Elsberg: "Bis zum fertigen Designer-Baby dauert es noch"
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Es ist eine Geschichte, die Menschen mit Kinderwunsch bewegen wird: Ein Paar aus Kalifornien versucht schon seit Längerem, ein Kind zu bekommen, aber auf natürlichem Weg klappt es einfach nicht. Von ihrem Arzt bekommen Helen und Greg dann plötzlich ein genetisch optimiertes Wunderkind angeboten. Dazu werden sie in eine geheime Forschungseinrichtung eingeladen, in der es bereits Familien mit genmanipulierten, sonderbegabten Kindern gibt. So beginnt der neue Thriller „Helix – Sie werden uns ersetzen“ des österreichischen Bestseller-Autors Marc Elsberg.
Aktuelle Entwicklungen
In der Praxis ist es längst Realität, Menschen in der ein oder anderen Form zu optimieren. „Heute wird fast jeder Fötus mit Trisometrie 21 (Anmerkung: eine Erbkrankheit) abgetrieben. Das ist praktisch die Vorstufe dieser Entwicklung“, so Elsberg. „In einigen Teilen der Welt ist außerdem ein Phänomen namens „family balancing“ verbreitet. Das bedeutet, dass sich Paare das Geschlecht ihres Kindes aussuchen.“
Designer-Baby der Zukunft
In Großbritannien sei zudem etwa eine Methode der künstlichen Befruchtung erlaubt, bei der der bereits verschmolzene Zellkern aus der Hülle der Eizelle herausgelöst und die entkernte Eizelle einer zweiten Frau eingesetzt wird. Dadurch werden die Mitochondrien der zweiten Frau mitverwendet. „Das wird gemacht, um gewisse Dinge zu verhindern oder zu ermöglichen. Solche Kinder haben im Prinzip drei Eltern“, erklärt Elsberg.
Der Bestseller-Autor, der mit seinen Wissenschaftsthrillern „Blackout“ und „Zero“ bekannt geworden ist, rechnet damit, dass weitere Manipulationen am Menschen irgendwann einmal jemand machen wird: „Einfach, weil sie möglich sind. Die Frage, mit der wir uns beschäftigen sollten, lautet: Wie will man als Gesellschaft künftig damit umgehen, ins Leben einzugreifen, wie wir es bisher in der Menschheitsgeschichte nicht konnten?“ „Bis zum fertigen Designer-Baby wird es aber noch eine Weile dauern. Der erste Schritt wird eher eine Art Ausselektion sein. In ein paar Jahren wird man etwa mehr über bestimmte Muskelarten wissen und entscheiden können, ob diese für Wettbewerbe in Zukunft nützlich sein können“, sagt Elsberg.
Neue Manipulationen
Für den Autor, der für „Helix“ mehrere Jahre zum Thema Gentechnik recherchiert hat, ist hier vor allem die Entdeckung der sogenannten Crispr/Cas9-Technologie entscheidend. Das ist eine biochemische Methode, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern. Ganze Gene können damit komplett entfernt oder eingefügt werden. Auswirkungen gibt es dadurch auch in der Landwirtschaft.“
Mit der „Cripsr/Cas9-Technologie ist es etwa nicht mehr nachweisbar, ob bestimmte Dinge gentechnisch manipuliert werden. Wenn bei einer Apfelsorte etwa Schädlingsresistenz erreicht wird, bei der nicht mehr klar ist, ob diese durch natürliche Züchtung erreicht worden ist oder nicht, wird man auch die Diskussion in eine andere Richtung lenken müssen als bisher. Woran machen wir dann Gentechnik fest? Am Prozess oder am Ergebnis? Das wird noch sehr spannend.“
Drogen aus Bakterien
Auch bei anderen Entwicklungen spielt Gentechnik eine immer größere Rolle. So soll mithilfe von Gentechnik etwa ein Treibstoff aus Bakterien entstehen, oder aber Drogen wie Heroin aus Hefe-Bakterien. „Davon sind wir nicht mehr allzu weit entfernt und erste Entwicklungen in diese Richtungen gibt es bereits.“Außerdem steckt Gentechnik laut Elsberg heutzutage schon fast überall drin, ohne, dass es wir uns darüber klar sind.
„Die Leute sind sich darüber oft gar nicht bewusst. Dabei stammen 80 Prozent der Baumwollernte aus gentechnikveränderten Pflanzen. Oder in modernen Waschmitteln sind Enzyme drin, die Schmutz und Proteine schon bei 30 Grad aufweichen. Auch diese werden von gentechnisch veränderten Organismen hergestellt. Auch Semmeln haben Lebenszusätze, die sie so knackig machen, wie sie sind. Ohne diese biotechnisch veränderten Mikroorganismen hätten sie eine andere Konsistenz.“
"Würde ich selbst gern lesen"
Mit seinem Roman will Elsberg all diese Dinge an die Oberfläche bringen – wie er auch bei „Blackout“ und „Zero“ Entwicklungen aufzeigen wollte, mit denen sich die Gesellschaft beschäftigen sollte. „Es geht darum, dass sich möglichst viele Leute die Frage stellen, wie wir als Menschen Verbesserung definieren und unser Weltbild bestimmen.“
Auf die Frage, warum sich im deutschsprachigen Raum nicht wirklich viele Autoren mit gesellschaftlichen, technologischen Entwicklungen befassen, meint der Bestseller-Autor: „Es liegt sicher auch an der Arbeit, die da drin steckt. Man muss wesentlich mehr recherchieren als für normale Thriller und es ist nicht so einfach, daraus eine spannende Geschichte zu formen.“Beim Recherchieren müsse Elsberg immer wieder staunen, so der Autor. „Und: Ich schreibe die Bücher, die ich selbst gerne lesen würde.“
Kommentare