Ammoniak soll in eisenreichen Gesteinsschichten entstehen

Ammoniak soll in eisenreichen Gesteinsschichten entstehen

© Gao, Abate et.al

Science

Unterirdische Chemiefabrik lässt Ammoniak aus Brunnen sprudeln

Ammoniak ist eine der am häufigsten produzierten chemischen Verbindungen der Welt. Schätzungen zufolge wurden 2023 150 Millionen Tonnen in energieaufwändigen Verfahren produziert. Die mögliche Produktionskapazität liegt weit darüber und wird auf 240 Millionen Tonnen geschätzt. 

Dafür werden große Mengen an fossilen Brennstoffen verwendet. Laut der International Energy Agency entstehen dabei jährlich 450 Millionen Tonnen CO2. Beim derzeit gängigen Haber-Bosch-Verfahren werden 20 Prozent der Emissionen durch fossile Brennstoffe erzeugt. Die restlichen 80 Prozent entfallen auf die Wasserstoffproduktion.

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Haber-Bosch-Verfahren

Die chemische Ammoniaksynthese wurde 1910 von der deutschen Firma BASF entwickelt. Dieses Haber-Bosch-Verfahren wird bis heute durchgeführt und hat sich kaum verändert. Dabei wird mit großem Energieaufwand, bei Temperaturen bis 500 °C und hohem Druck, aus Wasserstoff und Stickstoff Ammoniak hergestellt. 

Da das häufig mithilfe fossiler Brennstoffe, meist Erdgas, geschieht, macht es 1,2 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes aus. Zudem verbraucht es 2 Prozent der weltweiten Energieressourcen. Zwar gibt es Bestrebungen, das Verfahren zu elektrifizieren, aktuell wird Ammoniak aber zu 90 Prozent mit der alten Methode hergestellt. 

Deswegen suchen Forscher und Forscherinnen Lösungen, um auf anderem Wege an Ammoniak zu kommen. Ein neuer Ansatz ist es, die Erde selbst zu einer Chemiefabrik zu machen. 

Weißer Wasserstoff entsteht unter der Erde

Frühere Experimente konnten zeigen, dass weißer, also natürlich vorkommender Wasserstoff unterirdisch gewonnen werden kann. Dafür wird Wasser dort in den Erdboden injiziert, wo eisenreiche Steinvorkommen (z.B. Olivin) lagern. Das Wasser ist mit Katalysatoren aus Kupfer- und Nickelpartikeln angereichert, die mit dem Eisen im Boden reagieren. Dadurch wird natürlicher Wasserstoff freigesetzt.

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(1) Radiolyse zur Suche von geeignetem Gestein (2) Eisenreiches Gestein wird bei hohen Temperaturen für die Wasserstoffproduktion verwendet (3) Wasserstoff fließt entlang tektonischer Platten (4) Wasserstoff fliest schnell durch Falten und Risse (5) Mikroben nehmen Wasserstoff als Energiequelle auf (6) Wasserstoff reagiert mit Gestein und Gas um Wasser, Methan und Mineralien zu formen (7) Wasserstoff kann wie Öl oder Gas gefördert werden (8) Die eisenreichen Gesteine könnten direkt angezapft werden (9) Wasser wird zu den eisenreichen Gesteinen gepumpt, um die Wasserstoffproduktion anzuregen

Diesen wollen die Forscherinnen und Forscher an Ort und Stelle zu Ammoniak umwandeln. Das hat den Vorteil, den Wasserstoff aus der Erde nicht mühsam auffangen zu müssen. Stattdessen wird das gesamte Haber-Bosch-Verfahren unter die Erde verlagert. 

Die Farben des Wasserstoffs

Je nachdem, woher die Energie zur Herstellung des Wasserstoffs kommt, erhält er im Sprachgebrauch eine andere "Farbe". Das sind die wichtigsten:

  • Weiß bedeutet, dass Wasserstoff natürlich vorkommt und nicht produziert werden muss
  • Grün bedeutet, dass der Wasserstoff aus erneuerbaren, sauberen Energien, wie Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft, durch Elektrolyse produziert wird 
  • Als Grau gilt jener, der aus Erdgas (Methan) hergestellt wird. CO2 ist ein Nebenprodukt dieses Vorgangs
  • Eine Abstufung ist der blaue Wasserstoff. Hier wird das CO2 nicht in die Atmosphäre abgegeben, sondern mittels Carbon Capture and Storage-Technik (CCS) gespeichert und unterirdisch gelagert
  • Türkiser Wasserstoff entsteht bei der sogenannten Methanpyrolyse. Ausgangsstoff ist ebenso Methan, bei der Herstellung entsteht aber fester Kohlenstoff (Kohle), der gelagert oder weiterverarbeitet werden kann
  • Schwarzer Wasserstoff wird aus Kohlekraft gewonnen, roter Wasserstoff aus Atomkraft und gelber aus dem Strommix des öffentlichen Netzes

Wasser mit Stickstoff reagiert unterirdisch

Deshalb wird dem Wasser, das in den Boden gepumpt wird, eine Stickstoffquelle wie Nitrat oder Stickstoffgas zugefügt. Theoretisch kann hierfür auch Abwasser aus der Landwirtschaft aufbereitet werden, das bereits Stickstoff enthält. Sobald der Wasserstoff unterirdisch entsteht, verbindet er sich mit den Stickstoffatomen. 

Eine Nitrat-Lösung wird in den Boden gepumpt. Dort entsteht Ammoniak, das dann hochgepumpt wird

Was dabei entsteht, nennt Studienautor Iwnetim Abate vom Massachusetts Institut of Technology (MIT) geologisches Ammoniak. „Wir nutzen die Temperatur, den Druck, die Chemie und das geologisch vorhandene Gestein im Untergrund, um Ammoniak direkt zu produzieren“, erklärt er in einem Statement.  Eine zweite Bohrung fördert es dann wie bei einem Brunnen zutage, wo es in Tanks gespeichert wird.

Einfacher und günstiger Transport

Das hat auch Vorteile beim Transport. Wasserstoff zu transportieren ist aufwändig, Ammoniak benötigt nur etwa ein Sechstel der Kosten. Zudem kann es in bestehenden Pipelines transportiert werden. Für Wasserstoff müsste eine entsprechende Infrastruktur erst in ausreichender Größe geschaffen werden.

JERA's Hekinan thermal power station in Aichi prefecture

Der japanische Stromerzeuger JERA hat erfolgreich Ammoniak-Verbrennung im Kohlekraftwerk getestet, um die CO2-Emissionen zu reduzieren

Aktuell wird Ammoniak am häufigsten in der Landwirtschaft zur Düngemittelproduktion verwendet. Doch auch in anderen Bereichen gewinnt es an Bedeutung, etwa als Treibstoff für Schiffe, als Energieträger für Brennstoffzellen oder für die Stromerzeugung in Kraftwerken

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Tests unter Realbedingungen in 1 bis 2 Jahren

Bisher wurde das neue Verfahren nur im Labor getestet. In einem nächsten Schritt soll die Methode unter realen Bedingungen demonstriert werden. „Wir gehen davon aus, dass dieses Experiment in den nächsten 1 bis 2 Jahren durchgeführt werden kann“, sagt Abate. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachmagazin Joule veröffentlicht.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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