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Billa Scan & Go im Test: So funktioniert der Einkauf ohne Kassa

Am Donnerstag hat Billa wie angekündigt im Euro Plaza im 12. Wiener Gemeindebezirk seine erste Filiale mit dem neuen Bezahlservice "Scan & Go" ausgestattet. Dieser ermöglicht es Kunden bis zu zehn Produkte mit dem eigenen Handy zu scannen und zu bezahlen, ohne dass man sich bei der Kassa anstellen muss. Voraussetzung ist die gleichnamige neue Billa-App, in der die eigenen Kundendaten sowie eine Kredit- bzw. Debitkarte hinterlegt sein müssen. Eine Mitgliedschaft beim Jö-Bonusclub ist nicht notwendig.

Hinter der von Billa verwendeten Lösung steckt das Grazer Start-up Wirecube, das seine Technologie unter dem Namen "shopreme" auch mit anderen Händlern umsetzt. Billa ist der erste Partner, der die Einkaufs-App offiziell seinen Kunden anbietet. In naher Zukunft sollen weitere Händler in Deutschland, der Schweiz, aber auch in den USA dazukommen - auch eine Elektronikkette wird die Lösung einsetzen, wie Wirecube-Gründer Florian Burgstaller der futurezone verrät.

Billa Scan & Go: So funktioniert's

Hat man seine Daten in der Scan&Go-App von Billa einmal hinterlegt, funktioniert der Dienst recht selbsterklärend. Im ersten Schritt muss die Filiale bestätigt werden, in der man gerade einkauft. Das ist notwendig, um die richtige Zuordnung zu einem Standort und die damit verbundene richtige Rechnungslegung zu gewährleisten. Aktuell gibt es zwar nur die eine Filiale im Euro Plaza. Bewährt sich das System, sollen aber weitere Filialen folgen. Einen konkreten Zeitplan wollte Billa am Donnerstag nicht nennen.

Beim Einkaufen holt man das gewünschte Produkt aus dem Regal und scannt den Strichcode per Handy ein. Wird das Produkt erkannt, wird es kurz mit Namen, Produktbild und Preis am Bildschirm angezeigt und anschließend sofort in den virtuellen Einkaufswagen gelegt. Dort kann das Produkt jederzeit noch einmal aufgerufen und etwa die Anzahl vergrößert werden - falls man mehrere Einheiten kauft. Auch das Entfernen einzelner Produkte ist unproblematisch und schnell.

Superschneller Scan-Vorgang

Der Scanvorgang selber wird in der Scan&Go-App über die Handykamera durchgeführt - sämtliche Informationen werden per Augmented Reality eingeblendet. Die Erkennung des Strichcodes am Produkt funktionierte im Test problemlos, auch kleine Barcodes wurden in der Regel auch bei nicht optimalem Haltewinkel schnell erkannt. Das automatische Hinzufügen von Waren in den Einkaufswagen geht so schnell vonstatten, dass man sich bei manchen Produkten fast mehr Zeit wünschen würde - etwa um den Preis zu überprüfen.

Hat man seine Siebensachen - erlaubt sind maximal zehn Produkte - zusammen, bewegt man sich Richtung Ausgang. Beim Check-out gibt es eine Mulde, um die Einkaufstasche abzustellen. Um den Zahlvorgang abzuschließen - in der App kann man zwischen mehreren hinterlegten Karten auswählen und auch etwaige Rabatte und Gutscheine einlösen - muss man dort einen überdimensionierten QR-Code scannen.

Eigentlich kann man nun ohne weitere Verzögerung das Geschäft verlassen. Beim Check-out hat Billa einen Mitarbeiter mit eigenem Handy platziert, der auf diesem den Einkauf sieht. Dieser ist angehalten, einen Blick in die Einkaufstasche zu werfen und zu kontrollieren, ob man auch wirklich alles bezahlt hat. Kauft man zur Mittagspause drei gut sichtbare Produkte, läuft der Prozess im Normalfall ohne Interaktion ab.

Die dritte Hand fehlt

Wo viel Licht, ist auch immer Schatten. Denn so schnell und eigentlich auch praktisch das Scannen der Produkte direkt beim aus dem Regal nehmen ist - wer mehr als drei, vier Produkte kaufen möchte, kommt mit dem Handy in der einen und den Waren in der anderen Hand schnell an seine physischen Grenzen. Besonders knifflig wird es, wenn man etwa bei der Brottheke ein Gebäck mit einer Zange aus dem Fach fischt und in das widerspenstige Sackerl bugsieren muss.

Für das Handy, mit dem man das Produkt einbuchen sollte, fehlt da eindeutig die dritte Hand. Es ist davon auszugehen, dass sich solche Abläufe recht rasch einspielen werden. Bei den ersten Versuchen endete der Broteinkauf damit, dass das Handy erst wieder weggesteckt bzw. auf der Glastheke daneben abgelegt wurde. Da derartige Waren keinen Strichcode haben, muss man das Produkt in der App suchen.

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Das funktioniert eigentlich recht gut - im Normalfall findet die App das gewünschte Produkt bereits nach der Eingabe weniger Buchstaben. Allerdings muss man genau die von Billa verwendete Produktbezeichnung kennen. Wer also sich nämlich eine Brezel aus dem Fach holt und "B" "r" "e" eintippt, wird nicht fündig werden, da Billa das Produkt unter Laugenbrezel führt und in der Suche folglich auch nur mit dem Anfangsbuchstaben "L" gefunden werden kann.

Alkohol nur mit Bestätigung

Jugendliche und Kinder, die mit dem neuen System leichter an Alkohol kommen wollen, haben übrigens Pech gehabt. Wie auch bei den bereits bei Billa, Merkur und Spar existierenden Selbstbedienungskassen muss der Kauf alkoholischer Getränke von einem Mitarbeiter beim Check-out freigegeben werden. Die Alterskontrolle ist gesetztlich so vorgeschrieben. Bei Scan&Go kann man die gekauften Artikel erst bezahlen, wenn ein Mitarbeiter mit seinem Gerät den generierten Rechnungs-QR-Code bestätigt.

Er muss wie ein Mitarbeiter an der herkömmlichen Kassa prüfen, ob der Käufer schon alt genug ist und kann im Zweifelsfall einen Ausweis verlangen. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen sei das auch für die schnelle App-Bezahllösung nicht anders lösbar, heißt es von Billa. Zumindest findet die Prüfung erst am Schluss des Einkaufs statt. Man kann also wie gehabt seine Produkte in der Filiale zusammensuchen und die Bestätigung durch einen Mitarbeiter erst ganz am Schluss durchführen lassen.

Keine Internetverbindung

Eine Sache könnte auf längere Sicht allerdings zum Problem werden. Denn damit die App einwandfrei funktioniert, ist eine durchgehende Internetverbindung notwendig. Bei den ersten Testeinkäufen der futurezone hatte die App aufgrund des schlechten Empfangs in der Filiale zwischenzeitlich damit zu kämpfen.

Gerade in größeren Filialen, die etwa in Einkaufszentren teilweise sogar unterirdisch und in abgeschirmten Stahlbeton-Bauten realisiert werden, geht dann gar nichts bis wenig mehr. Im Billa im Euro Plaza können Kunden in das Gratis-WLAN der Filiale wechseln.

Datenschutz als Nachteil

Ein potenzielles Manko ist, dass nicht anonym eingekauft werden kann. So müssen persönliche Daten wie Namen, Adresse, Geburtsdatum und E-Mail in der App hinterlegt werden. Auch sämtliche gekauften Produkte bleiben digital gespeichert und sind auch für Billa - ähnlich wie beim Jö-Club - ersichtlich und für Marketingzwecke verwertbar.

Auf der Haben-Seite für Kunden ist, dass man selber ebenfalls einen guten Überblick über die getätigten Einkäufe bekommt - ohne Belege aufbewahren zu müssen. Für alle mit Scan&Go getätigten Einkäufe erhalten Kunden elektronische Rechnungen, die jederzeit in der App auch als PDF aufgerufen werden können.

Fazit

Im immer noch bargeldverliebten Österreich ist ein weiteres bargeldloses Service, das moderne digitale Technologien nutzt, jedenfalls willkommen. Dass Billa die Lösung mit einem Grazer Start-up umsetzt, ist sympathisch. Technisch gesehen wirkt das gesamte System absolut ausgereift. Die App ist ausgesprochen übersichtlich und einfach gestaltet, alle Prozesse laufen - eine stabile Internetverbindung vorausgesetzt - absolut flüssig und schnell.

Inwiefern sich das System gegen bestehende Selbstbedienungskassen, aber auch herkömmliche Kassen durchsetzen wird, wo man mittlerweile mit NFC-Karten und Apple Pay auch ein bisschen Zeit sparen kann, wird sich in der Praxis zeigen. Ist das System bei Billa erfolgreich, könnte es auch bei anderen Rewe-Ketten wie Merkur und Bipa zum Einsatz kommen. Konkurrent Spar hat auf Nachfrage der futurezone kein Interesse. Man werde aber die Zahl der existierenden Selbstbedienungskassen erhöhen.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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