Europäische Vielfalt bei Netzneutralität
Europäische Vielfalt bei Netzneutralität
© Michael Wesseng

Deutschland

Zahnlose Umsetzung der Leitlinien zur Netzneutralität

Am Montag wurde im Deutschen Bundestag über die Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) diskutiert. Dabei hatten auch Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen die Gelegenheit, ihre Stellungnahmen einzubringen. Dies tat auch Thomas Lohninger vom österreichischen Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat). Lohninger befürchtet, dass die Richtlinien der Telekom-Regulierungsbehörden zur Netzneutralität „zahnlos“ umgesetzt werden.

"Keine abschreckende Wirkung"

Die EU-Netzneutralitätsverordnung sieht vor, dass Nationalstaaten Strafen erlassen müssen. Konkret steht darin: „Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“ Doch laut Lohninger ist dies bei der TKG-Novelle nicht der Fall. „Die geplante Umsetzung im Telekommunikationsgesetz hat keine abschreckende Wirkung für große Konzerne“, so Lohninger vorm Deutschen Bundestag. Grund dafür ist, dass es für die meisten Delikte wie Drosseln, Zero-Rating sowie Spezialdienste erst dann Strafen geben kann, wenn die Regulierungsbehörde solche nach dem zweiten Vergehen festlegt.

„Der Ansatz, erst durch die Nichtbefolgung einer Anordnung eine Strafe befürchten zu müssen, etabliert de facto ein Two-Strikes-System. Welches Fehlverhalten auch immer sich ein Internetanbieter zum Beispiel bei der Missachtung der Rechte von Nutzern oder Inhalteanbietern zuschulden hat kommen lassen, kann er das Verfahren unter Ausnutzung aller Fristen in die Länge ziehen und wird erst, nachdem dieses negativ für ihn beschieden wurde, überhaupt einen Druck verspüren, den illegalen Missstand abzustellen“, heißt es dazu in der Stellungnahme des AK Vorrat.

Internationaler Vergleich

Das sei nicht überall in der EU Praxis, heißt es in der Stellungnahme. Im Vergleich dazu wird in den Niederlanden etwa bereits beim ersten Vergehen eine Strafe von bis zu 600.000 Euro oder 7,5 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmens verhängt. Beim zweiten Vergehen könne sich diese um 100 Prozent steigern, so der AK Vorrat. In Frankreich beträgt die erste Strafe bis zu 3 Prozent und kann im Wiederholungsfall auf 5 Prozent des Jahresumsatzes ansteigen. Hier liegt bereits die niedrigste Strafandrohung weit über dem, was die größten deutschen Telekomkonzerne aufgrund der geplanten Strafhöhen zu befürchten haben.

Vorbild für Österreich?

Besonders Sorgen macht Lohninger, dass sich Österreich an der zahnlosen Novelle des deutschen Telekommunikationsgesetzes orientieren könnte. Auch hierzulande muss das Gesetz novelliert werden. Die Novelle befindet sich bereits in Vorbereitung. Auf den „Cable Days“ erklärte Wolfgang Feiel, Leiter der Rechtabteilung der österreichischen Regulierungsbehörde RTR, dass das Netzneutralitäts-Thema „gehyped“ gewesen sei. Wie auch bereits gegenüber der futurezone betonte Feiel, dass die RTR im Einzelfall entscheiden müsse, ob Angebote der Netzneutralität entgegenstehen und dass es bestimmt Verfahren geben werde, die vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen werden. Wie die TKG-Novelle hierzulande genau aussehen wird, bleibt abzuwarten.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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