Effektive Reproduktionszahl als neuer Maßstab für Lockerungen
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Die effektive Reproduktionszahl und ihre Werte könnten als Referenz für die Verfolgung der Situation rund um SARS-CoV-2 bzw. Covid-19 in Österreich nach Auslaufen der sogenannten Ausgangsbeschränkungen dienen. Die AGES- und TU Graz-Epidemiologen haben nun Ergebnisse vorgelegt, die für den Zeitraum nach Ostern - als es in Österreich die ersten kleineren Lockerungen gab - erhoben.
Die Epidemologen gehen dahingehend für den Zeitraum 16. bis 28. April von einer effektiven Reproduktionszahl von SARS-CoV-2 in Österreich von 0,67 aus. Die Labordiagnosen nahmen in diesem Zeitraum täglich um 4,2 Prozent ab.
Falldaten mit Stand 30.4. 16 Uhr
"Diese Analyse basiert auf den Daten der in das österreichische Epidemiologische Meldesystem (EMS) eingepflegten, neu aufgetretenen (inzidenten) Covid-19-Fälle. Relevante Falldaten wurden von der Abteilung Infektionsepidemiologie & Surveillance der AGES bei den zuständigen Behörden erhoben und im EMS komplettiert. Die Auswertung wurde mit Daten zum Stand 30.04.2020 (16.00 Uhr) durchgeführt.
Zu diesem Zeitpunkt waren 15.451 Covid-19 Fälle gemeldet", schrieben die Experten. Aus der zeitlichen Verteilung der im Beobachtungszeitraum aufgetretenen Fälle hätte man die durchschnittliche Anzahl der von einem Fall (Infizierten) weiter verursachten Folgefälle (zusätzlich Infizierten) geschätzt.
Gesamt-Minus von 4,2 Prozent
Die wichtigsten Daten für Österreich insgesamt: Die geschätzte Steigerungsrate der SARS-CoV-2-Infektionen zeigte demnach ein Minus von täglich um 4,2 Prozent. Die effektive Reproduktionszahl - also die Zahl der durchschnittlich von einem Infizierten weiter angesteckten Personen - betrug 0,67. Das Konfidenzintervall dieser Berechnung - also die Bandbreite innerhalb der sich der exakte Wert befindet - ist eng (0,63 bis 0,72), deutet also auf eine hohe Genauigkeit hin.
Leichter Anstieg nach Tiefstwert
Ein Wert über dem Faktor 1 würde auf eine weitere Verbreitung statt auf einen Rückgang - wie derzeit registriert - der SARS-CoV-2-Infektionen hinweisen. In Österreich sank laut den Angaben übrigens die effektive Reproduktionszahl zwischen 22. und 24. April auf den bisherigen Tiefstwert von knapp mehr als 0,5, um dann bis zum 28. April wieder etwas anzusteigen.
Vor allem für Wien wurden in den vergangen Tagen Zahlen gemeldet, die auf einen effektiven Reproduktionswert knapp unter den Faktor 1 hindeuten.
Wien zeigt höhere Werte auf
Ohne dass die AGES-/TU Graz-Fachleute für die einzelnen Bundesländer in ihre Publikation die Zahlenwerte extra anführen, zeigt sich aufgrund der enthaltenen Grafiken ein geringfügig differenziertes Bild: Die Steiermark und das Burgenland lagen um den 28. April etwa bei der für Österreich (Zeitraum: 16. bis 28. April) durchschnittlichen effektiven Reproduktionszahl. Weniger als 0,5 betrug die effektive Reproduktionszahl für SARS-CoV-2 am 28. April in Kärnten und in Vorarlberg. In Tirol lag sie bei 0,5 bzw. sehr knapp darunter. Jeweils etwas über 0,5 betrug die effektive Reproduktionszahl am 28. April in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg. Sehr knapp unter dem Faktor 1 befand sich Wien.
Die Betrachtung des letzten Wertes vom 28. April ist aber sprichwörtlich nur ein "Schnappschuss". Wegen der Aussagekraft verwenden die Epidemiologen eben längere Zeiträume, in der aktuellen Berechnung die Zeit vom 16. bis 28. April. Das gleicht zufällige tägliche Schwankungen aus.
Auswirkung der Lockerungen unklar
Wichtig dürften diese Daten vor allem für die nächste Zukunft werden. Die Fachleute werden nämlich sehr genau beobachten, wie sich die Aufhebung der sogenannten Ausgangsbeschränkungen, die Öffnung großer Geschäfte, Lockerungen der Besuchsregelungen in Altersheimen und schließlich die Öffnung der Gastronomie auswirken werden.
"Es ist ein Sprung ins kalte Wasser. Wir kennen aus den vergangenen 60 bis 70 Jahren nichts Vergleichbares", hat der Wiener Reise- und Tropenmediziner Herwig Kollaritsch bei Ankündigung der Lockerungen erklärt. "Wir gehen von einem sehr geringen Niveau bei der Zahl der Fälle aus. Ich glaube, dass wir mit dem Wegfallen der Ausgangsbeschränkungen am Beginn (bei den Zahlen der Infektionen bzw. der Covid-19-Erkrankungen; Anm.) gar nicht sehr viel sehen werden. Das wird eine Zeit lang, wahrscheinlich mindestens ein Monat dauern. Es ist auf jeden Fall zu erwarten, dass die Zahl der Fälle wieder ansteigen wird", sagte Kollaritsch.
Mehr Tests könnten helfen
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat unterdessen eine Ausweitung der Coronavirus-Tests empfohlen. Auch bei leichten Symptomen solle sofort getestet werden, je früher desto besser, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Eine generelle Testung der Bevölkerung ohne Symptome sei nicht ratsam.
Abhängig von der Situation sei es aber sinnvoll, Risikogruppen durch häufigere Tests besser zu schützen - zum Beispiel in Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen. Denn Infizierte könnten das Virus schon ausscheiden, bevor sie Symptome spürten.
Nach Wielers Angaben liegt der Wert für Ansteckungen in Deutschland - die Reproduktionszahl - im Moment bei 0,76 (Datenstand 29. April, 0.00 Uhr). Damit ist diese Zahl im Vergleich zu Österreich insgesamt leicht höher, aber auch unter der 1er-Grenze.
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