Demonstration against the COVID-19 measures and their economic consequences, in Vienna
© REUTERS / LISI NIESNER

Science

40 Prozent aller Corona-Fälle in Österreich unentdeckt

Wiener Datenwissenschaftler gehen auf Basis einer neuen Berechnungsmethode davon aus, dass die Corona-Durchseuchung in Österreich, aber auch in anderen Ländern noch weit entfernt ist. Gerade einmal 7 Prozent aller Österreicher haben sich der Schätzung zufolge mit COVID-19 infiziert. 40 Prozent aller Infektionen dürften dabei unentdeckt geblieben sein.

Äußerst geringe Herdenimmunität

Die neue Methode, die im Fachblatt „PLOS One“ vorgestellt wurde, ergab, dass selbst in den Corona-Hotspots wie den US-Bundesstaaten New York und New Jersey vermutlich erst unter 20 Prozent der Bevölkerung infiziert waren. Damit ist man noch weit von einer Herdenimmunität entfernt.

Die indirekte Schätzmethode des Teams um Wissenschafter vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie der Technischen Universität (TU) Wien berücksichtigt die Altersstruktur der Bevölkerung, die allgemeine Sterberate in Bezug auf das Alter, die mit Covid-19 in Verbindung stehenden Sterbefälle sowie die Covid-19-Sterbefälle in Bezug auf die dokumentierte Zahlen an Infizierten (Fall-Sterblichkeit).

Nur 60 Prozent erkannt

Anhand mathematischer Modelle schätzten die Forscher auch, wie viele der tatsächlichen Fälle mittels Tests in etwa erkannt wurden. Die Analysen von Miguel Sánchez-Romero und Vanessa Di Lego und Kollegen ergaben Hinweise, dass in den meisten Ländern durch die bisherigen Teststrategien lediglich um die 60 Prozent der Fälle auch erkannt wurden. Dieser Wert gelte auch für Österreich, wie Sánchez-Romero auf Anfrage der Nachrichtenagentur APA erklärte.

„Unterschiedliche Testverfahren, asymptomatische Personen und die begrenzte Verfügbarkeit von Tests in großem Maßstab verringern die Chancen, wirklich alle Fälle zu erkennen“, so der Erstautor der Arbeit.

Die Wissenschafter leiteten mittels eines statistischen Verfahrens auch Informationen zur Dunkelziffer ab. „Wir können mit unserem Modell für eine beliebige Population schätzen, wie viele Menschen jemals mit Covid-19 infiziert waren“, so Di Lego. In seiner Arbeit konzentrierte sich das Team auf die USA - also das Land, in dem bisher die höchsten Covid-19-Todeszahlen registriert wurden.

Auch für Impfstrategie interessant

„Unsere Methode zeigt, dass Herdenimmunität hier keine geeignete Strategie ist“, so Di Lego. Das gelte umso mehr für Österreich, „wo wir noch immer weit entfernt von einem Level sind, das der Virusausbreitung Einhalt gebietet“, sagte Sánchez-Romero.

Das Team verweist darauf, dass ihre Schätzungen für verschiedene Länder sehr gut mit den Ergebnissen von Seroprävalenzstudien übereinstimmen, bei denen die Zahl der bereits Infizierten anhand von vorhandenen Antikörpern im Blut in einer Stichprobe erhoben und dann auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet wird.

Solche Untersuchungen seien aber aufwendig und teuer. Die Wissenschafter sehen ihre Methode daher als Möglichkeit zur Ergänzung. „Unser Modell ist ein Werkzeug, das für den weltweiten Einsatz geeignet ist - ohne jedes länderspezifische Detail kennen zu müssen“, so Sánchez-Romero, der den Ansatz auch als Werkzeug dafür sieht, zu überprüfen, „ob die Impfstoffstrategie funktioniert und inwiefern die Impfstoffe tatsächlich Todesfälle verhindern.“

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare