Frust statt Frost: Smarter Thermostat FritzDECT 301 im Test
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Wer seine Heizung fürs Smart-Home-Zeitalter fit machen will, hat die Qual der Wahl. Bei den Funkverbindungen reicht die Auswahl von Bluetooth über WLAN bis hin zu DECT ULE. Einige Systeme brauchen einen zentralen Hub, über den sie kommunizieren. Viele Systeme sind mittlerweile mit Apples Smart-Home-Steuerung HomeKit, Google Home und Alexa kompatibel. Fritzbox-Hersteller AVM setzt auf sein eigenes Ökosystem.
Heizsituation
Ausgangspunkt des Tests war, ältere physische Heizkörperregler durch smarte Thermostate zu ersetzen und so die Temperatur in verschiedenen Räumen getrennt von einander zu steuern. Denn während das nördlich ausgerichtete Wohnzimmer mehr Heizleistung verträgt, heizt sich die nach Süden gelagerte Wohnküche bei Sonnenschein im Winter natürlicherweise auf. Schalten sich die Heizkörper in diesem Raum bei entsprechender Raumtemperatur automatisch ab, lassen sich logischerweise Heizkosten sparen.
Beim Thermostat FritzDECT301, der für den Test an vier Heizkörpern installiert wurde, handelt es sich um den Nachfolger des Anfang 2017 erstmals angebotenen DECT300. Voraussetzung für das System ist ein Fritzbox-Router, der den DECT-Funkstandard unterstützt und mit dem Betriebssystem 6.83 oder höher ausgestattet ist. Größte Verbesserung des aktuellen Modells DECT301 ist ein stromsparendes E-Paper-Display, das eine gute Lesbarkeit garantieren soll sowie ein kompakteres Gehäuse. Ein Regler kostet im freien Markt zwischen 50 und 60 Euro.
Simple Installation
Wer sich – so wie ich – handwerklich noch nie wirklich für Heizkörper interessiert hat, kann aufatmen. Das Abschrauben der alten Regler sowie die Installation der Fritz-Thermostate dauerte inklusive Anmeldung bei der Fritzbox wenige Minuten. Der zusätzlich beigelegte Adapter für nicht kompatible Heizkörperanschlüsse wurde in meinem Fall nicht benötigt. Für das Ab- und Anschrauben war lediglich eine einfache Zange notwendig, der Großteil konnte sogar mit bloßer Hand erledigt werden.
Die Einbindung in das Fritz-Netzwerk hat AVM ausgezeichnet gelöst. Die notwendigen Schritte, wie die Koppelung mit der Fritzbox über den DECT-Schalter am Router sowie die Bestätigung nach erfolgter Montage, werden direkt auf dem Display der Thermostate angezeigt. Wenige Sekunden später scheint der Thermostat auch in der online abrufbaren Benutzeroberfläche der Fritzbox auf und kann dort genauer konfiguriert werden.
Verstaubte Software
Beim Einrichten der DECT301 offenbart sich sogleich die größte Schwäche, mit der AVM seit Jahren zu kämpfen hat. So zuverlässig und versiert der Hersteller technisch gesehen bei seiner Hardware – allen voran der Fritzbox – auftritt, so altmodisch kompliziert präsentiert sich das User Interface seiner Software – sei es nun, über den Browser oder über die App Myfritz, die zumindest in der getesteten iOS-Version aussieht, als wäre der Konzern im Jahr 2008 steckengeblieben.
Zwar ist die Bedienoberfläche der Fritzbox über den Browser mittlerweile ansehnlicher gestaltet. Modern und benutzerfreundlich sieht im Jahr 2018 aber anders aus. So sind die installierten Thermostate im Menüpunkt „Heimnetz“ und da wiederum unter „Smart Home“ versteckt. Bei der Übersicht wird die gemessene und die gewünschte „Soll“-Temperatur der jeweiligen Regler angezeigt und kann dort direkt auch verändert werden.
Wer ins Detail gehen will, kommt über den Aufruf der einzelnen Regler auf die eigentliche Konfigurationsseite, wo zwei Temperaturzonen (etwa für die Nachtabsenkung) zeitlich festgelegt, aber auch der angezeigte Name verändert werden kann. Irgendwo am unteren Ende der Seite findet sich die wichtige Funktion Temperaturabweichung. Da der im Regler verbaute Sensor bei eingeschaltetem Heizkörper eine höhere Temperatur misst, kann hier die tatsächliche Raumtemperatur angegeben werden, die im Normalfall um zwei bis drei Grad geringer ist. So kann die verfälschte Messung ausgeglichen werden – zumindest in der Theorie.
Unterschlagene Daten
Ist der DECT301-Thermostat länger in Betrieb, kann man den Temperaturverlauf visualisiert begutachten. Auch hier zeigt sich, dass AVM von moderner Datenaufbereitung leider wenig versteht. Statt den Verlauf prominent mit spannenden Details der vergangenen Tage oder Woche zu präsentieren, ist dieser ausgegliedert in einem zweiten Reiter platziert und zeigt gerade einmal die Temperaturkurve der vergangenen 24 Stunden an.
Als Daten-Nerd, der sich um viel Geld eine smarte Heizlösung zulegt, will ich aber genau solche Auswertungen und Statistiken, hübsch visualisiert dargestellt angezeigt bekommen – am besten in einer gesammelten Übersicht aller Räume. Über die Myfritz-App wäre es an dieser Stelle besser, kein Wort zu verlieren. Abgesehen von der altmodischen Gestaltung kann man lediglich die Soll-Temperatur verändern. Sämtliche zusätzlichen Funktionen sind nicht aufrufbar, es wird nicht einmal die gemessene Temperatur angezeigt.
Sensor am Heizkörper
Dass der Temperatursensor beim DECT301 direkt im Regler verbaut ist, ist ebenfalls nicht unproblematisch. Der Vorteil eines solchen Systems ist, dass keine zusätzlichen Geräte oder Sensoren notwendig sind, um einzelne Räume halbwegs intelligent zu steuern. Der Nachteil ist allerdings, dass die Temperatur am Heizkörper logischerweise höher als im Raum ist bzw. auch von äußeren Einflüssen wie undichten Fenstern, Sonnenstrahlung oder Vorhängen abhängig ist.
AVM ist zugute zu halten, dass man diese Temperaturabweichung manuell „hinterlegen“ kann und so verhindert, dass sich der Heizkörper schon ausschaltet, wenn es im Raum eigentlich noch viel zu kalt ist. In der Praxis gestaltet sich das aber schwierig. Am besten ist es wohl die tatsächliche Raumtemperatur zu messen, wenn der Heizkörper voll aufgedreht ist. Die Rechnung geht aber insofern nicht auf, da die Differenz fortan auch weggerechnet wird, wenn der Heizkörper kalt ist. Die vom System ermittelte Temperatur stimmt dann auf keinen Fall.
Erschwert wird die optimale Temperatureinstellung dadurch, dass jede im Browser vorgenommene Anpassung bis zu 15 Minuten braucht, um an den Heizkörperregler weitergegeben zu werden. Wer wie ich eher perfektionistisch veranlagt ist, braucht für Einstellungs-Experimente also viel Geduld. Leider hat sich AVM entschieden, am Display des DECT301 nur die Soll-Temperatur, nicht aber die gemessene Temperatur anzuzeigen. Das verkompliziert die Optimierung zusätzlich, weil man dafür wieder auf die umständliche Oberfläche der Fritzbox im Browser angewiesen ist.
Fazit: Hardware top, Software Flop
Keine Frage: Wer bislang noch über keine zentrale, programmierbare Heizsteuerung verfügt, für den ist ein System mit mehreren FritzDECT 301 eine wesentliche Verbesserung, mit der sich viel Geld sparen, aber auch der Heizkomfort steigern lässt. Die Verarbeitung des Reglers ist tadellos, auch das E-Paper-Display überzeugt mit ausgezeichneter Lesbarkeit. Die Installation und Einbindung ins Netz über die Fritzbox ist einfach, schnell und zuverlässig. Auch die selbstständige Regelung funktioniert einwandfrei.
Wer aber ein wirklich smartes Heizsystem sein Eigen nennen und bestimmte Räume feinjustieren will, wird mit dem AVM-Thermostaten nicht nur Freude haben. Der im Regler verbaute Temperatursensor ist – wie bei anderen Herstellern mit derartigen Systemen – von Grund auf ein Nachteil. Auch dass die Kommunikation zwischen Software-Oberfläche und Hardware bis zu 15 Minuten dauert, mag zwar stromsparend sein, nervt aber. Dass die Temperatur auch manuell am DECT 301 geregelt werden kann, ist zwar einerseits praktisch, macht die Bedienung aber zusätzlich intransparent.
Wirklich unverständlich ist mir, dass AVM mit all seiner Erfahrung und technischen Expertise das Thema Benutzeroberfläche so sträflich vernachlässigt. Das offenbart ein Technik-Verständnis, das im Start-up- und App-Zeitalter völlig überholt wirkt und ist doppelt schade, weil die Hardware inklusive vieler praktischer Funktionen wie eine „Offene-Fenster-Erkennung“ absolut zuverlässlich ist. Als etablierter Router-Hersteller war dies vermutlich weniger wichtig. Wenn AVM im Bereich Smart Home mit Apple, Google und aufstrebenden Start-ups mitspielen will, sollte es kräftig in moderne Software-Entwicklung investieren.
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