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Garmin tactix Charlie im Test: Der Panzer unter den Smartwatches

ist bekannt für seine Sportuhren, speziell für Läufer. Mit der tactix-Serie hat der US-Hersteller auch besonders robuste Modelle, mit zusätzlichen „taktischen“ Funktionen im Angebot. Die Charlie ist mittlerweile die dritte Version. Ich habe den Panzer am Handgelenk getestet.

Groß, schwer, bequem

Die Garmin tactix Charlie ist kein Leisetreter. Sie versucht es nicht mal. Einmal am Handgelenk, schreit sie geradezu: „Wer mich trägt ist ein Abenteurer, eine harte Sau, ein Mensch mit Zielen und den Willen diese zu erreichen – oder ein Mall Ninja.“ Ein kurzer Exkurs in die amerikanische Popkultur: Ein Mall Ninja (Einkaufszentrums-Ninja) bezeichnet Personen, die taktische Ausrüstung im Alltag benutzen, ohne, dass sie diese tatsächlich benötigen. Das Autofahrer-Äquivalent dazu wäre ein Geländewagen-Fahrer, der in Wien wohnt und das größte Gefälle, das er jährlich bewältigt, die Fahrt ins Ikea-Parkhaus ist.

Mit 51mm Durchmesser und 17,5mm Höhe ist die Charlie wuchtig, jedoch gut proportioniert. Der dicke Rahmen und das ebenfalls dicke Gehäuse sind geschickt designt, sodass die Dicke nicht als negativ empfunden wird. Besonders mit dem analogen Watchface funktioniert das Design. Ich bin eigentlich ein Analog-Muffel wenn es um geht, aber bei der Charlie harmoniert es so hervorragend mit dem Gehäuse, dass ich das Watchface gerne verwendet habe.

Die Lünette besteht aus Titan mit DLC-Beschichtung. Das restliche Gehäuse ist Kunststoff, der laut Garmin titanverstärkt ist. Die Lünette ist von 1 bis 24 beschriftet. Beim analogen Watchface zeigt ein vierter Arm so permanent die Zulu-Zeit an (UTC ohne Sommer/Winterzeit). Rund um die Lünette sind fünf Sternschrauben, die den robusten Eindruck verstärken.

Handhabung

Mit 90 Gramm ist die Charlie im Vergleich zu anderen schwer geraten. Überraschenderweise ist sie aber trotzdem bequem zu tragen. Das liegt zum Großteil am Gummiarmband, das 26mm breit ist. Die meisten Smartwatches nutzen die dünneren 22mm-Armbänder. Wer kein Gummi-Fan ist, kann es gegen handelsübliche 26mm-Armbänder austauschen.

Wie auch andere Garmin-Sportuhren hat die Charlie keinen Touchscreen, sondern wird über Tasten am Gehäuse bedient. Davon gibt es gleich fünf. Drei davon sind mit Doppelfunktionen für langes Drücken belegt. Die Bedienung per Tasten ist anfangs gewöhnungsbedürftig. Nach einer Woche Dauereinsatz sollte man aber alle Funktionen intus haben.

Lange Akkulaufzeit

Der Dauereinsatz ist ernst gemeint: Garmin gibt die Laufzeit der Charlie im Smartwatch-Modus, also mit permanenter Bluetooth-Verbindung, mit zwölf Tagen an. Mit Sporttracking, aktiver Pulsmessung, Schlaftracking und drei Tracking-Aktivitäten mit GPS, die jeweils über eine Stunde gedauert haben, waren es bei mir elf Tage, was immer noch sehr beeindruckend ist. Das Vorgängermodell Bravo schaffte bis zu 20 Tage, allerdings hatte dieses keinen Pulsmesser eingebaut.

Die elf Tage Akkulaufzeit sind mit Always-On-Display. Im Gegensatz zu vielen anderen Smartwatches ist das auch, sowie die anderen Menüs der Uhr, bei direktem Sonnenlicht sehr gut lesbar. Auch mit polarisierten Sonnenbrillen ist es vollständig lesbar, was für mich ein großes Plus ist. Ein kleines Manko ist, dass die Darstellung der Farben bei der Charlie deutlich blasser ist als bei Smartwatches mit AMOLED-Display.

Um die Hintergrundbeleuchtung des Displays einzuschalten, gibt es eine eigene Taste – was für mich ein kleines Flashback in die 90er-Jahre ist, als man unbedingt eine G-Shock haben musste. Die Beleuchtung kann auch per Armhebe-Geste aktiviert werden, was aber nicht so verlässlich funktioniert, wie etwa bei Samsungs Smartwatches. Da man aufgrund der sehr guten Lesbarkeit des 1,2-Zoll-Displays die Beleuchtung sowieso nur selten braucht, habe ich diese Funktion deaktiviert und schwelge lieber beim Drücken der Licht-Taste in 90er-Jahre-Erinnerungen.

Mehr taktisch als du

Abgesehen von der langen Akkulaufzeit, der Zulu-Zeit und der robusten Bauform hat die Charlie weitere taktische Funktionen, die vermutlich nur wenige User brauchen werden. Dazu gehört ein UltraTrac-Modus, bei dem die GPS-Position seltener abgerufen wird. Statt 20 Stunden kontinuierlichen Trackings sind so bis zu 35 Stunden möglich.

Für Fallschirmspringer gibt den Jumpmaster, für HAHO- und HALO-Sprünge. Diese Funktion ist aber auf den militärischen Bereich zugeschnitten und dürfte, wenn überhaupt, nur für zivile Fallschirmspringer mit viel Erfahrung interessant sein. Da ich eher der Kategorie Mall Ninja als Airborne Ranger angehöre, habe ich diese Funktion nicht getestet. Für Kampftaucher und solche die es gerne wären, ist die Charlie nur bedingt geeignet. Die Wasserdichtigkeit ist mit 10 ATM angegeben, was zwar laut Garmin für Tauchen, nicht aber Sporttauchen geeignet ist.

Die Charlie hat einen Nachtsichtmodus, der die Helligkeit reduziert, damit sie kompatibel mit Nachtsichtgeräten ist. Da die meisten Nachtsichtgeräte Licht im nahen Infrarotbereich nutzen und Glas Infrarotstrahlung reflektiert, muss man erst den richtigen Winkel finden, damit das Display ausreichend erkennbar wird. Die Charlie kann auch zwei Koordinatensysteme (MGRS und Breiten-/Längengrad) gleichzeitig anzeigen.

Wandern und navigieren

Nicht nur für die kriegsführende Zunft interessant ist das vorinstallierte Topo-Kartenmaterial für Europa und der elektronische 3D-Kompass. Für weitere Karten hat die Charlie einen internen Speicher von 16 GB. Die Verwaltung der Karten erfolgt nur per PC-Software und nicht mit der Begleit-App. Die Navigationslösung der Uhr bietet umfangreiche Funktionen, wie „Peilen und Los“ (Uhr Richtung Ziel halten), mit mehreren Navigationspunkten, Rundrouten, Points of Interest und mehr.

Bequem ist das allerdings nicht. Das Steuern der Funktionen und Setzen der Navigationspunkte mit den fünf Tasten an der Charlie kann nicht mit dem Komfort einer Karten-App auf dem Smartphone verglichen werden.

Charlie als Sportbegleiterin

Die Charlie bietet dieselben Sportfunktionen, wie die aktuellen Garmin-Sportuhren. Auch beim Laufen ist der Panzer am Handgelenk überraschend angenehm zu tragen, wenn das Armband fest genug angezogen wird. Macht man das nicht, beginnt das Schwergewicht zu rutschen, was bei der Laufbewegung unangenehm ist.

Neben Laufen gibt es zahlreiche andere Sportoptionen und Aktivitäten, wie Krafttraining, Radfahren, Gehen, Schwimmen, Cardio, Laufband, Indoorradeln, Skifahren, Langlauf, Rudern, Golfspielen, Kayak, Bootfahren (mit Mann-über-Bord-Positionsmarkierung), usw. Beim Krafttraining kann die automatische Übungserkennung aktiviert werden. Diese funktioniert nur ungenau, hilft aber zumindest ein wenig dabei, wenn man wirklich die gesamte Workout-Routine protokollieren will. Beim Krafttraining muss ich die Charlie aufgrund ihrer Größe relativ weit nach oben schieben, damit sie bei Übungen, wie etwa Liegestütze, nicht unangenehm am Handrücken ansteht.

Die Charlie misst zudem regelmäßig den Puls, Stresslevel und die Schlafphasen – inklusive der REM-Phase. Der VO2max-Wert wird ebenfalls berechnet (nur für Laufen und Radfahren im Freien), sowie die Erholungszeit.

Ein bisschen Smartwatch

Die Charlie kann Notifications vom Smartphone anzeigen, auch das Annehmen oder Ablehnen von Anrufen mit ihr ist möglich. Ansonsten gibt es die klassischen Widgets, wie Wetter und Kalender. Ist die Charlie mit einem Android-Smartphone verbunden, kann auf SMS mit vorgefertigten Antworten geantwortet werden.

Was sie nicht von Haus aus beherrscht, ist das Steuern der Musikwiedergabe. Hier können über den internen App Store der Garmin-App entsprechende Lösungen heruntergeladen werden. Dort gibt es auch Games, Watchfaces und ähnliches. Als Standalone-Musikplayer kann die Charlie, trotz 16 GB Speicher, nicht genutzt werden. Wer diese Funktion benötigt, muss zur Garmin Fenix 5 Plus greifen.

Fazit

Die Garmin tactix Charlie ist wie ein Ford Raptor: Als Großstädter braucht man den Pick-up-Truck mit 450 PS nicht, haben will man ihn trotzdem. Die Frage ist nur, ob der Coolness-Faktor mit dem eigenen Gewissen und der Geldbörse vereinbar ist: Die Charlie hat einen UVP von 750 Euro.

Dafür bekommt man aber eine Alleskönnerin. Die Charlie ist eine robuste, gut aussehende Uhr, mit langer Akkulaufzeit, Smartwatch-Funktionen, vielen Fitness-Tracking-Möglichkeiten und die Option sie zum Wandern und Fallschirmspringen zu nutzen, falls man jemals in eine entsprechende Situation kommt. Wer statt den Mall-Ninja-tacticool-Look lieber ein zivileres Design und mehr Smartwatch- als taktische Funktionen möchte, greift zur Garmin 5S Plus (ab 700 Euro).

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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