (in Österreich z.B. Venicraft) informieren heutzutage genauso gut, wie "traditionelle" Medien. Deswegen werden YouTuber auch immer öfter auch zu Pressereisen zusammen mit Journalisten eingeladen.
Dieser vermeintlichen Generationendiskussion zwischen jung und alt können zudem nicht alle etwas abgewinnen und die ganze Diskussion ist nicht so schwarz-weiß, wie sie oft dargestellt wird.
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Drei Szenarien
Bei der Abstimmung gibt es ein genaues Prozedere. Wir erklären euch, auf was ihr euch einstellen dürft:
1. Alles zurück zum Anfang
Zu Beginn steht ein Antrag zur Abstimmung (Amendment 266 der EEDD Gruppe), bei dem es darum geht, die Urheberrechtsreform als Ganzes zu kippen und komplett von vorne zu beginnen. Laut der EU-Parlamentarierin Julia Reda gilt dieses Szenario als "komplett unwahrscheinlich."
2. Änderungsanträge
Als nächstes wird darüber abgestimmt, ob bestimmte Änderungen an der Reform möglich sein dürfen. Axel Voss wird die EU-Parlamentarier in einer Rede davon zu überzeugen versuchen, warum dies keine gute Idee sei. Wenn die Mehrheit dafür ist, Änderungen zuzulassen, gehen die Abgeordneten den Richtlinienentwurf einzeln durch und behandeln alle Änderungsanträge einzeln. Das betrifft vor allem die umstrittenen Artikeln 11 und 13.
Fällt Artikel 11 oder 13 oder beides durch, wird dann noch einmal im Ganzen über die geänderte Reform abgestimmt. Diese wird dann noch einmal dem Rat der Europäischen Union und der EU-Kommission vorgelegt werden. Eine finale Entscheidung über die Reform vor der EU-Wahl gilt dann als unwahrscheinlich. Erst nach der EU-Wahl im Mai mit einem neu besetzten Parlament und einer neuen Kommission wird das Thema noch einmal aufgemacht.
3. Reform als Ganzes hop oder drop
Sollte man sich nicht darauf einigen, dass noch Änderungen bei der Abstimmung zugelassen werden, geht es bei der Abstimmung darum, ob diese als Ganzes angenommen oder abgelehnt wird. Wird die Reform als Ganzes angenommen, ist die Richtlinie mitsamt Artikel 11 und 13 so gut wie beschlossene Sache. Der Europäische Rat muss noch zustimmen, was als Formsache gilt. Nur die EU-Abgeordnete Julia Reda warnt davor, dass der deutsche Justizminister gegen Uploadfilter sei und die Reform noch kippen könnte. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationale Gesetze zu fassen. Anders als bei einer EU-Verordnung haben sie dabei einen gewissen Interpretationsspielraum.
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Julia Reda gegen die Reform
Die schärfste Kritikerin des neuen Urheberrechts im Europaparlament, Julia Reda, hat die Abgeordneten dazu aufgerufen, Änderungen an der geplanten Reform vorzunehmen. „Noch nie hat es einen derart breiten Protest gegen eine EU-Richtlinie gegeben“, sagte die Piraten-Politikerin am Dienstag während einer hitzigen Debatte im Europaparlament. Sie verweist auf mehr als fünf Millionen Menschen, die auf Change.org eine Petition unterschrieben haben und die hundertausenden Demonstranten, die am Samstag quer durch Europa ihren Protest auf der Straße ausgedrückt haben.
Die Reform hätte in ihrer jetzigen Form nicht nur verheerende Folgen für das Internet, sondern würde auch einer ganzen Generation das Vertrauen in die Politik nehmen, und das Gefühl von Machtlosigkeit würde sie prägen, sagte Reda. Sie wurde bei ihrer Rede mehrfach von konservativen Abgeordneten unterbrochen und musste diese zurechtweisen.
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Axel Voss wirbt für Zustimmung
Bei der Debatte hat der CDU-Europapolitiker Axel Voss an die Abgeordneten appelliert, der Reform zuzustimmen. Es gehe um die Frage, inwieweit der Eigentumsbegriff in die digitale Welt gerettet werden könne, sagte Voss, der das Vorhaben federführend mit den EU-Staaten verhandelt hat, am Dienstag im Europaparlament. „Wollen wir im Internet am Ende alles erlauben oder haben wir noch den Schutz von Werten?“, fragte Voss die anderen Abgeordneten.
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Politiker auf Twitter
Während Axel Voss, der Berichterstatter zur Urheberrechtsnovelle, heute noch nichts getwittert hat, schreibt die Piratin Julia Reda auf Twitter zur Debatte im Parlament:
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Offene Briefe an die Abgeordneten
Die Reform gilt als stark umstritten und kaum gab es so viele Wortmeldungen zu einem EU-Gesetz wie bei der Urheberrechtsdebatte. Sogar am heutigen Tag der Entscheidung gibt es noch offene Briefe an die EU-Abgeordneten. Der Präsident des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC), Fred Turnheim, ersuchte heute etwa alle Abgeordneten zum Europäischen Parlament der Reform des europäischen Urheberrechts in der jetzigen Fassung nicht zuzustimmen.
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger dient ausschließlich dazu, den Verlegern ein Körberlgeld zu ermöglichen. Wie hoch der zu refundierende Anteil für die Journalistinnen und Journalisten ist, wird nicht geregelt, so Turnheim.
Am Vortag wandte sich Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) mit dem völlig entgegengesetzten Anliegen an die Abgeordneten. Die Abgeordneten sollten sich „nicht einreden“ lassen, „dass eine Streichung von Artikel 13 im Rahmen der Abstimmung eine Möglichkeit ist“, so Blümel. „Damit würde die gesamte Richtlinie wieder in den Trilog gehen und eine Lösung wird damit zerstört.“
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Live-Debatte im EU-Parlament
Seit 9 Uhr früh läuft im EU-Parlament in Straßburg die letzte Debatte vor der Abstimmung über die EU-Urheberrechtsreform. Ihr könnte sie hier im Livestream verfolgen.
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