Augen zu und durch: Die Corona-Krise bietet die Chance zur Abkehr vom klimaschädlichen Erdöl

Augen zu und durch: Die Corona-Krise bietet die Chance zur Abkehr vom klimaschädlichen Erdöl

© rts

Science

Die große Chance auf den Öl-Ausstieg

Am Samstag, dem 2. Mai, "feiert" Österreich seinen "Tag der Abhängigkeit von Öl, Kohle und Erdgas". Damit soll veranschaulicht werden, welch hohen Anteil fossile Stoffe am heimischen Energieverbrauch haben. Auf das Jahr gerechnet käme man bis 2. Mai mit erneuerbarer Energie aus, ab dem Tag bis Jahresende ist man von klimaschädlichen Rohstoffen abhängig, die noch dazu überwiegend importiert werden müssen.

"Bis spätestens 2040 gilt es, die Klimaneutralität zu erreichen. Wir müssen intensiv daran arbeiten, diesen ,Tag der Abhängigkeit von Öl, Kohle und Erdgas’ vom Frühjahr hin zum Jahresende zu verschieben", meint Peter Traupmann, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur. Eine Gelegenheit dafür, die Energiewende voranzutreiben, ergibt sich aus der aktuellen Corona-Krise. Durch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit eines großen Teils der Menschheit ist die Nachfrage nach Erdöl und Co. so gering wie selten zuvor. Dadurch und durch einen bereits zuvor intensivierten Wettkampf zwischen Öl-exportierenden Ländern ist der Ölpreis momentan sehr niedrig.

Politik am Zug

Durch gezielte politische Maßnahmen könnte man nun laut Experten die Wirtschaft wieder ankurbeln und dabei gleichzeitig den Ausstieg aus dem Öl fördern. "Das ist natürlich stark abhängig vom Gestaltungswillen der Politik", meint Frank Peter, stellvertretender Direktor der deutschen Denkfabrik Agora Energiewende. Anstatt wenig nachhaltigen Wirtschaftsbereichen Geld hinterher zu werfen, solle man an die Zukunft denken. Denn bereits jetzt sehe man welche Probleme die Klimaerwärmung mit sich bringt, etwa die Trockenheit in der Landwirtschaft.

Reinhard Haas, der Leiter der Energy Economics Group der TU Wien, sieht das ähnlich. Gerade in Bereichen, die noch sehr stark von Öl abhängig sind, sei es momentan günstig, Signale zu setzen: "Es wäre zum Beispiel sinnvoll, Kerosin für die Luftfahrt, das bisher weitgehend unbesteuert war, auf ein realistisches Preisniveau zu bringen. Das ist eine einmalige Gelegenheit, eine Restrukturierung vorzunehmen."

Der heimische Ölkonzern OMV betont in einer Stellungnahme gegenüber der futurezone, dass "die radikale Forderung nach einem sofortigen Ausstieg aus Öl und Gas" nicht hilfreich sei und verweist auf eine Prognose der internationalen Energieagentur. Laut der wird auch im Jahr 2040 noch mehr als die Hälfte des weltweiten Energiebedarfs durch fossile Quellen gedeckt werden. "Öl ist außerdem ein wertvoller Rohstoff für die Petrochemie, aus dem z.B. hochwertige Kunststoffe und lebenswichtige Medikamente hergestellt werden."

Coronavirus fear affects air traffic in Switzerland

Gähnende Leere am Flughafen - wird es nach Corona so bleiben?

Vorgeschmack

Laut Peter gebe der Rückgang im Ölverbrauch durch die Corona-Krise einen Vorgeschmack darauf, was im Zuge der Klimaziele für 2030 ohnehin angestrebt werde: "Wir sehen einen Nachfrageeinbruch um 15 bis 25 Prozent." Dazu komme laut Haas, dass die Krise neue Arbeits- und Kommunikationsformen salonfähig gemacht hat. Er erwartet etwa, dass es dauerhaft weniger Flugverkehr geben wird: "Geschäftsreisen und Massentourismus werden weniger werden." Arbeiten von Zuhause aus werde wahrscheinlich künftig zu einem gewissen Maß beibehalten, wodurch auch weniger Autos auf den Straßen wären.

Beim Heizen von Gebäuden sind fossile Brennstoffe noch stark vertreten. Derzeit gibt es in Österreich noch 600.000 Haushalte mit Ölheizung. Laut Regierungsprogramm sollen 2035 keine mehr übrig sein.  Peter: "Man muss den Ausbau erneuerbarer Energie beschleunigen, und das in allen Sektoren. Dafür ist es zentral, dass man über grünen Strom in ausreichendem Maß verfügt. Österreich hat bereits einen hohen Wasserkraftanteil. Dennoch ist mehr Wind- und Solarstrom notwendig, um den Anteil der Erneuerbaren weiter zu erhöhen."

Strom aus grünem Gas

73 Prozent des heimischen Stroms stammen aus Wasser-, Solar-, und Windkraft sowie Biomasse. Österreich liegt damit im internationalen Spitzenfeld. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe in thermischen Kraftwerken sei aber maßgeblich. Sie können kurzfristig aktiviert oder deaktiviert werden, um das Stromnetz zu stabilisieren, erklärt Gudrun Senk von Wien Energie. "In Österreich gibt es zwar keine Kohlekraftwerke mehr, aber gasbetriebene. Die sind eine wichtige Brückentechnologie." Pumpspeicher, Akkus oder Wasserstoff können die Gaskraftwerke noch nicht ersetzen.

"Erdgas wird wohl noch länger benötigt werden, oder man steigt auf grünes Gas um." Biogas aus tierischen und pflanzlichen Abfällen, Wasserstoff aus Elektrolyse oder Synthesegas seien aussichtsreiche Alternativen. "Das sind drei technisch vernünftige Optionen, die zu 100 Prozent CO2-neutral sind. Sie sind derzeit aber noch relativ teuer."

Laut Senk sei es maßgeblich, diese Alternativen zu fossilen Brennstoffen trotz Corona-Krise weiterzuentwickeln und damit den Ökostromausbau voranzutreiben. Sie ist überzeugt, dass sich Investitionen auszahlen werden: "Man sieht, dass jeder Euro, den man in erneuerbare Energie steckt, 2,5 Euro zusätzliche Wertschöpfung bringt. Die ist zu 80 Prozent lokal."

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

mehr lesen
David Kotrba

Kommentare