Neues Material aus China soll Luftfahrt revolutionieren
Schon beim Space Shuttle wurde Keramik genutzt. Die Hitzeschutzkacheln waren aus keramischen Verbundwerkstoffen gefertigt. Durch einen hohen Porenanteil war eine besonders gute Wärmeisolation möglich. Das war auch nötig: Schließlich mussten sie im Weltraum Minusgrade nahe dem absoluten Nullpunkt aushalten und beim Wiedereintritt tausende Grad Celsius aushalten.
Der Nachteil: Der hohe Porenanteil machte sie sehr zerbrechlich. Sie konnten mit bloßer Hand zerstört werden. Jetzt will ein chinesisches Forschungsteam ein neues Material geschaffen haben, das nicht nur gute Wärmeisolation liefert, sondern auch hochfest ist, berichtet SCMP.
Vorteile von poröser Keramik, ohne die Nachteile
Die neue poröse Keramik heißt 9PHEB. 9 deshalb, weil es ein Verbundwerkstoff aus insgesamt 9 Komponenten ist. In Test hätte sich laut dem Forschungsteam gezeigt, dass 9PHEB nicht nur seine wärmeisolierenden Eigenschaften bis zu 2.000 Grad Celsius beibehält, sondern auch seine Form und Festigkeit. Das ist einer der Gründe, warum reguläre poröse Materialen bisher nur selten in der Luftfahrt verwendet wird: Hohe Temperaturen können sie verformen.
9PHEB weist eine Porosität von 50 Prozent auf. Dennoch hat es bei Raumtemperatur eine Druckfestigkeit von 337 Millionen Pascal (337 MPa). Dies sei deutlich mehr als jede bisher entwickelte poröse Keramik. Zum Vergleich: Nicht gehärteter Stahl hat eine Druckfestigkeit von etwa 250 MPa, klassisches Porzellan 500 MPa.
Erfolgreiche Labortests
Laut den Forschenden konnte 9PHEB 98,5 Prozent dieser Festigkeit beibehalten, wenn es auf 1.500 Grad Celsius erhitzt wurde. Beim Drucktest bei 2.000 Grad Celsius entstand eine bleibende Deformation. In diesem Fall ist das sogar ein erwünschter Effekt. Reguläre Keramik tendiert bei solchen Tests dazu brüchig zu werden und bildet Frakturen. Bei einem weiteren Test wurde das Material bei hohen Temperaturen um 49 Prozent gedehnt. Anstatt zu brechen oder reißen, wurde es sogar stabiler. Die Druckfestigkeit stieg auf 690 MPa.
Wird 9PHEB nicht absichtlich deformiert, scheint die Hitze kaum Auswirkungen auf das Volumen des Materials zu haben. Nachdem es auf 2.000 Grad Celsius erhitzt wurde, schrumpfte es lediglich um 2,4 Prozent.
Die Forschenden führen diese Eigenschaften auf die verschiedenen „Ebenen“ hin, mit denen sie 9PHEB entworfen haben. 92 Prozent der Poren liegen auf der Mikroebene – sie messen zwischen 0,8 und 1,2 Mikrometer. Dies ist der Hauptgrund für die gute Wärmeisolation. Auf der Nanoebene hat die Keramik starke, makellose Verbindungen, die die mechanische Festigkeit liefern. Auf atomarer Ebene sorgt das hoch-entropische Design (Werkstoffe mit nahezu gleichen Legierungsanteilen, um mehrere Materialeigenschaften zu kombinieren) für verbesserte Steifigkeit und reduzierte Wärmeleitfähigkeit.
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Vielseitige Einsatzmöglichkeiten
All das würde 9PHEB zu einem Material machen, das für nahezu alle extremen Bedingungen geeignet ist. Dabei nennen die Forschenden nicht nur die Raumfahrt, sondern auch die Luftfahrt.
Speziell Hyperschall-Flugzeuge könnten davon profitieren. Weil das Material gleichzeitig robust ist und einen hohen Hitzeschutz bietet, könnten Flugzeuge damit leichter gebaut werden und so treibstoffsparender sein, als wenn mehrere andere Werkstoffe kombiniert werden müssen, um die Eigenschaften von 9PHEB zu erreichen.
Ebenfalls sei ein Einsatz im Energiesektor vorstellbar und in der Chemie. 9PHEB sei überall dort sinnvoll, wenn robuste Materialen benötigt werden, die gleichzeitig eine hohe Hitzeisolation bieten.
Wann 9PHEB in Serienproduktion gehen könnte, ist nicht bekannt. Die Ergebnisse der Forschung der Guangzhou University’s School of Materials Science and Engineering wurden im Journal Advanced Materials veröffentlicht.
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