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Pixel 4 XL im Test: Erstklassiger Androide mit einem Haken

Trotz insgesamt immer noch bescheidener Verkäufe, hält Google an der hauseigenen Pixel-Serie fest und versucht mit anderen Innovationen zu punkten als die Konkurrenz. Im Zentrum des Pixel 4 stehen Dinge wie Infrarot-Gesichtserkennung, Gestensteuerung sowie die Kamera.

Das Handy erscheint in zwei Größen, einmal mit 5,7 und einmal mit 6,3 Zoll. Abgesehen von der Größe und dem Akku sind die beiden Geräte ident. Wir haben das Pixel 4 in der XL-Version getestet. 

Design und Äußeres

Das Design des Pixels präsentiert sich sehr zwiegespalten. Von vorne meint man kaum, ein High-End-Smartphone aus Ende 2019 in Händen zu halten, da sich Google hier gar nicht an der Konkurrenz orientiert. Jene hat zuletzt versucht, möglichst rahmenlose Geräte zu bauen. Die Anzeige soll einen möglichst großen Teil der Vorderseite einnehmen.

Beim Pixel 4 ist das anders. Bedingt durch zahlreiche Sensoren für die neuen Features prangt über der Anzeige ein relativ dicker Balken. Auch auf einen Notch verzichtet man diesmal - offenbar auch aus technischen Gründen. So liegen etwa die IR-Sensor für die Gesichtserkennung fast komplett am Rand des Gerätes. 

Auch die seitlichen sowie der untere Rahmen sind eher dick ausgefallen. Dadurch sieht das Handy nicht so futuristisch aus wie die Konkurrenz, in der Praxis gewöhnt man sich aber recht schnell daran.

Moderne Rückseite

Etwas moderner sieht die Rückseite aus. Die Glasoberfläche wirkt edel und kommt in der weißen und orangen Version in matter Optik. Die schwarze Variante hingegen setzt auf Klavierlack-Optik und ist dadurch ein regelrechter Fingerabdruck-Magnet. 

Die Kameras sowie Tiefensensor und LED-Blitz sind in einem Quadrat in der linken, oberen Ecke versteckt. Mich spricht dieses Design an, denn es lässt die Rückseite deutlich aufgeräumter wirken, als mehr oder weniger zufällig angeordnete Kameralinsen. Ein weiterer Nachteil der Klavierlack-Rückseite macht sich recht schnell bemerkbar: Schon nach wenigen Tagen Einsatz als Primärgerät sind einige unschöne Kratzer sichtbar.

Das Handy selbst fühlt sich dank Glasrückseite und Metallrahmen immerhin hochwertig an. Das Gewicht von 193 Gramm der XL-Version fühlt sich in der Praxis etwas schwerer an, als es sich am Papier liest, zu Beeinträchtigungen bei der täglichen Nutzung führt das aber nicht. 

Weggelassen hat Google die Front-Lautsprecher. Die Tonausgabe des Handys klingt dennoch ordentlich und reicht durchaus für das ein oder andere YouTube-Video. Verzichtet wird auch abermals auf eine Kopfhörerbuchse. Auch ein Adapter oder ein USB-C-Kopfhörer liegen nicht bei.

Display

Das OLED-Display hat eine Diagonale von 6,3 Zoll bei einer Auflösung von 1440 x 3040 Pixeln. Das Display-Fiasko des Pixel 2 scheint in weiter Ferne: Die Anzeige ist gestochen scharf, wie man es von vergleichbaren Smartphones kennt. Der 90Hz-Screen sorgt für ein "butterweiches" Scrollen durch den App Drawer und auf Webseiten. Im direkten Vergleich mit einem 60Hz-Smartphone merkt man auch außerhalb von Benchmarks einen Unterschied. Äußerst gut schneidet das Pixel 4 auch bei Farben und Kontrast ab. Im direkten Vergleich wirkt etwa der Vorgänger Pixel 3 als wäre über dem Display ein Grauschleier. Auch gegenüber anderen Herstellern kann sich das Pixel 4 hier deutlich abheben.

Google selbst hat die Anzeige bereits vorab von Displaymate analysieren lassen, wohl auch im Hinblick auf die Problematik der vorletzten Generation. Eine ausführliche Untersuchung der Anzeige findet sich hier

Innenleben, Ausstattung und Akkulaufzeit

Im Inneren setzt Google auf einen Qualcomm Snapdragon 855 sowie 6 Gigabyte RAM. Kritiker bemängelten hier, dass man nicht auf die neuere Variante 855+ setzte oder gar auf die kommende 865er-Generation wartete. Nachvollziehbar finde ich diese Punkte nur eingeschränkt. Der Performance-Gewinn durch die neuen Chips dürfte im Alltag kaum merkbar sein. Arbeitsspeicher sind diesmal 6 Gigabyte vorhanden, das Handy kommt mit einer internen Speicherkapazität von wahlweise 64 oder 128 Gigabyte.

Das Handy reagiert auch mit dem "alten" 855er im Rahmen meines Tests jedenfalls äußerst flott und ohne jegliche Verzögerungen. Der 3700-mAh-Akku des XL bietet mir in der Praxis genug Strom, um es locker durch den Tag zu schaffen. Bei moderater Nutzung hatte ich am Ende des Tages noch etwa 50 Prozent an Akkukapazität übrig. Das Pixel unterstützt drahtloses Laden mit dem QI-Standard. Schnellladen kann mit maximal 18W durchgeführt werden.

Face Unlock

Das Pixel 4 kommt ohne Fingerabdrucksensor und setzt stattdessen auf Entsperren per Gesicht. Es ist die technisch aufwändigste Variante der Gesichtserkennung, die es bislang in einem Android-Phone gab. Teilweise funktioniert sie sogar etwas zu gut

Wie bei Apples Face Unlock, das seit dem iPhone X in desses Smartphones integriert ist, setzt Google auf einen Infrarot-Sensor, um das Entsperren bei allen Lichtsituationen zu ermöglichen. 

Um die Gesichtserkennung zu nutzen, muss man dem Handy zuerst sein Gesicht “lernen”. Dazu muss man den Kopf vor der Selfie-Kamera drehen und wenden. Nach rund einer Minute ist der Vorgang abgeschlossen. Gespeichert werden die biometrischen Daten laut Google ausschließlich lokal.

Das Entsperren funktioniert auch in der Praxis in den allermeisten Fällen völlig problemlos und innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde. Vereinzelt Schwierigkeiten macht Face Unlock bei mir nur, wenn ich das Handy auf der Couch liegend damit entsperren möchte. Gefühlt ist Googles Variante auch eine Spur schneller und zuverlässiger als Apples Face ID, das bei mir unter anderem beim iPad Pro regelmäßig zum Einsatz kommt. 

Etwas nervig an Face Unlock ist nur, dass es von manchen Apps noch nicht unterstützt wird, da deren Biometrie-Authentifizierung auf einer alten API beruht. Ein Beispiel ist etwa LastPass, das man zwar per Fingerabdruck, aber nicht per Gesichtsscan entsperren kann. Hier bleibt nur zu hoffen, dass die App-Macher entsprechend schnell ein Update liefern.

Motion Sense

Eine weitere Neuerung beim Pixel 4 ist Motion Sense. Dabei kann man das Handy per Handbewegungen vor dem Display steuern, ohne es zu berühren. Die Technik dahinter beruht auf einem Radar-Sensor. Google forscht im Rahmen von Projekt Soli schon seit längerem daran

Der Nutzen in der Praxis ist aktuell noch etwas beschränkt. So kann man etwa in YouTube-Music per Handbewegung zwischen Songs hin- und herspringen. Pausieren kann man die Musik per Handbewegung übrigens nicht. Außerdem kann man den Wecker durch Handbewegung ausschalten bzw. “snoozen”. Letzteres würde ich übrigens nicht empfehlen, falls man rechtzeitig aufstehen möchte. Außerdem gibt es eine eigens von Google mitentwickelte App namens Pokémon Wave, bei der man Pikachu und andere kleine Monster per Handbewegungen beeinflussen kann. 

Das schlechte Reagieren von Motion Sense, wie es unter anderem vom populären YouTuber Marques Brownlee berichtet wird, kann ich nicht nachvollziehen. Die einigen wenigen Features funktionieren für mich sehr problemlos. 

Das ändert allerdings nichts an dem Umstand, dass das alles aktuell mehr Showcase-Anwendungen als tatsächlich nützliche Features sind. Das Spannendste an Motion Sense liegt noch in der Zukunft. Es wird abzuwarten sein, wie Google die Funktion weiterentwickelt und wie App-Entwickler reagieren, wenn sie die Technik in ihre Apps integrieren können. 

Potenzial hat Motion Sense also definitiv, aktuell ist es aber nicht viel mehr als eine Spielerei. 

Neuer Assistant und Untertitel

Neuerungen gibt es bei Googles Sprachassistenten Assistant. So werden Sprache sowie Befehle nun vermehrt lokal verarbeitet, was den Assistenten schneller reagieren lässt. Die Weiterentwicklung des Assistant ist in der Praxis allerdings aktuell noch eher vernachlässigbar.

Ein neues Feature der Pixel sind außerdem das automatische Erstellen von Untertiteln. Jene kann man in der Lautstärkeeinstellung aktivieren. Erkennt das Telefon, das Sprache wiedergegeben wird, wird automatisch ein Fenster mit generierten Untertiteln eingeblendet. Aktuell funktioniert das allerdings nur in Englisch.

 

Kamera

Traditionell eines der wichtigsten Features der Google-Pixel-Handys war die Kamera und das ist dieses Mal nicht anders. Die Hauptkamera fotografiert mit 12,2 Megapixel bei einer maximalen Blende von f/1.7. Die Tele-Kamera hat eine maximale Auflösung von 16 Megapixeln mit f/2.4. Die Brennweiten betragen im 35mm-Äquivalent 28 bzw. 45mm. Google verspricht verlustfreien dreifachen Digitalzoom. 

Neu beim Pixel 4 ist die Funktion Live HDR+. Während dem Fotografieren kann man Belichtung und Schatten direkt in der Kamera regulieren und sieht die Auswirkungen direkt im Sucher bevor man abdrückt. Per KI soll außerdem der Weißabgleich besser funktionieren und so für natürliche und korrekte Farbdarstellung liefern. 

Die Neuerungen machen sich bezahlt: In der Praxis liefert das Pixel 4 erstklassige Aufnahmen. Bei Tageslicht sind die Fotos scharf und farbenprächtig, der Nachtsichtmodus wurde im Vergleich zum Vorgänger noch einmal verbessert und ist beim Pixel 4 nicht nur schneller, sondern liefert auch beeindruckende Ergebnisse. Nachdem man ein paar Fotos mit Live HDR+ gemacht hat, fragt man sich, wie man je ohne ausgekommen ist.

Getan hat sich auch etwas bei den Porträtfotos. Die künstliche Unschärfe ist nun noch treffsicherer und man muss schon genau hinsehen, um einen Unterschied zu einem DSLR-Foto mit offener Blende zu erkennen. 

Gerade angesichts der großartigen Kamera schmerzt es umso mehr, dass Google keine Ultra-Weitwinkel-Linse zusätzlich verbaut hat, wie es andere Hersteller mittlerweile bei so gut wie allen Spitzenmodellen tun.

Hier ein Beispiel der Zoom-Funktion:

Fazit

Die scharfe Kritik, die Google nach der Präsentation aus der Community einstecken musste, kann ich nur zum Teil nachvollziehen. Auch ohne Notch oder ausfahrbarer Front-Kamera ist das Pixel 4 XL ein erstklassiges Android-Handy und ein zuverlässiger Begleiter im Alltag. Besonders das OLED-Display liefert eine erstaunliche Qualität und ist ein echter Hingucker.

Wäre da nicht dieser eine Makel: Die Kamera ist zwar schlichtweg fantastisch, die fehlende Ultra-Weitwinkel-Linse tut aber weh. Von all den Features, die in den vergangenen Jahren in Smartphones integriert wurden, ist das mein liebstes und darum hätte ich es mir auch im Pixel gewünscht.

Die anderen neuen Funktionen sind immerhin gut umgesetzt. Face Unlock funktioniert so, wie ich es mir erwarte. Bleibt nur zu hoffen, dass es die App-Anbieter zeitnah ebenfalls integrieren. Motion Sense ist ein Gimmick, das in der Praxis zwar nicht viel bringt, aber durchaus Potenzial für mehr hat. Google geht hier eine Wette ein, die sich aber bezahlt machen könnte. 

Wer also auf die Ultra-Weitwinkel-Linse verzichten kann und ein schnelles Smartphone mit Stock-Android und dreijähriger Update-Garantie will, kann sich das Pixel 4 durchaus näher anschauen.

Verkauft wird das Pixel 4 ab 749 Euro, das XL kommt auf 899 Euro. In Österreich ist es - im Unterschied zu Deutschland - nicht über den offiziellen Google-Store erhältlich und muss darum über Dritthändler erworben werden.

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Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

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