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© APA/AFP/STEFAN WERMUTH / STEFAN WERMUTH

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Huawei verabschiedet sich endgültig von Google

"Wir glauben daran, dass die Welt ein drittes Ökosystem für Smartphones braucht", hieß es von Huawei auf einer Presseveranstaltung in Wien am Donnerstag, auf der über die künftige Strategie des Konzerns gesprochen wurde. In diesem Sinne entfernt sich der chinesische Hersteller immer weiter von Google und setzt langfristig auf seine eigenen Dienste auf Basis des Android-Betriebssystems. Das sei kein vorübergehender Schnellschuss, sondern eine strategische Entscheidung.

Was passiert, sollte die USA den so genannten Android-Bann lockern, konnte und wollte man nicht beantworten. "Wir begeben uns auf diese lange und spannende Reise und setzen langfristig auf unser eigenes HMS (Huawei Mobile Services)", heißt es von Huawei.

Was bedeutet das für Huawei-Nutzer?

Für alle bereits auf dem Markt befindlichen und bereits verkauften Huawei-Smartphones ändert sich nichts. Diese Geräte werden weiterhin mit Software-Updates beliefert und die Google-Dienste funktionieren auch künftig wie gewohnt.

Alle neuen Huawei-Smartphones werden keine Google-Services mehr haben, aber immer noch auf dem bekannten Android-Betriebssystem laufen. Um neue Anwendungen installieren zu können, müssen die User in der Folge nicht mehr den Google Play-Store aufsuchen, sondern die Huawei App Gallery.

Am Betriebssystem selbst ändert sich für die Nutzer kaum etwas. Android wird wie gewohnt aussehen und funktionieren - nur eben gänzlich ohne Google. Die drei großen Mobilfunkanbieter in Österreich bleiben auch weiterhin Partner von Huawei und werden die kommenden Huawei-Smartphones anbieten.

3-D printed Android logo is seen in front of a displayed Huawei logo in this illustration picture

Welche Apps sind im Huawei-App-Store verfügbar?

Vor drei Monaten war das Angebot in Huaweis App Gallery für Nutzer in Europa nahezu unbrauchbar. Das soll sich mittlerweile verbessert haben, so Huawei. Demnach seien aktuell schon zahlreiche lokale und globale Anwendungen in der App Gallery verfügbar, beispielsweise Snapchat, die ORF-App oder die App der Wiener Linien. Huawei arbeite auch mit den großen österreichischen Banken zusammen, damit diese ihre Banking-Apps künftig in der App Gallery anbieten können.

Populäre Apps, wie Facebook, Instagram oder WhatsApp sind noch nicht in der App Gallery zu finden. Das werde aber noch kommen, gibt sich Huawei zuversichtlich. Denn die Daten des Huawei-Ökosystems wolle man in Europa speichern, um den US-Bann umgehen zu können.

Was passiert mit gekauften Android-Apps?

Huawei arbeitet daran, dass App-Käufe auch in das Huawei-System übernommen werden können. Sollte jemand viel Geld für Apps im Google Play Store ausgegeben haben, sei man dabei, eine Lösung zu finden, dass diese künftig auch über den Huawei App-Store angerechnet werden. 

Der chinesische Hersteller arbeitet derzeit hart daran, App-Entwickler für sich zu gewinnen. Großer Vorteil dabei sei, dass die Entwickler ihre Apps nicht von Grund auf neu gestalten müssen. Es handle sich immer noch um Android-Apps, erklärt ein Vertreter von Huawei.

Alles was App-Entwickler machen müssen, seien lediglich kleinere Adaptierungen und schon können die Apps im Huawei-App-Store angeboten werden. Im Frühjahr wird in Österreich ein Huawei Developer Day stattfinden, bei dem Huawei App-Entwickler über diese Adaptierungen im Detail informieren will.

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Wie will Huawei die Android-Nutzer zum Umstieg bringen?

Huawei erreicht ungefähr 500 Millionen User, die bereits Huawei-Geräte verwenden. Nutzen diese die App Gallery oder andere Huawei-Dienste, erhalten sie künftig so genannte Huawei-Points. Diese Punkte können beispielsweise beim Neukauf eines Geräts eingelöst werden, sodass sich der Anschaffungspreis des Smartphones reduziert.

Außerdem will man mit einer aggressiven Preispolitik Kunden beibehalten und neue hinzugewinnen. Schmackhaft will man den Kunden die Huawei-Geräte unter anderen auch mit zahlreichen Incentives machen.

Hat der Google-Abschied Auswirkungen auf kommende Smartphones?

Nein - vorerst nicht. Huawei wird seine bisherige Strategie in Sachen Hardware beibehalten. Wie in den vergangenen Jahren üblich, wird es diesbezüglich Ende Februar zahlreiche Neuigkeiten auf der Handy-Messe MWC geben. Im März präsentiert Huawei dann seine neuen Flaggschiffe der P-Serie - das P40 und das P40 Pro.

Hat Huawei mit seinen eigenen Diensten überhaupt eine Chance?

Prognosen sind aktuell noch sehr schwierig. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Entscheidung von Huawei auf seine eigenen Dienste zu setzen, nicht mit dem Launch eines eigenen Betriebssystems vergleichbar ist. Parallelen zu Firefox OS oder Windows Mobile sind kaum zu finden.

Da Huawei weiterhin auf Android setzt, ist es für App-Entwickler wesentlich einfacher, ihre Apps auch auf Huawei-Geräten anbieten zu können. Solange ein User nicht tief im Google-Universum verankert ist, sollte sich nicht viel ändern, da die gewohnte Android-Umgebung bleibt.

Kritischer Punkt bleibt das App-Angebot im Huawei App-Store. Es wird wohl eine entscheidende Frage werden, ob es Huawei schafft, populäre und lokale Apps verfügbar zu machen.

FILE PHOTO: IFA consumer tech fair in Berlin

Konkurrenz für Google

Der chinesische Hersteller sieht sich gegenüber Google sogar im Vorteil, da Huawei bei der Hardware viel stärker sei. Außerdem verwenden bereits Millionen von Smartphone-Nutzern Huawei-Geräte, sodass sich die Geräte selbst, nicht mehr wirklich bewähren müssen. Ebenso vorteilhaft ist, dass Huawei in China eine riesige Fan-Community hat.

Ein weiterer, großer Vorteil der Huawei-Dienste sei, dass sie parallel zu den Google-Diensten verwendet werden können. Hat man beispielsweise ein Samsung- oder Xiaomi-Smartphone, könne man darauf den Google Play Store und gleichzeitig die Huawei App Gallery nutzen.

Ein weiteres "was-wäre-wenn": Die größten Smartphone-Hersteller kommen aus China. Sollte es Huawei oder vielleicht die chinesische Regierung schaffen, andere Hersteller dazu zu bringen, die Huawei-Dienste den Google-Diensten vorzuziehen, könnten die Chancen für Huawei gut stehen. Würden tatsächlich Xiaomi, Oppo, OnePlus, Lenovo, Motorola, ZTE, Realme und Vivo auf die Google-Dienste verzichten, könnte eine ernstzunehmende Konkurrenz für Google entstehen.

Statement von Huawei

Update: Huaweis Firmenzentrale hat ein offizielles Statement abgegeben. Damit soll klargestellt werden, dass der Verzicht auf Googles Android-Dienste eine Option, aber noch nicht beschlossene Sache ist. "Ein offenes Android-Ökosystem ist immer noch unserere erste Wahl. Wenn aber die USA uns dieses nicht verwenden lassen, haben wir die Möglichkeit, unser eigenes zu entwickeln."

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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Florian Christof

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