Windows Phone 8.1 im Test: Clevere Cortana, mehr Freiheit
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Kaum ein anderes mobiles Betriebssystem hat sich in den letzten Jahren den Titel "Work in Progress" dermaßen verdient, wie Windows Phone. Bereits seit dreieinhalb Jahren arbeitet Microsoft am Konkurrenten zu iOS und Android, stets hinkte man den beiden ein oder zwei Schritte hinterher. Mit Windows Phone 8 machte man im Oktober 2012 erstmals einen großen Satz nach vorne, der erhoffte Durchbruch blieb aber aus. Seitdem ist Microsoft damit beschäftigt, jeden noch so kleinen Fehler am System auszumerzen. Große Features, wie zum Beispiel Sprachassistenten (Siri, Google Now), kamen trotz insgesamt vier Updates nicht mehr dazu.
Diese Strategie hat dazu geführt, dass Windows Phone 8 mittlerweile ein sehr stabiles System ist, aber kaum von den Massen wahrgenommen wird. Mit Windows Phone 8.1 kommen das erste Mal seit langer Zeit "sexy" Funktionen dazu, mit denen Microsofts mobiles Betriebssystem wieder für Aufsehen sorgt. Doch ist die Begeisterung rund um Cortana, transparente Kacheln und das neue Benachrichtigungszentrum gerechtfertigt? Die futurezone hat die neue Version des Betriebssystems einem Test unterzogen und lange, tiefsinnnige Gespräche mit Cortana geführt.
Auf den ersten Blick hat sich kaum etwas geändert. Alles ist am gleichen Ort zu finden wie bisher, doch der Eindruck trügt. Die erste große Veränderung offenbart sich bereits, wenn der Benutzer über die bislang recht sinnlose Status-Leiste streicht. Zuvor wurden durch diese Bewegung lediglich einige Status-Symbole eingeblendet, beispielsweise ob WLAN aktiv ist. Doch nun lässt sich so ein vollwertiges Notification Center, wie es bereits seit einigen Jahren bei Android und iOS im Einsatz ist, einblenden. Tatsächlich ist es eine Mischung der Lösungen von Google und Apple.
Der “große Star” von Windows Phone 8.1 ist ohne Zweifel Microsofts Sprachassistentin Cortana, die als Antwort auf Apples Siri sowie Google Now gilt. Der Name Cortana dürfte vor allem Halo-Spielern ein Begriff sein. Sie ist jene künstliche Intelligenz, die den Master Chief mit Informationen versorgt und immer wieder freche Kommentare von sich gibt. Spricht man Windows Phones Cortana auf Halo und den Master Chief an, gibt sie amüsante Sprüche von sich. Auf die Frage "Wo ist der Master Chief?" antwortet sie beispielsweise "Wahrscheinlich unterwegs, um die Galaxie zu retten... er ist gut in solchen Dingen." Auch Fragen nach Siri, Bill Gates und ihrer eigenen Existenz beantwortet sie.
Auch wenn sie auf viele scheinbar komplexe Fragen Antworten liefern kann, sollte man sich keiner Illusion hingeben. Wie allen anderen Sprachassistenten ist sie keine "intelligente" Gesprächspartnerin, mit der man eine Unterhaltung führen kann. Ihr Funktionsumfang ist auf gewisse Tätigkeiten beschränkt. So kann sie Anrufe starten, SMS verschicken, Termine in den Kalender eintragen, Notizen, Erinnerungen und Wecker speichern sowie Musik wiedergeben und nach Orten, Bildern oder anderen Inhalten im Internet suchen. Der Funktionsumfang soll erweitert werden, zudem kann Cortana andere Apps steuern, wenn diese das unterstützen. Derzeit tun dies unter anderem Twitter, Skype sowie die hierzulande nicht verfügbaren VOD-Dienste Hulu und Flixster. Facebook wollte aus unerfindlichen Gründen im Test nicht funktionieren, obwohl es von Microsoft als App mit Cortana-Unterstützung genannt wird.
Wie Windows Phone ist Cortana eine Mischung der Welten von Apple und Google. Cortana setzt, wie Siri, sehr stark auf Spracheingabe, versucht dabei aber, ähnlich wie Google Now, mitzulernen. Der Benutzer kann Cortana zum Beispiel die Erlaubnis geben, seine E-Mails zu durchsuchen, sodass gebuchte Flüge automatisch erkannt werden. Cortana kann so den Benutzer warnen, wann er losgehen muss, um den Flug noch rechtzeitig zu erreichen. Mit Zugriff auf den persönlichen Termin-Kalender kann Cortana zudem auf bevorstehende Termine hinweisen und die benötigte Fahrtzeit kalkulieren. Zudem kann Cortana aktuelle Sport-Ergebnisse zur “Lieblingsmannschaft” heraussuchen, die Auswahl ist jedoch auf amerikanische Sport-Teams (Eishockey, Football, Baseball, Basketball) sowie englische Fußball-Teams (Premier League) beschränkt. All diese “Interessen” können auf einer eigenen Liste verwaltet werden, ohne die entsprechenden Berechtigungen kann Cortana aber nicht mehr als die herkömmliche Bing-Suche.
Nur in Englisch
Wenn man nicht gestört werden will, übernimmt Cortana die Verwaltung der ankommenden Anrufe und Nachrichten. Das bedeutet nicht, dass sie wie eine echte persönliche Assistentin Anrufe beantwortet, aber sie notiert sich, wer angerufen hat und präsentiert eine Zusammenfassung, wenn man wieder “verfügbar” ist. Diese Ruhestunden können auch automatisch eingestellt werden, beispielsweise täglich von 14 bis 16 Uhr. Anrufer können zudem per SMS-Nachricht informiert werden, dass man derzeit nicht verfügbar ist. Ausnahmen können für den “engsten Kreis” sowie Notfälle definiert werden.
Als sehr praktisch erwiesen sich Erinnerungen, die mit einem Ort verknüpft wurden. So kann Cortana beispielsweise den Benutzer daran erinnern, ein bestimmtes Buch zu kaufen, wenn man die Buchhandlung betritt oder die Schlüssel nicht zu vergessen, wenn man das Haus verlässt. Lediglich die Eingabe des Ortes war hin und wieder etwas mühsam, doch die Benachrichtigungen funktionierten tadellos. Erinnerungen können auch mit Kontakten verknüpft werden. So kann man sich beispielsweise erinnern lassen, das nächste Mal nach alten Fotos zu fragen, wenn die Schwester anruft. Im Test kam das deutlich seltener zum Einsatz, dennoch kann diese Funktion sowohl beruflich als auch privat praktisch sein.
Die Spracheingabe funktioniert hervorragend, Cortana gibt in der Textzeile eine Vorschau auf den erkannten Text. Sucheingaben und Befehle können aber auch mit Hilfe der Tastatur in die Textzeile eingetragen werden. Derzeit erkennt und spricht Cortana nur Englisch. Weitere Sprachen wurden zwar in Aussicht gestellt, einen Zeitrahmen gibt es dafür aber noch nicht. Einige Sätze werden von Jen Taylor, der offiziellen Synchronsprecherin von Cortana in den Halo-Videospielen, gesprochen. Der Wortschatz soll in Zukunft mit weiteren Aufnahmen von Taylor aufgefüllt werden, zur Zeit werden aber viele Antworten noch vom Computer generiert.
Microsoft hat das mitgelieferte Keyboard nun auch mit einer Swype-Funktion, mit der Wörter durch Wischen rasch eingegeben werden können, ausgestattet. Das funktionierte im Test überraschend gut, auch der deutsche Wortschatz ist recht umfangreich und konnte unter anderem mit „österreichischen“ Wörtern, wie etwa "Erdäpfel", aufwarten. Im Gegensatz zum beliebten Android-Keyboard SwiftKey zeigt die Microsoft-Tastatur jedoch ihre alternativen Vorschläge erst an, nachdem fertig „gewischt“ wurde. Beschleunigt wird das Tippen auch durch eine eigene Taste für Emoticons und Beistrich. Nutzt man die englische Tastatur, werden beim Tippen von einigen Wörtern, beispielsweise “Mouse”, “Airplane” oder “Apple” (tatsächlich die Frucht), die passenden Emojis angezeigt.
Mehr Freiheit
Eine der am häufigsten genannten neuen Features von Windows Phone 8.1 ist rein kosmetischer Natur. Kacheln von Apps, deren Farbe zuvor durch die System-Farbe definiert wurde, können nun auch “transparent” dargestellt werden. Dazu wird ein Hintergrundbild definiert, die transparenten Kacheln zeigen dann jeweils einen Ausschnitt des Bildes. Das Feature ist nett und gibt etwas mehr Freiheiten bei der Gestaltung des Homescreens. Microsoft versprach auf der Entwicklerkonferenz BUILD unter anderem auch, dass Apps nun deutlich mehr Freiheiten bei der Gestaltung des Lock-Screens bekommen würden. Bislang konnten diese nur das Hintergrundbild verändern und einen Zähler für Benachrichtigungen anzeigen. Mit Windows Phone 8.1 sollen auch Animationen und andere Layouts für Text möglich sein. Bislang gibt es aber noch keine App, die diese Funktionen nutzt.
Im Schatten von Cortana machte Microsoft auf der BUILD eine weitere Ankündigung, die womöglich den immer noch akuten App-Mangel (es gibt zwar mittlerweile 200.000 Apps im Store, davon ist aber nur ein Bruchteil qualitativ hochwertig) in Zukunft ausmerzen könnte. "Universal Windows Apps" ermöglicht Entwicklern, Apps zu schreiben, die sowohl auf Windows Phone 8.1 als auch Windows 8.1 laufen können. Das bedeutet zwar nicht, dass Windows 8-Apps auf Knopfdruck auch für Windows Phone 8.1 verfügbar sind, dennoch ist es nun deutlich einfacher für Entwickler, ihre Apps zu portieren. Dabei hilft auch, dass einige Middleware, zum Beispiel die beliebte Spiele-Engine Unity, ebenfalls Universal Windows Apps unterstützt.
Seit es Nokia Camera als eigene App im Windows Phone Store gibt, gibt es eigentlich keinen Grund mehr, Microsofts offizielle Kamera-App zu verwenden. Für Windows Phone 8.1 wurde diese dennoch überarbeitet und kann sogar teilweise zur Nokia-App aufschließen. Der Benutzer kann nun bis zu fünf Quick Settings definieren, die auf der linken Seite angezeigt werden. Neben einer Verknüpfung zur Foto-App können so auch der ISO-Wert, Belichtungszeit, Weißabgleich oder die Auflösung schnell angepasst werden. Die Kamera-App kann nun auch mit einem Serienbild-Modus aufwarten, mit dem bis zu 15 Bilder geschossen werden können.
Eine clevere Idee steht hinter Wi-Fi Sense, das das rasche Teilen von Login-Daten für WLANs ermöglicht. Diese werden nicht mit der breiten Öffentlichkeit geteilt, sondern lediglich mit Personen aus den eigenen Kontakten, die selbst auch Wi-Fi Sense nutzen. Dabei erfahren sie das Passwort nicht, die App übernimmt die Anmeldung. Die Rechte dafür können vom Nutzer aber jederzeit entzogen werden. Wie rasch das vonstatten geht, konnte im Test leider nicht überprüft werden. Microsoft nutzt die gesammelten Daten wohl auch, um WLAN-Hotspots in der Maps-App anzuzeigen. Dort waren im Test jedoch nur offene WLANs gelistet.
Datenguthaben sparen
Während Battery Saver versucht, Akkuleistung zu sparen, soll Data Sense mobile Daten reduzieren und die Ladegeschwindigkeit von Webseiten beschleunigen. Opera-Nutzer dürften das Verfahren bereits kennen, unverschlüsselte Daten werden über einen Proxy-Server übertragen und komprimiert. Microsoft lässt die Wahl zwischen drei verschiedenen Komprimierungsstufen, auf Wunsch kann das Feature auch ganz abgeschaltet werden. Um Daten zu sparen, werden Bilder komprimiert, Werbung blockiert sowie, falls möglich, nur der sichtbare Bereich von Webseiten geladen.
Data Sense ist bereits in Microsofts neuem Internet Explorer 11 integriert, der ebenfalls kräftig aufgebohrt wurde. Microsoft spricht von bis zu 20 Prozent besserer JavaScript-Performance, im Test war jedoch keine große Verbesserung zu erkennen. Beim Scrollen auf großen Webseiten mit langer Startseite oder Endless-Scrolling kam es des öfteren zu Rucklern und Hängern. Definitiv verbessert hat sich jedoch das Zoomen, bei dem Text nun deutlich schneller an die neue Zoomstufe angepasst wird. Das unsinnige Tab-Limit von maximal sechs offenen Tabs wurde zudem aufgehoben, im Test konnten das Limit selbst nach zwei Dutzend offenen Tabs noch nicht erreicht werden. Wer sein Surfverhalten nicht protokollieren möchte, kann dank InPrivate-Browsing nun Inkognito-Tabs öffnen. Tabs können außerdem per Microsoft-Konto mit dem Internet Explorer 11 auf dem Desktop synchronisiert werden.
Der Task-Manager ist weiterhin über langes halten der Zurück-Taste zu erreichen, Apps können nun auch durch nach unten wischen beendet werden. Microsoft hat zudem eine kleine Veränderung am Speichermanagement vorgenommen, die vor allem für günstige Windows Phones eine große Wirkung haben dürfte. Apps können nun auch auf der microSD-Karte abgespeichert und bei Platzmangel hin und her verschoben werden.
Nicht nur die Nutzer dürfen sich über Veränderung freuen, auch die Hersteller genießen nun mehr Freiheiten. Bislang hatte Microsoft recht strenge Anforderungen, vor allem wenn es um Hardware-Tasten ging. Es musste eine dezidierte Kamera-Taste geben und die drei Tasten (Zurück, Home, Suchen) mussten als physische Soft-Keys vorhanden sein. Diese Voraussetzungen sind nun mit Windows Phone 8.1 gefallen, wie bei Android können die Tasten nun auch emuliert werden, eine dezidierte Kamera-Taste ist nicht mehr notwendig.
Dinge, die weiterhin fehlen
Derzeit kann nur ein PIN-Code zum Sichern des Geräts definiert werden. Zumindest eine Alternative mit Entsperr-Muster oder ähnlichem wäre wünschenswert. Das Feature von Windows 8.1, bei dem eigene Bilder mit versteckten Gesten zum Entsperren versehen werden können, würde sich anbieten.
Datei-Management ist weiterhin recht mühsam. Storage Sense gibt zwar einen netten Überblick darüber, was wie viel Speicher benötigt, einzelne Dateien können aber nicht verschoben oder gelöscht werden. Dazu muss man in die jeweils verknüpfte App wechseln, sei es die Foto-Galerie oder der Musik-Player. Um Dateien mit einer App verwalten zu können, muss man auf kostenpflichtige Alternativen, wie zum Beispiel den Pocket File Manager, ausweichen. Eine kostenlose Alternative mit simplen Funktionen stellt der Aerize Explorer dar, der bereits auf Windows Phone 8.1 optimiert wurde.
Windows Phone war immer schon ein sehr solides mobiles Betriebssystem, doch erst jetzt kann man es als wirkliche Konkurrenz zu iOS und Android betrachten. Nicht etwa, weil Microsoft bahnbrechende neue Funktionen implementiert hat, sondern weil die Version 8.1 endlich jene Funktionen bietet, die Android- und iOS-Nutzer bereits seit Jahren kennen. Das ist kein Garant für den Durchbruch, eine gute Basis für die Zukunft stellt es dennoch dar. Auch der Mangel an “großen” und qualitativ hochwertigen Apps könnte mit den “Universal Windows Apps” und Windows Phone 8.1 ein Ende finden.
Cortana dürfte die Bekanntheit von Windows Phone definitiv beflügeln, letztendlich muss Microsoft aber die Richtung für seinen Sprachassistenten vorgeben und zeigen, ob es nur eines von vielen Gadgets ist. Windows Phone 8.1 fühlt sich nicht wie ein vollständig neues Betriebssystem an, aber es ist definitiv der größte Sprung seit dem Übergang von Windows Phone 7.5 auf Windows Phone 8. Bei all den neuen Funktionen ist es jedoch bedauerlich, dass Microsoft die Messenger-Funktionen für Facebook und Skype entfernt hat. Während Apple und Google auf ein zentrales Nachrichten-Hub drängen, geht Microsoft eigenartigerweise den anderen Weg. Davon abgesehen hat Microsoft mit Windows Phone 8.1 ein nahezu makelloses Update abgeliefert, auf das man als Windows Phone-Nutzer nicht verzichten sollte.
tl;dr: Microsoft holt kräftig auf, ist mit Windows Phone 8.1 aber immer noch nicht dort, wo Android und iOS bereits stehen
Wer will Windows Phone 8.1?
Offiziell soll Windows Phone 8.1 in den “kommenden Wochen und Monaten” für alle Geräte ausgeliefert werden, die bereits auf Windows Phone 8 laufen. Wer allerdings nicht warten möchte, kann mit Hilfe des Windows Phone App Studio bereits jetzt Zugang zur Entwickler-Version von Windows Phone 8.1 erhalten. Dazu muss man sich lediglich mit dem Microsoft-Konto in das App Studio einloggen, mit der man sein Windows Phone verwendet. Hier muss auch auf die Ländereinstellung geachtet werden. Möchte man Cortana nutzen, muss das Konto auf ein englischsprachiges Land registriert sein. Auch die Systemsprache muss Englisch sein.
Ist man einmal als Entwickler registriert, muss lediglich die App “Preview for Developers” aus dem Windows Phone Store heruntergeladen werden. Einmal gestartet und schon sind alle Entwickler-Updates für das Windows Phone freigeschaltet. Sollte das Update nicht automatisch starten, muss man lediglich einen Blick in die Einstellungen unter “phone update” werfen. Die Entwickler-Version entspricht zum Großteil jener Version, die in den nächsten Wochen und Monaten auch von den Herstellern ausgeliefert wird. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass ein Update nicht rückgängig gemacht werden kann. Ist Windows Phone 8.1 einmal installiert, gibt es kein Zurück zu Windows Phone 8 mehr.
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