Labor-Arbeiter mit Proberöhrchen und Tablet

Symbolbild

© Gorodenkoff/Shutterstock.com

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Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihr Mikrobiom

Sieben Zeichnungen von Leonard da Vinci, darunter das berühmte Porträt eines Mannes, vermutlich ein Selbstbildnis des Meisters, hat Guadalupe Piñar, Mikrobiologin am naturwissenschaftlich-technischen Forschungsinstitut der Akademie der bildenden Künste Wien, vergangenes Jahr gemeinsam mit Wissenschaftskolleg*innen untersucht. Mittels hochmoderner DNA-Analysen wurde das Mikrobiom der Zeichnungen, also die Gesamtheit der Mikroorganismen auf den Objekten, bestimmt. Durchgeführt hat die Analysen u.a. Alexandra Graf, Bioinformatikerin an der FH Campus Wien, Lehrende im Masterstudiengang Bioinformatik und seit Jahren in der Mikrobiom-Forschung tätig.

Die Forscher*innen haben herausgefunden, dass jede Zeichnung ein einzigartiges Mikrobiom besitzt. Es gibt Aufschluss über die Geschichte der Werke und enthält wertvolle Informationen, die bei der Erhaltung und zum Schutz der Objekte genutzt werden können. Auf diesen Erkenntnissen baut jetzt ein neues interdisziplinäres Projekt der beiden Forscherinnen auf.

Probennahme von einer Leonardo da Vinci Zeichnung

Mikrobiom-Untersuchung einer Leonardo da Vinci-Zeichnung im Istituto centrale per la patologia degli archivi e del libro in Rom

Mikroorganismen auf historischen Gebäuden

Denn nicht nur Zeichnungen, auch historische Gebäude haben ein charakteristisches Mikrobiom. Piñar und Graf werden noch heuer gemeinsam mit der Restauratorin Beate Sipek von der Akademie der bildenden Künste Wien die Wände von zwei Gebäuden untersuchen: die der Virgilkapelle, einer unterirdischen Gruft neben dem Wiener Stephansdom, und die der Kartause Mauerbach in Niederösterreich. Beide neigen zu Salzkristallisation. Das schädigt nicht nur das Mauerwerk, es zieht auch salzliebende Bakterien an, die pinkfarbene Pigmente produzieren (daher der Projekttitel „Pretty in Pink“) und damit einen zusätzlichen ästhetischen Schaden verursachen.

Mittels DNA-Analysen werden die Forscherinnen das Mikrobiom der Wände untersuchen. Sie wollen herausfinden, wie verschiedene Restaurierungs- und Konservierungsverfahren wirken und inwieweit sie optimiert werden können, um die rosa Verfärbungen künftig zu unterbinden. Untersucht wird in diesem Zusammenhang auch, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Salzkristallisation und in weiterer Folge auf die mikrobielle Besiedlung des Mauerwerks hat.

Bioinformatische Analysen

„Um die gesamte Bandbreite der mikrobiellen Vielfalt in der Kapelle und der Kartause, aber auch deren Funktion zu erfassen, werden wir eine Kombination von hochmodernen Next- und Third-Generation-Sequencing-Methoden anwenden“, erklärt Alexandra Graf. Mittels Metagenom-Analyse wird die taxonomische Zusammensetzung der Proben untersucht und analysiert, welche Mikroorganismen auf den Wänden der beiden Gebäude leben. „Wir wollen aber auch wissen, welche Prozesse in diesen mikrobiellen Gemeinschaften stattfinden“, so die Bioinformatikerin. „Dazu werden wir Metatranskriptom-Analysen durchführen, die uns sagen, was die mikrobielle Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Probennahme gerade tut.“

Gewölbe der Virgilkapelle mit Zeichnung eines roten Kreuzes

Wände und Fresken der Virgilkapelle unter dem Wiener Stephansplatz werden genau untersucht im Forschungsprojekt Pretty in Pink? (CreativeCommons-Lizenz)

Neue Konservierungsmaßnahmen

Die Ergebnisse der Analysen im Rahmen des Projektes sollen dazu beitragen, das Mikrobiom auf salzhaltigen Mauerflächen und die Prozesse und Veränderungen, die dort stattfinden, besser zu verstehen. Außerdem sollen neue Verfahren zur Entsalzung und Konservierung von historischen Gebäuden entwickelt werden. „Mithilfe modernster bioinformatischer Analysemethoden können wir – hoffentlich – zu verbesserten Lösungsansätzen bei der Erhaltung von historischen Kulturdenkmälern beitragen,“ so Alexandra Graf. Sie geht davon aus, dass in den kommenden drei Jahren langfristig erfolgreiche Konservierungsmaßnahmen entwickelt werden können, die der Beschädigung von historischen Objekten künftig entgegenwirken und zwar – im Idealfall – bevor sie überhaupt entstehen.

Untersucht werden im Rahmen des Projektes die Daten von natürlichen Proben, die im Herbst in der Virgilkapelle und – je nach Witterungsbedingungen – voraussichtlich ab Jänner 2022 in der Kartause Mauerbach entnommen werden. Zusätzlich werden auch in vitro Versuche mit unterschiedlichen Salzkonzentrationen durchgeführt und die Reaktionen und Veränderungen der mikrobiellen Gemeinschaften analysiert.

Bei der Datenanalyse wird Graf von Studierenden des Masterstudiengangs Bioinformatik an der FH Campus Wien unterstützt. Sie werden im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten am Projekt „Pretty in Pink“, das aus Mitteln des Förderprogramms „Heritage Science Austria“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) finanziert wird, mitarbeiten. U.a. werden sie die Rohdaten Organismen und Prozessen zuordnen und Veränderungen in den Prozessen analysieren.

 

www.fh-campuswien.ac.at

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